Die Frankfurter Verschwörungs­szene im Jahr 2022

»Corona-Demo« am 22. November 2021 in Frankfurt. © dokunetzwerk rhein-main

Seitdem Beginn der CoViD-19-Pandemie hat sich im Spektrum der Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen manches geändert. Einige Akteur*innen, die noch 2020 deren Auftritte in Frankfurt prägten, sind in den Hintergrund geraten oder ganz verschwunden, neue Personen, Gruppen und Labels exponieren sich. Der Oberbegriff »Corona-Leugner*innen«, der das Milieu noch zu Beginn der Pandemie treffen beschrieb, trifft nicht mehr den Kern dessen, welche Inhalte auf der Straße und in den einschlägigen Chat-Gruppen verhandelt werden. Daher ist nun von den Corona-Rechten zu sprechen.

Hinweise auf die Verfassung von 1871 (Verfassung des Deutschen Reiches) sind übliche Schlagworte von AnhängerInnen der Reichsbürger-Ideologie, wie hier auf dem »Corona-Protest« am 27. November 2021 in Frankfurt. © ASVI

Es lässt sich nicht von einem Spektrum oder gar einem geschlossenen Milieu der Corona-Rechten ausgehen. Auch in Frankfurt ist zu sehen, dass unterschiedliche Gruppen, Mobilisierungen und Aktionsformen unterschiedliche Kreise erreichen, die sich auf größeren Kundgebungen zu einem diffusen »Wir gegen die da Oben« verbünden. Dort laufen weiterhin rechte Rotlichtgestalten, die um ihre »Geschäfte« bangen, zusammen mit christlichen FundamentalistInnen, die die Pandemie als »Strafe Gottes« und Impfungen als »Teufelswerk« ansehen. Dort finden sich AnhängerInnen der Reichsbürger-Ideologie, die selten offen erkennbar sind, neben orthodoxen (Ex-)Linken, die glauben, hier das Potential für den Kampf gegen eine »technokratische Diktatur« zu finden. Die Mehrheit stellt jedoch ein mehr oder weniger (rechts) radikalisiertes Kleinbürger*innentum, das sich um das eigene Wohlbefinden sorgt und Begriffe wie »Gesellschaft«, »Zusammenhalt«, »Selbstbestimmung«, »Freiheit«, »Gleichbehandlung« und »Solidarität« so zurecht biegt, dass es ausschließlich den eigenen Interessen dient.

Auch die Forderung nach der Einrichtung einer »Verfassungsgebenden Versammlung« ist ein untrügliches Zeichen der Reichsbürger-Ideologie. Die 57-jährige Stefanie Schaack-Wichtler aus Frankfurt-Bornheim zählt zum harten Kern dieser Szene. Hier wirbt sie am 20. April 2021 auf einer Versammlung der Corona-Rechten in Bornheim. Als Beruf gibt Schaack-Wichtler »Life-Coach« an. © ASVI

Die kleinen und großen Auftritte der Corona-Rechten sind unverzichtbar zur Selbstvergewisserung der Szenen, sie sind jedoch nicht die entscheidenden Orte, an denen die Politik gemacht wird. Der Austausch von Ideen und Materialien findet überwiegend im Virtuellen statt und ebenso die Gewinnung und Radikalisierung neuer Mitstreiter*innen. Facebook hat dabei stark an Bedeutung verloren, andere »soziale Netzwerke« wie Instagram, der Messaging-Dienst Telegram und diverse Imageboards bieten umfassende und unkontrollierte Möglichkeiten der Kommunikation.

Ausgelaufen und ausrangiert

Bis Anfang 2021 fanden etliche relevante Veranstaltungen der Corona-Leugner*innen unter dem Label von Querdenken, bzw. dem Frankfurter Ableger Querdenken69, statt. Dessen führende Vertreter in Frankfurt waren Malin Singh und Joël Roux. Doch erlitt das Frankfurter Orga-Team ab Ende des Jahres 2020 Misserfolge, die dazu führten, dass das Label an Bedeutung verlor: Demonstrationsversuche am 14. November und 12. Dezember 2020 waren kläglich gescheitert, durch Medienberichte wurde immer mehr über den organisatorischen Zentralismus von Querdenken bekannt. So durfte die Frankfurter Ortsgruppe nicht einmal die Erlöse des Verkaufs von Querdenken69-Pullovern behalten, wie Malin Singh einräumen musste. Querdenken-Gründer Michael Ballweg aus Stuttgart wurde mit intransparenten Finanzgeschäften konfrontiert und zog sich zeitweise zurück. Das Vertrauen in das Label Querdenken schwand. Zwar wurde in Frankfurt der Versuch der Neugründung einer Organisationsstruktur vorgenommen, den auch Singh unterstützte, diese konnte aber keine relevanten Aktionen mehr entfalten.

Querdenken prägend auf den Frankfurter Corona-Protesten. Dann ließ dessen Bedeutung stark nach. Im Bild: Querdenken-Aktivist*innen in Bornheim am 20. April 2021. © ASVI

Im März 2021 erklärten Singh und Roux schließlich ihren Rückzug von Querdenken69, in den darauf folgenden Monaten wurden sie nicht mehr als Teilnehmende an »Corona-Protesten« erkannt. Als exponierte Pandemie-Leugner*innen hatten beide ihre Arbeitsstelle verloren und in ihrem direkten nachbarschaftlichen Umfeld im Ostend Outings von Antifaschist*innen erlebt.

Heute sind im Rhein-Main-Gebiet nur noch an wenigen Orten (etwa in Darmstadt) Querdenken-Ortsgruppen aktiv, die Veranstaltungen durchführen. Jedoch bestehen die Querdenken-Telegram-Gruppen flächendeckend fort, sie bilden Diskurse innerhalb der Szene ab und haben weiterhin einen starken mobilisierenden Charakter für bevorstehende Veranstaltungen. Und auch der vermeintliche Rückzug von Singh und Roux muss in Zweifel gezogen werden: So konnte Roux am 15. Januar 2022 beobachtet werden, wie er die Ordner*innen einer Demonstration der Corona-Rechten koordinierte.

Joël Roux (mit Brille) auf einer Demonstration der Corona-Rechten am 15. Januar 2022 in Frankfurt. © Konstantin Hirsch

Die Rolle organisierter Gruppen

Einige Gruppen nutzen insbesondere die größeren Demonstrationen und Kundgebungen, um sich als Gruppe sichtbar zu machen: Durch das Verteilen von Materialien, durch Transparente oder Papptafeln oder durch einheitliche Kleidung. Dazu zählen beispielsweise die Freiheitsboten, die Reste der Anhänger*innenschaft des Arztes Bodo Schiffmann, der 2020 eine führende Person der Pandemie-Leugnung in Deutschland war. Nachdem er seine Anstellung als Arzt verlor und Schritte eingeleitet wurden, um ihn seine Approbation zu entziehen (er hatte falsche Atteste ausgestellt, um Maskengegner*innen von der Maskenpflicht zu befreien) verzog Schiffmann Anfang 2021 nach Tansania und seine Bedeutung sank rapide. Dass sich Schiffmann unter anderem zum QAnon-Verschwörungsmythos bekannte, muss bei der politischen Bewertung seiner Gefolgschaft einbezogen werden.

Immer wieder, mindestens seit Herbst 2020, ist auch eine Gruppe in Frankfurt zu sehen, die leuchtend pinke Warnwesten trägt und zuweilen ein Banner mit der Aufschrift »Politiker müssen haften« mit sich führt. Dahinter steht eine Kampagne für »Politikerhaftung«, die sich in verschiedene Webseiten, Online-Petitionen einfügt, die maßgeblich von Stephanie Tsomakaeva aus Langen koordiniert werden. Tsomakaeva trat in Langen auch zur Bürgermeister*innenwahl an, war AfD-Mitglied und gibt nun an, Mitglied der AfD-Abspaltung Liberal-Konservative Reformer (LKR) zu sein. Ein Verein namens Bündnis 21 e.V. fungiert als Trägerorganisation der Online-Kampagne zur »Politikerhaftung«, deren Ziele nur diffus formuliert werden; als stellvertretender Vorsitzender tritt hier der Sachsen-Anhalter LKR-Politiker Detlef de Raad auf.

Extreme Rechte auf den Frankfurter »Corona-Protesten«

Auch Neonazis nutzen Versammlungen von Pandemieleugner*innen und Impfgegner*innen, um sich in Szene zu setzen. Auf Versammlungen in Frankfurt waren es mehrfach Aktive der Identitären Bewegung (IB) und am 4. Dezember 2021 eine Gruppe der Neonazipartei Der III. Weg. Letztere traten in Parteikluft und entsprechenden Papptafeln auf und gingen unter dem Schutz der Menge aggressiv einen Journalisten an.

IB-Gruppen zeigten seit 2020 bei Corona-Protesten in Frankfurt mehrfach ihr Transparent »Heimatschutz statt Mundschutz«, was von den Teilnehmenden der Versammlungen stets unbeanstandet blieb.

Bei Aufzügen in Wiesbaden und Aschaffenburg trat auch die hessische NPD in Erscheinung – mit großen Transparenten, jedoch nur mit einer Handvoll Personen, die aus dem Wetteraukreis und dem Rhein-Lahn-Kreis kamen. Dies zeigt die personelle Schwäche der hiesigen NPD und zugleich ihr funktionales Verhältnis zu den Corona-Protesten. Von den Teilnehmenden der Demonstrationen in Aschaffenburg war keine Distanz zur Neonazitruppe zu erkennen, obwohl sie am 31. Dezember ein Transparent mit eindeutig rechter Botschaft (»Kontrolliert die Grenzen, nicht euer Volk!«) zeigte.

FunktionärInnen der Alternative für Deutschland (AfD) spielen bei den Corona-Protesten in Frankfurt ebenso keine erkennbare Rolle. Wurden noch im Jahr 2020 hin und wieder AfDler*innen aus Frankfurt und dem Offenbacher Umland bei den hiesigen Kundgebungen gesehen, so ist aus den vergangenen Monaten lediglich der Auftritt des AfD-Landtagsabgeordneten Andreas Lichert aus Bad Nauheim und ein paar Begleitern am 27. November 2021 in Frankfurt erwähnenswert. Lichert führte ein AfD-Wahlkampfplakat gegen »Impfapartheid« und »Zwangsbegrünung« mit, hatte jedoch den Hinweis auf die AfD abgeschnitten. Jedoch: In Chatgruppen von Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen wird offen und in der Regel unwidersprochen Werbung für die AfD gemacht, die Partei ist im Spektrum der Corona-Rechten bestens aufgestellt.

»Spaziergänge« als neues Aktionsformat

Eine recht neue Aktionsform sind die »Spaziergänge«, die flächendeckend und in hoher Taktzahl stattfinden. Mancherorts erreichen sie wenige Dutzend Personen, in Frankfurt waren es am 1. Januar 2022 jedoch bis zu 300 Personen, die durch die City zogen.

Populär gemacht wurde dieses Format von der extrem rechten Kleinstpartei Freie Sachsen, die in etlichen sächsischen Städten die »Corona-Proteste« prägt. Im Frankfurter Raum werden derartige Spaziergänge über die Telegram-Kanäle »DemoFfm« mobilisiert und gesteuert. Die Veranstaltungen werden nicht angemeldet. Die Teilnehmenden treffen sich an einem vereinbarten Ort und ziehen vor dort aus gemeinsam und Parolen rufend los. Sobald ein größeres Aufgebot der Polizei erscheint, zerstreut sich die Menge in verschiedene Richtungen. Die Teilnehmenden erfahren per Zettelchen oder Telegram-Nachricht den nächsten Treffpunkt, wo wenig später das gleiche Szenario von vorne beginnt.

In den ersten Januarwochen 2022 fanden in der Frankfurter City und in verschiedenen Stadtteilen Demonstrationen von Corona-Rechten unter dem Motto »Spazieren mit seinen Lieben als letztes Refugium einer Restdemokratie« statt. Diese werden bei der Polizei angemeldet und von dieser begleitet. Dies läuft dem Ursprungskonzept der »Spaziergänge« zuwider, welches darauf zielt, die Versammlungen unangemeldet durchzuführen und auf Ansprache der Polizei zu erwidern, sie würden keine Versammlung abhalten, sondern nur spazieren gehen.

Mit den bundesweit stattfindenden »Spaziergängen« der Corona-Rechten werden auch die Aufzüge assoziiert, bei denen seit Anfang Januar 2022 beinahe täglich zwischen 80 und 150 Personen durch wechselnde Frankfurter Stadtteile oder Orte im Taunus ziehen. Auch diese Versammlungen finden in der Regel in Kooperation mit der Polizei statt und werden ordnungsgemäß angemeldet. Die Veranstaltenden selbst schreiben von »Aufzügen« und nicht von Spaziergängen.

Die Partei DieBasis

Gegründet wurde die Basisdemokratische Partei Deutschlands, kurz: DieBasis, im April 2020 als Sammelbecken von Initiativen und Kleinstparteien aus dem Spektrum der Pandemie-Leugner*innen und Impfgegner*innen. Viele Mitglieder gehören einem Esoterik-Milieu und einer bürgerlichen Mittelschicht an, so verfügte die Partei schnell über die finanziellen Mittel, um Büros für den Kreisverband (in Bornheim) und für den Landesverband (in Rödelheim) einzurichten.

Jutta und Frank Schludecker (DieBasis) auf einer Querdenken-Demonstrationen am 20. April 2021 in Frankfurt. © ASVI

Der Kreisverband Frankfurt wurde im Februar 2021 gegründet, im April 2021 hatte er knapp 100 Mitglieder, bis November 2021 waren laut eigenen Angaben schon 220.

Im Bundestagswahlkampf trat DieBasis flächendeckend in Frankfurt durch Informationsstände in Erscheinung. Ihr Spitzenkandidat im Wahlkreis Frankfurt am Main 1 war Martin Heipertz. Der 45-jährige Ökonom und Buchautor war zuvor hochrangiger Angestellter im Bundesministerium der Finanzen gewesen. Ab 2019 zählte er zum Bundesvorstand der Werte-Union in der CDU. Am 20. März 2021 trat er auf einer Demonstration der Corona-Rechten in Kassel vor Tausenden Teilnehmenden auf. In seiner Rede, die mit viel Applaus bedacht wurde, gab er sich als christlicher Fundamentalist zu erkennen. Er sagte, er sei kein Leugner der Pandemie, sondern sehe in der Verbreitung des Virus eine göttliche Warnung und Strafe. Die CDU rief er zur »Umkehr« zu einer christlichen Politik aus. Zudem sei er als Christ gegen das Impfen, weil es angeblich keinen einzigen verfügbaren Impfstoff gäbe, »der nicht mit Abtreibungen zu tun« habe. Mit seinem Austritt aus der CDU im April 2021 kam Heipertz einem Parteiausschluss zuvor. DieBasis empfing ihn noch im selben Monat als prominenten Neuzugang und stellte ihn als Direktkandidat zur Bundestagswahl im September 2021 auf. Mit 1,43 Prozentpunkten und knapp 2000 Stimmen blieben er und seine Partei, die auf einen Überraschungserfolg gehofft hatten, hinter den Erwartungen zurück.

In einem Rödelheimer Park richtete DieBasis von Frühjahr bis Herbst 2021 wöchentliche Treffen aus, auf denen Parteiwerbung verteilt wurde. Mehr als 20 Leute kamen jedoch nie. Rechts mit weißem Hemd Martin Heipertz. © ASVI

Nach der Wahl wurde es ruhig um DieBasis in Frankfurt. Zwar nehmen hiesige Exponent*innen der Partei als Einzelpersonen oder in Grüppchen weiterhin an »Corona-Protesten« teil, doch es findet keine Aufstellung als »DieBasis Frankfurt« mit Transparenten oder in Partei-Kleidung statt.

Ein aktivistischer Kern von DieBasis ist vor allem in Frankfurt-Rödelheim auszumachen. Zu ihnen zählen Ellen Held, Christiane Wedi und Thomas Wedi, Jutta Dehen und Joachim Dehen sowie Jutta Schludecker und Frank Schludecker. Jutta Schludecker ist als »Säulenbeauftragte Achtsamkeit« im Landesvorstand tätig und kümmert sich unter anderem um die Integration von Neumitgliedern. Die Rödelheimer Basis-Leute etablierten von Frühjahr bis Herbst 2021 einen wöchentlichen Treffpunkt in einer Parkanlage in Frankfurt am Main, zu dem jedoch selten mehr als 20 Personen zusammen kamen.

Gruppen der Partei DieBasis sind auf den Frankfurter „Corona-Protesten“ stets vertreten (hier am 27. November 2021), wenngleich es Parteigliederungen aus anderen Regionen sind, die sich als solche zu erkennen geben. © ASVI

Wenngleich derzeit in Frankfurt wenig von der Partei zu vernehmen ist und unklar ist, ob sich die hiesigen Strukturen auf Dauer konsolidieren werden, so stellt die Partei den Rahmen für ein Kennenlernen und Vernetzen von rechten und reaktionären Kräften. So verabredeten sich in Chatgruppen von Frankfurter Basis-Mitgliedern beispielsweise AnhängerInnen der völkisch-antisemitischen Anastasia-Sekte zum Austausch über eine gemeinsame Zukunft in »Familienlandsitzen« nach der Idee von Anastasia.

Widerstand 4.0

Eine Konstante der Pandemie-Leugner*innen und Impfgegner*innen im Frankfurter Raum ist die Gruppe Widerstand 4.0, die 2020 aus der Initiative Frankfurt 5G-frei hervorgegangen war und sich als »Aktionsgruppe gegen die technokratische Diktatur« versteht. Die zentralen Personen sind Gundolf Hambrock aus Ginnheim und Regina StöberYurdakul aus Rödelheim. Beide waren jahrelang in der Linken aktiv gewesen. Dort vertraten sie »orthodoxe« Positionen und ihre Politik bestand im Wesentlichen darin, alles zu wissen, immer Recht zu haben und diejenigen, die ihnen nicht folgten, des Verrats und der Spaltung zu bezichtigen. Diese Politik führen Hambrock und Stöber-Yurdakul heute in den Reihen der Corona-Rechten weiter. Zum Kern ihrer Gruppe zählen nur wenige handverlesene Personen. Bis zum Herbst 2020 arbeitete Widerstand 4.0 auch in Bündnissen mit Querdenken69 mit, schied dort jedoch in Unfrieden aus.

Stöber-Yurdakul und Hambrock haben jahrzehntelange politische Erfahrung in der Organisierung von Demonstrationen und in der Auseinandersetzung in Bündnissen, so schafft es ihr Grüppchen häufig, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Immer wieder organisiert Widerstand 4.0 Kundgebungen, meist auf dem Rathenau- oder Opernplatz. Zwischenzeitlich hatte sich Stöber-Yurdakul auch auf die Organisation von Autokorsos in diversen Frankfurter Stadtteilen fokussiert.

Gundolf Hambrock (ganz links) von Widerstand 4.0 auf einer von dieser Gruppierung organisierten Demonstration der Corona-Rechten am 20. November 2021 in Frankfurt, offenbar in angeregtem Gespräch mit den rechten Rockern um Holger Mathes (2. v. l., näheres dazu s.u.). © Daniel Neuman

Die Demonstration am 27. November 2021, die mit über 2000 Teilnehmenden der bis dahin größte Aufzug der Corona-Rechten in Frankfurt war, wurde im Wesentlichen von Widerstand 4.0 organisiert. Ein Fahrzeug einer Anhängerin der Gruppe (das einige Tage später beschmiert und beschädigt wurde), diente als Lautsprecherwagen. Von dort aus dirigierten hauptsächlich Stöber-Yurdakul und Hambrock die Demonstration. Anmelder der Demonstration war der Bad Homburger Unternehmer Christoph Pfeiffer, doch der wurde in der Folge von Widerstand 4.0 als nicht radikal genug bemessen und man stellte die Zusammenarbeit mit ihm ein.

Nur eine Woche später schäumte Widerstand 4.0 darüber, dass »Anti-Deutsche« den Corona-Protest gekapert hätten. In angeblich pro-israelischen Ausführungen des Querdenken-Redners Ralf Ludwig auf der Kundgebung am 4. Dezember 2021 vor der Alten Oper erkannten sie einen »Missbrauch des Coronaprotests«, um Menschen »zu Parteigängern des imperialistischen Apartheidsstaates Israel zu animieren.« Zugleich knöpften sie sich einen Aktivisten von Querdenken615 (Darmstadt) vor, der »den Coronaprotest seit Dezember letzten Jahres mit dem Jerusalema Tanz manipulieren« würde.

Regina Stöber-Yurdakul (l.) und Gundolf Hambrock (mitte)  am Lautsprecherwagen der Demo vom 27. November 2021. © dokunetzwerk rhein-main

Die Ausführungen von Widerstand 4.0 strotzen von Aussagen, die den Nationalsozialismus und andere Diktaturen relativieren. Man schreibt über eine »faschistische Apartheid gegen die Ungeimpften« und echauffiert sich darüber, dass das Tragen eines gelben Judensterns mit Aufschrift »Cov2 Ungeimpft – Impfen macht frei« auf einer Demonstration untersagt wurde. Die Antifa wiederum sei zu »Fußsoldaten des globalen Faschismus« geworden.

Derweilen ist nicht zu übersehen, dass Widerstand 4.0 extreme Rechte und NeofaschistInnen auf »ihren« Kundgebungen duldet und deren politischen Charakter verharmlost. So stellten sich am 27. November 2021 Aktive der Identitären Bewegung mit einem Transparent »Heimatschutz statt Mundschutz« (und somit klar als extreme Rechte erkennbar) in der Demonstration auf, ohne dass dies von der Leitung um Hambrock und Stöber-Yurdakul unterbunden wurde. In einer Rede am 18. Dezember 2021 ging Stöber-Yurdakul darauf ein, dass die Partei DieBasis Arbeitnehmende dazu aufgerufen habe, der Gewerkschaft Zentrum Automobil beizutreten. Stöber-Yurdakul bezeichnete diese Gewerkschaft als unbedeutend, doch sie ging mit keiner Silbe darauf ein, dass Zentrum Automobil (von Stöber fälschlicherweise »Zentrale Automobil« genannt) eine AfD-nahe und von Neonazis maßgeblich angeführte Organisation ist.

Ein weiteres Beispiel ist der »Crash-Prophet« Thorsten Schulte, der als Redner auf »Corona-Protesten« auftritt. Schulte steht der AfD nahe und bediente unter anderem in der Vergangenheit bei einer PEGIDA-Veranstaltung kaum verhohlen den rassistischen Verschwörungsmythos vom »Großen Austausch«. Stellte Widerstand 4.0 noch im Oktober 2020 fest, Schulte sei »ganz im nationalen Denken befangen« so wird er im November auf der Homepage von Widerstand 4.0 als »bekannter Politiker« vorgestellt.

In der Linken in Frankfurt ist Widerstand 4.0 politisch weitestgehend isoliert. Sozial pflegen Hambrock und Stöber-Yurdakul noch immer Freundschaften in »altlinken« Kreisen.

Sonstige (ehemalige) Linke

Eine weitere Person der Frankfurter »Linken«, die sich im »Corona-Protest« profiliert, ist nach wie vor Jan Veil. Zusammen mit dem ehemaligen Occupy-Aktivisten Hajo Köhn prägte er zeitweise das Label MainFrankfurtVerbindet, das 2020 mehrere Veranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen mit teilweise mehreren hundert Teilnehmenden durchführte. Im Jahr 2021 fanden keine Veranstaltungen mehr von MainFrankfurtVerbindet statt. Köhn exponierte sich die letzten Monate nicht mehr politisch, Veil hingegen schon. Er nutzt die Internetseite von MainFrankfurtVerbindet für seine Veröffentlichungen und tritt auf Veranstaltungen und in Workshops von »Friedensinitiativen« auf. Auch bei »Corona-Protesten« in Frankfurt wird er immer wieder gesehen, so zum Beispiel am 18. Dezember 2021 vor der Alten Oper. Sein Label ist derzeit die Freie Linke, deren rote Fahne mit einem gelb eingerahmten roten Stern bundesweit auf »Corona-Protesten« gezeigt wird. Doch es sind stets Einzelpersonen oder kleine Grüppchen, die unter der Fahne laufen. Die Freie Linke sieht in den »Corona-Protesten« eine »demokratische Widerstandsbewegung«, die »mit den traditionellen Werten und Zielen von emanzipatorischen und linken Bewegungen vor 2020, wie Basisdemokratie und Selbstbestimmung, völlig konform« gehe. Die dort verbreiteten reaktionären, biologistischen, antisemitischen und NS-relativierenden Inhalte werden von der Freien Linken abgestritten und negiert, die vielerorts massive Präsenz rechter Gruppen wird als »einzelne Instrumentalisierungsversuche und Trittbrettfahrer« klein geredet und geschrieben.

Fahne der Freien Linken am 8. Januar 2022 in Frankfurt. © ASVI

Ein weitere bekannte Person aus der hiesigen Linken ist der Techno-Discjockey Peter Rubach, der heute im Gallusviertel wohnt. Er war in der Vergangenheit in Frankfurt im Protest gegen die Flughafenerweiterung und bei Occupy aktiv gewesen und legte regelmäßig im Frankfurter Tanzhaus West auf. Im Rahmen der Demonstration der Corona-Rechten am 27. November 2021 unterhielt er die Teilnehmenden im Rothschild-Park über sein mitgebrachtes DJ-Pult durch Musik und durch Reden, in denen er die Pandemie verharmloste. Seiner Meinung würden Menschen hauptsächlich wegen eines Mangels an Vitaminen und Kupfer an Covid19 erkranken. Einem gesunden Körper, der mit ausreichend Vitaminen versorgt sei, könne das Corona-Virus hingegen nichts anhaben. »Der Politik« warf Rubach vor, die Aufklärung über vitaminreiche Ernährung zu verhindern. Eine Erklärung, warum Politiker*innen dies tun sollten, verlief sich im üblichen Geraune über mächtige Interessen und Hinterpersonen. Zudem bewarb Rubach in marktschreierischer Weise die Vitamin-Präparate eines Wiesbadener Arztes. Selbst diese Rede wurde mit Applaus bedacht.

Der Techno-DJ Peter Rubach unterhält die Teilnehmenden der „Corona-Proteste“ am 27. November 2021 im Frankfurter Rothschild-Park. © ASVI

Der Unternehmer und das esoterische Milieu

Seit Anfang Januar finden täglich um 18:30 Uhr in verschiedenen Frankfurter Stadtteilen und in Orten im Taunus »Aufzüge« von Pandemieleugner*innen und Impfgegner*innen statt. Diese werden angemeldet und sind stets von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Die Polizei ist dabei meist darauf bedacht, Personen von den Aufzügen fernzuhalten, die diese stören könnten. So bedankt sich der Organisator dieser Spaziergänge, Christoph Pfeiffer aus dem Taunus, stets überschwänglich bei den eingesetzten Beamt*innen. Zum Abschluss der Demonstration von 130 Personen am 5. Januar 2022 an der Bockenheimer Warte sagte er: »Die Polizei, das sind unsere Freunde. Das hat man auch heute wieder gesehen.«

Christoph Pfeiffer auf einer Demonstration der Corona-Rechten am 27. November 2021 in Frankfurt. Im Hintergrund das Transparent »Heimatschutz statt Mundschutz« aus dem Umkreis der Identitären, links der Lautsprecherwagen der Gruppe Widerstand 4.0. Foto: ASVI

Christoph Pfeiffer ist Gründer und Vorstand des Bad Homburger Telekommunikationsunternehmen Clarity AG und ein Aktivist der ersten Stunde der »Corona-Proteste«. Nachdem er im Frühjahr 2020 als Redner auf einer Kundgebung von Pandemie-Leugner*innen in Frankfurt auftrat, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Mai 2020 über ihn einen Artikel. Darin zeichnet die FAZ von ihm das Bild des erfolgreichen mittelständischen Unternehmers, der sich selbst einen »Gewinner des Systems« nennt und seine rechte politische Erweckung über Verschwörungsmythen erlebte. Pfeiffer glaubt, dass die Spanische Grippe, an der zwischen 1918 und 1920 viele Millionen Menschen starben, durch einen »Impfunfall« ausgelöst wurde. Er erzählt, dass mittels Impfkampagnen, die Bill Gates gesteuert habe, Menschen gezielt unfruchtbar gemacht worden seien. Seine Informationen bezieht Pfeiffer, so berichtet die FAZ, vor allem aus den Kanälen der ehemaligen Fernsehmoderatorin Eva Herman, die wegen rassistischer, revisionistischer und antifeministischer Aussagen seit Jahren in der extremen Rechten zu verorten ist. Um Pfeiffer herum besteht laut FAZ ein Kreis von Freund*innen aus gehobener Schicht, in dem auch die »9/11-Lüge« kursiert – der Glaube daran, dass am 11. September 2001 keine Flugzeuge die Gebäude zum Einsturz brachten, sondern gezielte Sprengungen von innen.

Pfeiffer war zudem Anmelder der Demonstration am 27. November 2021 in Frankfurt. Das Bündnis mit Widerstand 4.0, die den Aufzug tatsächlich organisierten, zerbrach jedoch. Widerstand 4.0 warf dem Unternehmer vor, er lasse jede kämpferische Haltung vermissen und habe versucht, die Demonstration entgegen der Absprachen auf den Punkt »Keine Zwangsimpfung« zu reduzieren. Tatsächlich dreht sich die Rede, die auf den Aufzügen in den Frankfurter Stadtteilen wiederholend abgespielt wird, ausschließlich um die Forderung nach einem »freien Impfentscheid«. Doch das ist eine Mogelpackung. Aus den Live-Reden auf den Spaziergängen (und aus dem frenetischen Applaus, den diese erhalten) lässt sich heraushören, dass es sich bei den Teilnehmenden in großer Mehrheit um entschiedene Pandemie-Leugner*innen handelt. Stets ist von einer »angeblichen Pandemie« die Rede, auch wird die Zahl der Corona-Toten in absurder Weise nach unten gerechnet.

Ingrid Reich auf einer Demonstration der Corona-Rechten am 8. Januar 2022. © ASVI

Die Mitorganisator*innen der Spaziergänge kommen augenscheinlich aus dem harten Kern des Esoterik-Milieus. Wie zum Beispiel die Neu-Anspacherin Ingrid Reich, die Reden hält, in denen sie neben der Leugnung der Pandemie über eine »Lügenpresse« herzieht. Reich gibt an, Immobilienmaklerin und Vertreterin von naturkosmetischen Produkten zu sein. Bei den Kommunalwahlen 2021 kandidierte sie in Neu-Anspach für die FDP. An ihrer Person wird der Grat zwischen Groteke und Gefährlichkeit deutlich, auf dem sich viele Teilnehmende der »Corona-Proteste« bewegen. In ihren Reden – vor allem aber auf ihren Facebook-Profil und ihrem Telegram-Kanal – eilt sie von einer Verschwörungserzählung zur nächsten. Sie wirbt eifrig für ein Volksnetzwerk, dass sich als Teil einer »Erdallianz« versteht, die »gegen einen globalen tiefen Staat« kämpft. Dessen Waffe zur Unterdrückung der Menschheit ist – man ahnt es – die »angebliche Covid19-Pandemie«. Von Reich und dem Volksnetzwerk erfährt man, dass die Anführer der globalen Eliten kürzlich zu einem geheimen Treffen in die Antarktis gereist seien. Direkt danach findet sich die Propaganda der sogenannten »Reichsbürger«, wonach planvoll verhindert würde, dass Deutschland ein souveräner Staat werde und einen Friedensvertrag erhalte. Reich ist – auch das verrät ihr Facebook-Profil – ein großer Fan von Black Music und wenn sie über Megaphon Antifaschist*innen »Nazis raus!« entgegen schreit, dann meint sie das vermutlich völlig ernst.

Das Milieu, was sich auf diesen Veranstaltungen auf Frankfurts Straßen einfindet, offenbart ein kaum erträgliches Maß von Selbstherrlichkeit, Empathielosigkeit und Menschenverachtung. Als ein Heddernheimer Bürger bei dem »Aufzug« am 4. Januar das Fenster öffnete und den vorbeiziehenden Pandemie-Leugner*innen entgegen schrie, sie sollten abhauen, er könne dies nicht hören, er habe Verwandte durch Covid 19 verloren, quittierten dies die »Spaziergänger*innen« mit höhnischen Kommentaren und »Freiheit, Freiheit«-Sprechchören.

Rechte Rocker

Seit November macht sich auf den Frankfurter »Corona-Protesten« eine Spezies stärker bemerkbar, die an anderen Orten in Deutschland die Bilder der Aufzüge prägt: Männer, die ihre kämpferische Männlichkeit zur Schau stellen – die bemüht sind, breitschultrig zu wirken, sich breitbeinig vor ihren Gegner*innen aufbauen und durch entsprechende Kleidungsmarken und -motive ihre Nähe zu Rockerszene und Rotlichtmilieu demonstrieren. Neu ist diese Erscheinung in Frankfurt nicht, schon im Frühjahr 2020 waren kleinere Gruppen von »Supportern« einer Frankfurter Rockergruppe auf Kundgebungen von Pandemieleugner*innen an der Alten Oper anwesend, wobei es prompt zu handfesten Auseinandersetzungen mit Antifaschist*innen kam.

Eine Gruppe mit gleichartigen »Freiheit/Patriot«-Kapuzenpullovern um Holger Mathes (Bildmitte) am 1. Januar 2022 in Frankfurt. © Konstantin Hirsch
»Spaziergang« der Corona-Rechten am 1. Januar 2022 in Frankfurt. Black-Devils-Rocker, Kampfsporttrainer und QAnon-Anhänger Holger Mathes (rechts) erklärt der Polizei, was Sache ist. Links Black-Devils-Rocker und Kampfsporttrainer Robert Rautenberg. © Peter Jülich

Am 20. November 2021, 1., 8. und 15. Januar 2022 war es eine zehn- bis 15-köpfige Gruppe von Männern und Frauen, die – soweit feststellbar – aus dem Rheingau-Taunus-Kreis und Wiesbaden angereist waren. Aus ihren Reihen kam es am 20. November 2021 zu einem Angriff auf Personen, die von den Angreifern als Linke eingeordnet wurden. Mehrere Personen aus der Gruppe beschimpften diese als »Zecken« und schlugen und traten auf sie ein. Eine Person erlitt Prellungen und eine Gehirnerschütterung und musste ins Krankenhaus gebracht werden.

Dieselbe Gruppe am 20. November 2021 in Frankfurt. Aus ihren Reihen erfolgte später der Angriff. © Daniel Neuman

Wortführer der Gruppe ist der 47-jährige Holger Mathes, der in Wiesbaden die Kampfsportschule »Fight Arena« betreibt und dort auch Trainer ist. Auch der Fight-Arena-Trainer Robert Rautenberg und die Fight Arena-Trainerin Agnes Polok waren mehrfach in dieser Gruppe unterwegs. Mathes ist zudem »Präsident« des Rockerclubs Black Devils MC, Chapter Borderland, die ihr Clubhaus und ihren Schwerpunkt in Taunusstein haben. Auch Rautenberg gehört dem Club an.

Mathes ging am 1. Januar 2022 auf der Zeil dem Aufzug von 300 Corona-Rechten voraus, animierte diese zu Sprechchören und führte an der Konstablerwache die »Verhandlung« mit der Polizei, d.h.: Mathes erklärte planlosen und weitgehend sprachlosen Polizisten was Sache ist, ließ diese dann wie Schulbuben stehen und die Menge machte weiter, wie und was sie wollte.

Ein Teil der Gruppe um Holger Mathes am 1. Januar 2022 in Frankfurt. Deutlich sichtbar die gleichartigen Kapuzenpullover mit dem Aufdruck »Patriot«, »Freiheit« und einem Totenkopf. © Konstantin Hirsch

Die Gruppe um Mathes war schon zuvor auf Veranstaltungen der Corona-Rechten in Bad Schwalbach durch provokantes Gebaren aufgefallen. Am 1. Januar trat die Gruppe in einheitlicher Kleidung auf. Sie trugen schwarze Hoodies mit Aufschrift »Freiheit« und »Patriot«. Am 20. November (zeitweise) und 1. Januar trug Mathes eine Mütze mit Aufdruck »QAnon«, am 1. Januar zudem eine Jacke mit einem Aufnäher »WWG1WGA« (steht für Where we go one, we go all). WWG1WGA ist eine Losung der QAnon-Gemeinschaft. QAnon ist eine extrem rechte Bewegung, die einen antisemitischen Verschwörungsmythos verbreitet und den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump als Heilsbringer verehrt.

Seit Jahren schon ist eine Nähe zwischen Black Devils-Rockern und extrem Rechten zu beobachten. Mitte und Ende der 2000er Jahre waren es einzelne Neonazis der Schwarzen Division Germania aus Taunusstein, die sich nach Auflösung ihrer Gruppe den hiesigen Black Devils anschlossen. Ihre Gesinnung hielten sie bei, ihre neonazistischen Aktivitäten stellten sie weitgehend ein. Anfang der 2010er Jahren schlossen sich zwei Frankfurter Neonazis dem Black-Devils-Chapter Hanau an.

Bei Mathes, Rautenberg und Polok lässt sich keine Geschichte in der Neonaziszene nachvollziehen, auch fielen sie bislang nicht durch extrem rechte Aktivitäten und Sprüche auf. Doch dass der »Präsident« einer Rockergruppe und Betreiber einer Kampfsportschule (die unter anderem Trainings und »Schnupperkurse« für Kinder anbietet) als Anheizer von »Corona-Protesten« und Anhänger von QAnon in Erscheinung tritt und dass er eine Gruppe anführt, die Gegner*innen der Corona-Rechten zusammenschlägt, sollte die Öffentlichkeit durchaus interessieren.

Rhein-Main steht auf

Ein Label, das zurzeit große Dynamik entfaltet und immer stärker in den Vordergrund drängt, nennt sich Rhein-Main steht auf. Diese Initiative besteht seit November 2021 und hat sich zum Ziel gesetzt, das Spektrum der Corona-Rechten regional besser zu vernetzen. So kamen am 18. November auf einer Gartenparty in Niedernberg bei Aschaffenburg Vertreter*innen aus mehreren Städten, darunter Frankfurt, Darmstadt und Hanau, zusammen, um das zukünftige Vorgehen besser zu koordinieren. Auf Demonstrationen in Aschaffenburg im Dezember 2021 und Januar 2022, die Rhein-Main steht auf mitorganisierte, fanden sich zwischen 3000 und 5000 Personen ein, eine Gruppe der NPD durfte mit eigenen Transparenten mitlaufen.

Rhein-Main steht auf mit Trommelgruppe  am 8. Januar 2022 in Frankfurt. © ASVI

Inzwischen ist auf Demonstrationen öfters ein Banner mit der Aufschrift »Rhein-Main steht auf« zu sehen – am 8. Januar 2022 in Frankfurt verbunden mit einer Trommelgruppe.

Einer der Initiatoren und Macher von Rhein-Main steht auf ist der Hausgerätetechniker Michael Hetzel aus Niedernberg. Hetzel ist Impfgegner, Corona-Leugner und großer Anhänger der AfD. Auch ist er Unterstützer einer »Patriot-Petition«, die sich gegen die »Islamisierung des Abendlandes«, gegen »Kulturmarxismus« und »für die freie Marktwirtschaft« einsetzt. Desweiteren wendet sich Hetzel gegen Tempolimits auf deutschen Straßen. Wenn die Pandemie abflachen und sich die »Corona-Proteste« verlaufen sollten, so wird man Hetzel und etliche seiner politischen Freunde und Freundinnen vermutlich wiedersehen: Auf den dann folgenden Protesten gegen Maßnahmen zum Klimaschutz, begleitet von Verschwörungserzählungen, wonach eine mächtige Ökolobby um George Soros den Klimawandel nur erfunden habe.


Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht auf dem Blog der Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien.