Seitdem Beginn der CoViD-19-Pandemie hat sich im Spektrum der Corona-Leugner*innen und ImpfgegnerImpfskepsis und Impffeindschaft sind begrifflich voneinander zu trennen. Impfskepsis meint, Versprechungen der Pharmaunternehmen kritisch zu hinterfragen und auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz abzuwägen, welche Impfungen man für notwendig hält. Impffeindschaft bedeutet, Impfungen kategorisch abzulehnen. Dies ist in der Regel ideologisch begründet und Ausdruck von Wissenschaftsleugnung, Verschwörungsdenken und Sozialdarwinismus. Impffeindschaft ist untrennbar mit der Anfeindung der Schulmedizin verbunden und hat seine…*innen manches geändert. Einige Akteur*innen, die noch 2020 deren Auftritte in Frankfurt prägten, sind in den Hintergrund geraten oder ganz verschwunden, neue Personen, Gruppen und Labels exponieren sich. Der Oberbegriff »Corona-Leugner*innen«, der das Milieu noch zu Beginn der Pandemie treffen beschrieb, trifft nicht mehr den Kern dessen, welche Inhalte auf der Straße und in den einschlägigen Chat-Gruppen verhandelt werden. Daher ist nun von den Corona-Rechten zu sprechen.
Es lässt sich nicht von einem Spektrum oder gar einem geschlossenen Milieu der Corona-Rechten ausgehen. Auch in Frankfurt ist zu sehen, dass unterschiedliche Gruppen, Mobilisierungen und Aktionsformen unterschiedliche Kreise erreichen, die sich auf größeren Kundgebungen zu einem diffusen »Wir gegen die da Oben« verbünden. Dort laufen weiterhin rechte Rotlichtgestalten, die um ihre »Geschäfte« bangen, zusammen mit christlichen FundamentalistInnen, die die Pandemie als »Strafe Gottes« und Impfungen als »Teufelswerk« ansehen. Dort finden sich AnhängerInnen der Reichsbürger-IdeologieReichsbürger bilden ein heterogenes Spektrum von AktivistInnen und Gruppen, die den Fortbestand des Deutschen Reiches propagieren. Je nach Gruppierung wird dabei auf das Deutsche Reich in unterschiedliche territorialer Ausdehnung Bezug genommen oder es werden eigene »Königreiche« ausgerufen. Dabei verfließen die Kreise der Reichsbürger mit denen der SelbstverwalterInnen. Reichsbürger behaupten u.a., dass Deutschland kein souveräner Staat sei, sondern ein Konstrukt der…, die selten offen erkennbar sind, neben orthodoxen (Ex-)Linken, die glauben, hier das Potential für den Kampf gegen eine »technokratische Diktatur« zu finden. Die Mehrheit stellt jedoch ein mehr oder weniger (rechts) radikalisiertes Kleinbürger*innentum, das sich um das eigene Wohlbefinden sorgt und Begriffe wie »Gesellschaft«, »Zusammenhalt«, »Selbstbestimmung«, »Freiheit«, »Gleichbehandlung« und »Solidarität« so zurecht biegt, dass es ausschließlich den eigenen Interessen dient.
Die kleinen und großen Auftritte der Corona-Rechten sind unverzichtbar zur Selbstvergewisserung der Szenen, sie sind jedoch nicht die entscheidenden Orte, an denen die Politik gemacht wird. Der Austausch von Ideen und Materialien findet überwiegend im Virtuellen statt und ebenso die Gewinnung und Radikalisierung neuer Mitstreiter*innen. Facebook hat dabei stark an Bedeutung verloren, andere »soziale Netzwerke« wie Instagram, der Messaging-Dienst Telegram und diverse Imageboards bieten umfassende und unkontrollierte Möglichkeiten der Kommunikation.
Ausgelaufen und ausrangiert
Bis Anfang 2021 fanden etliche relevante Veranstaltungen der Corona-Leugner*innen unter dem Label von QuerdenkenQuerdenken711 wurde im April 2020 in Stuttgart gegründet. Die Gruppe baute von Anfang an eine professionelle Struktur samt Marketing- und Medienbereich auf. Das Label Querdenken wurde ab Sommer 2020 zur bundesweit bestimmenden »Marke« der Corona-Proteste. In Frankfurt entstand Querdenken69, in Darmstadt Querdenken615, in Wiesbaden Querdenken611 und weitere. Die einzelnen Gruppe wurden von Stuttgart aus koordiniert. Ab dem Jahr 2021 verlor…, bzw. dem Frankfurter Ableger Querdenken69Querdenken69 war von Sommer 2020 bis Herbst 2021 eine führende Gruppe der Frankfurter Corona-Proteste. Sie ist eine Filiale des Querdenken-Unternehmens, das zentral aus Stuttgart gesteuert wurde. So musste beispielsweise die Frankfurter Gruppe ihre Erlöse auf dem Verkauf des Querdenken69-Merchandise nach Stuttgart abführen. Querdenken69 verfolgte in den Frankfurter Corona-Protesten das Konzept, im Abstand von einigen Wochen aufwendige, größere Events durchzuführen. Da…, statt. Dessen führende Vertreter in Frankfurt waren Malin Singh und Joël Roux. Doch erlitt das Frankfurter Orga-Team ab Ende des Jahres 2020 Misserfolge, die dazu führten, dass das Label an Bedeutung verlor: Demonstrationsversuche am 14. November und 12. Dezember 2020 waren kläglich gescheitert, durch Medienberichte wurde immer mehr über den organisatorischen Zentralismus von Querdenken bekannt. So durfte die Frankfurter Ortsgruppe nicht einmal die Erlöse des Verkaufs von Querdenken69-Pullovern behalten, wie Malin Singh einräumen musste. Querdenken-Gründer Michael Ballweg aus Stuttgart wurde mit intransparenten Finanzgeschäften konfrontiert und zog sich zeitweise zurück. Das Vertrauen in das Label Querdenken schwand. Zwar wurde in Frankfurt der Versuch der Neugründung einer Organisationsstruktur vorgenommen, den auch Singh unterstützte, diese konnte aber keine relevanten Aktionen mehr entfalten.
Im März 2021 erklärten Singh und Roux schließlich ihren Rückzug von Querdenken69, in den darauf folgenden Monaten wurden sie nicht mehr als Teilnehmende an »Corona-Protesten«Mit dem Begriff »Corona-Proteste« lassen sich die Aktivitäten zusammenfassen, die von einem Spektrum getragen werden, das sich »Corona-Rebellen« nennt und glaubt, eine »Freiheitsbewegung« gegen eine »Corona-Diktatur« zu sein. Ihre Aufzüge und Aktionen wende(te)n sich thematisch vordergründig gegen Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen und gegen einen angeblichen »Impfzwang«, doch wird dort im allgemeinen Konsens die Gefährlichkeit des Virus geleugnet und es werden… erkannt. Als exponierte Pandemie-Leugner*innen hatten beide ihre Arbeitsstelle verloren und in ihrem direkten nachbarschaftlichen Umfeld im Ostend Outings von Antifaschist*innen erlebt.
Heute sind im Rhein-Main-Gebiet nur noch an wenigen Orten (etwa in Darmstadt) Querdenken-Ortsgruppen aktiv, die Veranstaltungen durchführen. Jedoch bestehen die Querdenken-Telegram-Gruppen flächendeckend fort, sie bilden Diskurse innerhalb der Szene ab und haben weiterhin einen starken mobilisierenden Charakter für bevorstehende Veranstaltungen. Und auch der vermeintliche Rückzug von Singh und Roux muss in Zweifel gezogen werden: So konnte Roux am 15. Januar 2022 beobachtet werden, wie er die Ordner*innen einer Demonstration der Corona-Rechten koordinierte.
Die Rolle organisierter Gruppen
Einige Gruppen nutzen insbesondere die größeren Demonstrationen und Kundgebungen, um sich als Gruppe sichtbar zu machen: Durch das Verteilen von Materialien, durch Transparente oder Papptafeln oder durch einheitliche Kleidung. Dazu zählen beispielsweise die FreiheitsbotenUnter dem Label der Freiheitsboten sammel(te)n sich AnhängerInnen des Arztes Bodo Schiffmann, der 2020 eine führende Person der Pandemie-Leugnung in Deutschland war. Nachdem er seine Anstellung als Arzt verlor und Schritte eingeleitet wurden, um ihn seine Approbation zu entziehen, verzog Schiffmann Anfang 2021 nach Tansania. Seine Bedeutung – und die seiner Anhänger*innen – sank in der Folgezeit jedoch nur im…, die Reste der Anhänger*innenschaft des Arztes Bodo SchiffmannDer Hals-Nasen-Ohren-Arzt Dr. Bodo Schiffmann aus Sinsheim war 2020 eine führende Person der Corona-Proteste in Deutschland. Er gründete nach eigener Aussage im Frühjahr 2020 Querdenken und (zusammen mit dem Offenbacher Olav Müller) die Partei WIR2020. Seine AnhängerInnen sammeln sich unter dem Label Freiheitsboten. Schiffmann leugnet die Gefahren durch Corona und erklärte Deutschland 2020 für »Covid-19-frei«. Er glaubt an den »QAnon«-Mythos…, der 2020 eine führende Person der Pandemie-Leugnung in Deutschland war. Nachdem er seine Anstellung als Arzt verlor und Schritte eingeleitet wurden, um ihn seine Approbation zu entziehen (er hatte falsche Atteste ausgestellt, um Maskengegner*innen von der Maskenpflicht zu befreien) verzog Schiffmann Anfang 2021 nach Tansania und seine Bedeutung sank rapide. Dass sich Schiffmann unter anderem zum QAnon-Verschwörungsmythos bekannte, muss bei der politischen Bewertung seiner Gefolgschaft einbezogen werden.
Immer wieder, mindestens seit Herbst 2020, ist auch eine Gruppe in Frankfurt zu sehen, die leuchtend pinke Warnwesten trägt und zuweilen ein Banner mit der Aufschrift »Politiker müssen haften« mit sich führt. Dahinter steht eine Kampagne für »Politikerhaftung«, die sich in verschiedene Webseiten, Online-Petitionen einfügt, die maßgeblich von Stephanie TsomakaevaStephanie Tsomakaeva aus Langen ist seit Jahren eine rührige Aktivistin der rechten Verschwörungsszene. Sie ist eine Selbstdarstellerin und tritt überregional als Rednerin und Organisatorin von Veranstaltungen in Erscheinung. Sie vertritt proprietaristische Positionen und ist ein Sprachrohr der Kampagne zur Politikerhaftung. Um sie herum besteht ein sich ständig veränderndes Geflecht von Initiativen, Vereinen und Firmen. Tsomakaeva ist Vorsitzende des Vereins Bündnis… aus Langen koordiniert werden. Tsomakaeva trat in Langen auch zur Bürgermeister*innenwahl an, war AfD-Mitglied und gibt nun an, Mitglied der AfD-Abspaltung Liberal-Konservative Reformer (LKR) zu sein. Ein Verein namens Bündnis 21Die Pinkwesten wurden Ende 2019 gegründet und sind seit Frühjahr 2020 in den Corona-Protesten aktiv. Hinter ihnen steht der Verein Bündnis 21 mit Sitz in Langen (Hessen). Im Januar 2021 gründete sich aus dem Verein heraus die Partei Die Pinken/Bündnis 21, die mit einer hessischen Landesliste 2021 zur Bundestagswahl antrat und 1.166 Zweitstimmen (0,0 %) erhielt. Bündnis 21 setzt sich… e.V. fungiert als Trägerorganisation der Online-Kampagne zur »Politikerhaftung«, deren Ziele nur diffus formuliert werden; als stellvertretender Vorsitzender tritt hier der Sachsen-Anhalter LKR-Politiker Detlef de Raad auf.
Extreme Rechte auf den Frankfurter »Corona-Protesten«
Auch Neonazis nutzen Versammlungen von Pandemieleugner*innen und Impfgegner*innen, um sich in Szene zu setzen. Auf Versammlungen in Frankfurt waren es mehrfach Aktive der Identitären Bewegung (IB) und am 4. Dezember 2021 eine Gruppe der Neonazipartei Der III. Weg. Letztere traten in Parteikluft und entsprechenden Papptafeln auf und gingen unter dem Schutz der Menge aggressiv einen Journalisten an.
IB-Gruppen zeigten seit 2020 bei Corona-Protesten in Frankfurt mehrfach ihr Transparent »Heimatschutz statt Mundschutz«, was von den Teilnehmenden der Versammlungen stets unbeanstandet blieb.
Bei Aufzügen in Wiesbaden und Aschaffenburg trat auch die hessische NPDDie neonazistische Partei Die Heimat trat in der vergangenen Jahren im Rhein-Main-Gebiet kaum außerhalb einzelner Aufzüge der rechten Verschwörungsszene in Erscheinung. Die Partei war 1964 unter dem Namen Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) gegründet und im Juni 2023 in Die Heimat umbenannt worden. Auf den Aufzügen der Bürgerinitiative Franken, die von Mai bis September 2023 in Aschaffenburg stattfanden nahmen Gruppen von… in Erscheinung – mit großen Transparenten, jedoch nur mit einer Handvoll Personen, die aus dem Wetteraukreis und dem Rhein-Lahn-Kreis kamen. Dies zeigt die personelle Schwäche der hiesigen NPD und zugleich ihr funktionales Verhältnis zu den Corona-Protesten. Von den Teilnehmenden der Demonstrationen in Aschaffenburg war keine Distanz zur Neonazitruppe zu erkennen, obwohl sie am 31. Dezember ein Transparent mit eindeutig rechter Botschaft (»Kontrolliert die Grenzen, nicht euer Volk!«) zeigte.
FunktionärInnen der Alternative für DeutschlandDie AfD ist ein Sprachrohr der rechten Verschwörungsszene, die Inhalte und Forderungen gleichen sich oft frappierend. Vielen Verschwörungsgläubigen gilt die AfD als einzig wählbare Partei. PolitikerInnen der AfD im Rhein-Main-Gebiet verbreiten offensiv rechte Verschwörungsmythen, z. B. Andreas Lichert aus Bad Nauheim, Ramona Storm aus Aschaffenburg oder Frank Grobe aus Eltville. Als RednerInnen auf den Aufzügen der Szene treten in der… Weiterlesen (AfD) spielen bei den Corona-Protesten in Frankfurt ebenso keine erkennbare Rolle. Wurden noch im Jahr 2020 hin und wieder AfDler*innen aus Frankfurt und dem Offenbacher Umland bei den hiesigen Kundgebungen gesehen, so ist aus den vergangenen Monaten lediglich der Auftritt des AfD-Landtagsabgeordneten Andreas LichertAndreas Lichert aus Bad Nauheim ist Landessprecher der hessischen AfD und bildet zusammen mit Robert Lambrou aus Wiesbaden die Doppelspitze des Landesverbandes. Er ist wirtschaftspolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im hessischen Landtag und ein Protagonist des neofaschistischen AfD-»Flügels«. Er war von 2007 bis 2018 Vorsitzender des in Thüringen ansässigen Vereins für Staatspolitik, der hinter dem Institut für Staatspolitik (IfS) steht. Das… Weiterlesen aus Bad Nauheim und ein paar Begleitern am 27. November 2021 in Frankfurt erwähnenswert. Lichert führte ein AfD-Wahlkampfplakat gegen »Impfapartheid« und »Zwangsbegrünung« mit, hatte jedoch den Hinweis auf die AfD abgeschnitten. Jedoch: In Chatgruppen von Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen wird offen und in der Regel unwidersprochen Werbung für die AfD gemacht, die Partei ist im Spektrum der Corona-Rechten bestens aufgestellt.
»Spaziergänge« als neues Aktionsformat
Eine recht neue Aktionsform sind die »Spaziergänge«, die flächendeckend und in hoher Taktzahl stattfinden. Mancherorts erreichen sie wenige Dutzend Personen, in Frankfurt waren es am 1. Januar 2022 jedoch bis zu 300 Personen, die durch die City zogen.
Populär gemacht wurde dieses Format von der extrem rechten Kleinstpartei Freie Sachsen, die in etlichen sächsischen Städten die »Corona-Proteste« prägt. Im Frankfurter Raum werden derartige Spaziergänge über die Telegram-Kanäle »DemoFfm« mobilisiert und gesteuert. Die Veranstaltungen werden nicht angemeldet. Die Teilnehmenden treffen sich an einem vereinbarten Ort und ziehen vor dort aus gemeinsam und Parolen rufend los. Sobald ein größeres Aufgebot der Polizei erscheint, zerstreut sich die Menge in verschiedene Richtungen. Die Teilnehmenden erfahren per Zettelchen oder Telegram-Nachricht den nächsten Treffpunkt, wo wenig später das gleiche Szenario von vorne beginnt.
In den ersten Januarwochen 2022 fanden in der Frankfurter City und in verschiedenen Stadtteilen Demonstrationen von Corona-Rechten unter dem Motto »Spazieren mit seinen Lieben als letztes Refugium einer Restdemokratie« statt. Diese werden bei der Polizei angemeldet und von dieser begleitet. Dies läuft dem Ursprungskonzept der »Spaziergänge« zuwider, welches darauf zielt, die Versammlungen unangemeldet durchzuführen und auf Ansprache der Polizei zu erwidern, sie würden keine Versammlung abhalten, sondern nur spazieren gehen.
Mit den bundesweit stattfindenden »Spaziergängen« der Corona-Rechten werden auch die Aufzüge assoziiert, bei denen seit Anfang Januar 2022 beinahe täglich zwischen 80 und 150 Personen durch wechselnde Frankfurter Stadtteile oder Orte im Taunus ziehen. Auch diese Versammlungen finden in der Regel in Kooperation mit der Polizei statt und werden ordnungsgemäß angemeldet. Die Veranstaltenden selbst schreiben von »Aufzügen« und nicht von Spaziergängen.
Die Partei DieBasis
Gegründet wurde die Basisdemokratische Partei DeutschlandsDie Basisdemokratische Partei Deutschlands, kurz DieBasis, entstand im April 2020 als Sammelbecken von Initiativen und Kleinstparteien aus dem Spektrum der Corona-Proteste. Der Öffentlichkeit gilt DieBasis als »Querdenker-Partei« und »Esoterik-Partei«. Bereits im April 2021 hatte sie im Rhein-Main-Gebiet ca. 800 Mitglieder. Die Partei sammelt ein breites Spektrum von Personen, die sich teilweise als links verstehen, bis hin zu Reichsbürgern und anderen…, kurz: DieBasis, im April 2020 als Sammelbecken von Initiativen und Kleinstparteien aus dem Spektrum der Pandemie-Leugner*innen und Impfgegner*innen. Viele Mitglieder gehören einem Esoterik-Milieu und einer bürgerlichen Mittelschicht an, so verfügte die Partei schnell über die finanziellen Mittel, um Büros für den Kreisverband (in Bornheim) und für den Landesverband (in Rödelheim) einzurichten.
Der Kreisverband Frankfurt wurde im Februar 2021 gegründet, im April 2021 hatte er knapp 100 Mitglieder, bis November 2021 waren laut eigenen Angaben schon 220.
Im Bundestagswahlkampf trat DieBasis flächendeckend in Frankfurt durch Informationsstände in Erscheinung. Ihr Spitzenkandidat im Wahlkreis Frankfurt am Main 1 war Martin HeipertzDer Frankfurter Martin Heipertz ist ein Wirtschaftswissenschaftler und Politiker der Partei DieBasis, der 2021 durch seinen Auftritt als Impfgegner bundesweit Schlagzeilen machte. Heipertz war bis August 2020 hochrangiger Angestellter im Bundesministerium der Finanzen gewesen. Im Jahr 2018 brachte ihn die AfD-Politikerin Beatrix von Storch für den Posten des Fraktionsgeschäftsführers der AfD im Bundestag ins Gespräch gebracht, doch VertreterInnen des Flügels…. Der 45-jährige Ökonom und Buchautor war zuvor hochrangiger Angestellter im Bundesministerium der Finanzen gewesen. Ab 2019 zählte er zum Bundesvorstand der Werte-Union in der CDU. Am 20. März 2021 trat er auf einer Demonstration der Corona-Rechten in Kassel vor Tausenden Teilnehmenden auf. In seiner Rede, die mit viel Applaus bedacht wurde, gab er sich als christlicher Fundamentalist zu erkennen. Er sagte, er sei kein Leugner der Pandemie, sondern sehe in der Verbreitung des Virus eine göttliche Warnung und Strafe. Die CDU rief er zur »Umkehr« zu einer christlichen Politik aus. Zudem sei er als Christ gegen das Impfen, weil es angeblich keinen einzigen verfügbaren Impfstoff gäbe, »der nicht mit Abtreibungen zu tun« habe. Mit seinem Austritt aus der CDU im April 2021 kam Heipertz einem Parteiausschluss zuvor. DieBasis empfing ihn noch im selben Monat als prominenten Neuzugang und stellte ihn als Direktkandidat zur Bundestagswahl im September 2021 auf. Mit 1,43 Prozentpunkten und knapp 2000 Stimmen blieben er und seine Partei, die auf einen Überraschungserfolg gehofft hatten, hinter den Erwartungen zurück.
Nach der Wahl wurde es ruhig um DieBasis in Frankfurt. Zwar nehmen hiesige Exponent*innen der Partei als Einzelpersonen oder in Grüppchen weiterhin an »Corona-Protesten« teil, doch es findet keine Aufstellung als »DieBasis Frankfurt« mit Transparenten oder in Partei-Kleidung statt.
Ein aktivistischer Kern von DieBasis ist vor allem in Frankfurt-Rödelheim auszumachen. Zu ihnen zählen Ellen Held, Christiane Wedi und Thomas Wedi, Jutta Dehen und Joachim Dehen sowie Jutta Schludecker und Frank Schludecker. Jutta SchludeckerDie Eheleute Jutta und Frank Schludecker aus Frankfurt-Rödelheim zählen zur Führungsebene der Partei DieBasis in Frankfurt. Jutta Schludecker ist »Säulenbeauftragte für Achtsamkeit« im hessischen Landesvorstand, Frank Schludecker war dort Mitgliederbeauftragter. Jutta Schludecker betreut häufig Informationsstände der Partei. Die Schludeckers sind treibende Kräfte der Rödelheimer Gruppe der Partei, in ihrem Wohnhaus finden überregionale DieBasis-Treffen statt. Aus ihrer DieBasis-Gruppe kam 2021 die… ist als »Säulenbeauftragte Achtsamkeit« im Landesvorstand tätig und kümmert sich unter anderem um die Integration von Neumitgliedern. Die Rödelheimer Basis-Leute etablierten von Frühjahr bis Herbst 2021 einen wöchentlichen Treffpunkt in einer Parkanlage in Frankfurt am Main, zu dem jedoch selten mehr als 20 Personen zusammen kamen.
Wenngleich derzeit in Frankfurt wenig von der Partei zu vernehmen ist und unklar ist, ob sich die hiesigen Strukturen auf Dauer konsolidieren werden, so stellt die Partei den Rahmen für ein Kennenlernen und Vernetzen von rechten und reaktionären Kräften. So verabredeten sich in Chatgruppen von Frankfurter Basis-Mitgliedern beispielsweise AnhängerInnen der völkisch-antisemitischen AnastasiaAnastasia ist ein rechtes esoterisches Siedlungskonzept. Die Idee basiert auf den Romanen des russischen Schriftstellers Wladimir Megre, in dessen Mittelpunkt die fiktive Figur Anastasia steht. Megre verbindet ein Leben »im Einklang mit der Natur« mit völkischer, antisemitischer und rassistischer Ideologie. So wird Demokratie als »gefährlichste Illusion der Menschenmassen“ dargestellt. Mit der Anastasia-Idee ist das Erziehungsmodell«Schetinin-Schule verbunden. Die Siedlungsgemeinschaften sind oft… Weiterlesen-Sekte zum Austausch über eine gemeinsame Zukunft in »Familienlandsitzen« nach der Idee von Anastasia.
Widerstand 4.0
Eine Konstante der Pandemie-Leugner*innen und Impfgegner*innen im Frankfurter Raum ist die Gruppe Widerstand 4.0, die 2020 aus der Initiative Frankfurt 5G-frei hervorgegangen war und sich als »Aktionsgruppe gegen die technokratische Diktatur« versteht. Die zentralen Personen sind Gundolf Hambrock aus Ginnheim und Regina StöberRegina Stöber-Yurdakul aus Frankfurt ist Sprecherin der Gruppe Widerstand 4.0. Sie meldet Aufzüge an, hält Reden, füllt den Telegram-Kanal der Gruppe und verbreitet Videobotschaften. Sie hängt den Erzählungen an, dass nach einem Plan des »Great Reset« die Weltbevölkerung um 85% reduziert werden solle. Diesem Plan würden u.a. Feminismus, Klimaschutzmaßnahmen und eine »globalistische Gender-Ideologie« dienen. Sie redet davon, dass zum Zweck…–Yurdakul aus Rödelheim. Beide waren jahrelang in der Linken aktiv gewesen. Dort vertraten sie »orthodoxe« Positionen und ihre Politik bestand im Wesentlichen darin, alles zu wissen, immer Recht zu haben und diejenigen, die ihnen nicht folgten, des Verrats und der Spaltung zu bezichtigen. Diese Politik führen Hambrock und Stöber-Yurdakul heute in den Reihen der Corona-Rechten weiter. Zum Kern ihrer Gruppe zählen nur wenige handverlesene Personen. Bis zum Herbst 2020 arbeitete Widerstand 4.0 auch in Bündnissen mit Querdenken69 mit, schied dort jedoch in Unfrieden aus.
Stöber-Yurdakul und Hambrock haben jahrzehntelange politische Erfahrung in der Organisierung von Demonstrationen und in der Auseinandersetzung in Bündnissen, so schafft es ihr Grüppchen häufig, sich in den Mittelpunkt zu stellen. Immer wieder organisiert Widerstand 4.0 Kundgebungen, meist auf dem Rathenau- oder Opernplatz. Zwischenzeitlich hatte sich Stöber-Yurdakul auch auf die Organisation von Autokorsos in diversen Frankfurter Stadtteilen fokussiert.
Die Demonstration am 27. November 2021, die mit über 2000 Teilnehmenden der bis dahin größte Aufzug der Corona-Rechten in Frankfurt war, wurde im Wesentlichen von Widerstand 4.0 organisiert. Ein Fahrzeug einer Anhängerin der Gruppe (das einige Tage später beschmiert und beschädigt wurde), diente als Lautsprecherwagen. Von dort aus dirigierten hauptsächlich Stöber-Yurdakul und Hambrock die Demonstration. Anmelder der Demonstration war der Bad Homburger Unternehmer Christoph PfeifferChristoph Pfeiffer ist ein Aktivist der ersten Stunde der Corona-Proteste im Rhein-Main-Gebiet. Er ist Vorstand des Bad Homburger Telekommunikationsunternehmen Clarity AG und Vorsitzender des Vereins Human Brain, der als Vereinsziel die Förderung von hochbegabten Kindern aus »sozial schwächeren« (gemeint sind ökonomisch benachteiligte) Verhältnissen angibt. Nachdem Pfeiffer im Frühjahr 2020 als Redner auf einem Corona-Protest in Frankfurt aufgetreten war, schrieb die…, doch der wurde in der Folge von Widerstand 4.0 als nicht radikal genug bemessen und man stellte die Zusammenarbeit mit ihm ein.
Nur eine Woche später schäumte Widerstand 4.0 darüber, dass »Anti-Deutsche« den Corona-Protest gekapert hätten. In angeblich pro-israelischen Ausführungen des Querdenken-Redners Ralf Ludwig auf der Kundgebung am 4. Dezember 2021 vor der Alten Oper erkannten sie einen »Missbrauch des Coronaprotests«, um Menschen »zu Parteigängern des imperialistischen Apartheidsstaates Israel zu animieren.« Zugleich knöpften sie sich einen Aktivisten von Querdenken615 (Darmstadt) vor, der »den Coronaprotest seit Dezember letzten Jahres mit dem Jerusalema Tanz manipulieren« würde.
Die Ausführungen von Widerstand 4.0 strotzen von Aussagen, die den Nationalsozialismus und andere Diktaturen relativieren. Man schreibt über eine »faschistische Apartheid gegen die Ungeimpften« und echauffiert sich darüber, dass das Tragen eines gelben Judensterns mit Aufschrift »Cov2 Ungeimpft – Impfen macht frei« auf einer Demonstration untersagt wurde. Die Antifa wiederum sei zu »Fußsoldaten des globalen Faschismus« geworden.
Derweilen ist nicht zu übersehen, dass Widerstand 4.0 extreme Rechte und NeofaschistInnen auf »ihren« Kundgebungen duldet und deren politischen Charakter verharmlost. So stellten sich am 27. November 2021 Aktive der Identitären Bewegung mit einem Transparent »Heimatschutz statt Mundschutz« (und somit klar als extreme Rechte erkennbar) in der Demonstration auf, ohne dass dies von der Leitung um Hambrock und Stöber-Yurdakul unterbunden wurde. In einer Rede am 18. Dezember 2021 ging Stöber-Yurdakul darauf ein, dass die Partei DieBasis Arbeitnehmende dazu aufgerufen habe, der Gewerkschaft Zentrum Automobil beizutreten. Stöber-Yurdakul bezeichnete diese Gewerkschaft als unbedeutend, doch sie ging mit keiner Silbe darauf ein, dass Zentrum Automobil (von Stöber fälschlicherweise »Zentrale Automobil« genannt) eine AfD-nahe und von Neonazis maßgeblich angeführte Organisation ist.
Ein weiteres Beispiel ist der »Crash-Prophet« Thorsten SchulteThorsten Schulte aus Hamm (Westfalen) nennt sich »Silberjunge«. Er ist Buchautor, Verleger, Edelmetallhändler und sogenannter Crash-Prophet. Er prognostiziert einen baldigen Zusammenbruch des Geld- und Wirtschaftssystems und rät zur Anlage in Edelmetall, um Erspartes zu retten. Seit 2020 hält er Reden auf Aufzügen der rechten Verschwörungsszene im Rhein-Main-Gebiet. In Frankfurt führte er diese mehrfach an. Die AfD berichtet, Schulte habe auf…, der als Redner auf »Corona-Protesten« auftritt. Schulte steht der AfD nahe und bediente unter anderem in der Vergangenheit bei einer PEGIDA-Veranstaltung kaum verhohlen den rassistischen VerschwörungsmythosBeim Thema Verschwörungen ist häufig von Verschwörungstheorien und Verschwörungstheoretiker*innen die Rede. Allerdings verbinden viele Menschen mit dem Begriff »Theorien« Erklärungen, die an der Realität gemessen werden können. Etliche Erzählungen, die in der rechten Verschwörungsszene kursieren, sind jedoch frei von Fakten und Schlüssigkeit. Beispiele hierfür sind die Behauptungen, dass am 11. September 2001 gar kein Flugzeug ins Pentagon geflogen sei, dass… vom »Großen Austausch«Hinter den Begriffen »Großer Austausch« und »Umvolkung« steht der Glaube, dass ein von langer Hand geplanter Austausch der weißen, europäischen Bevölkerung zugunsten »fremder« und muslimischer Einwanderer*innen stattfinden würde. Dieser Verschwörungsmythos ist rassistisch wie antisemitisch besetzt. Demnach wolle eine »globalistische Elite« die Kulturen und »Völker« des westlichen Europas auflösen, um identitätslose Einheitsmenschen zu schaffen. Die Einwanderung aus dem Süden und Osten…. Stellte Widerstand 4.0 noch im Oktober 2020 fest, Schulte sei »ganz im nationalen Denken befangen« so wird er im November auf der Homepage von Widerstand 4.0 als »bekannter Politiker« vorgestellt.
In der Linken in Frankfurt ist Widerstand 4.0 politisch weitestgehend isoliert. Sozial pflegen Hambrock und Stöber-Yurdakul noch immer Freundschaften in »altlinken« Kreisen.
Sonstige (ehemalige) Linke
Eine weitere Person der Frankfurter »Linken«, die sich im »Corona-Protest« profiliert, ist nach wie vor Jan VeilBis in die 1990er Jahre war Veil Musiker der erfolgreichen Band Moskwa TV. Dann wurde er im linken Spektrum aktiv, u.a. bis 2020 im Landesvorstand des Vereins Mehr Demokratie e.V. Hessen. Neben Hajo Köhn war er das Gesicht der Initiative MainFrankfurtVerbindet, die 2020 in Frankfurt Corona-Proteste organisierte.. Zusammen mit dem ehemaligen Occupy-Aktivisten Hajo Köhn prägte er zeitweise das Label MainFrankfurtVerbindetMainFrankfurtVerbindet war von 2020 bis Herbst 2023 ein Label der Frankfurter Corona-Proteste, das jedoch ab 2022 praktisch keine Bedeutung mehr hatte. Eine entsprechende Homepage diente noch bis ins Jahr 2022 als Plattform für Artikel und Veranstaltungsankündigungen. Zentrale Personen von MainFrankfurtVerbindet waren die Frankfurter Hajo Köhn und Jan Veil. Zu Beginn der Corona-Proteste hatte Köhn versucht, unter dem Dach von Widerstand2020…, das 2020 mehrere Veranstaltungen gegen die Corona-Maßnahmen mit teilweise mehreren hundert Teilnehmenden durchführte. Im Jahr 2021 fanden keine Veranstaltungen mehr von MainFrankfurtVerbindet statt. Köhn exponierte sich die letzten Monate nicht mehr politisch, Veil hingegen schon. Er nutzt die Internetseite von MainFrankfurtVerbindet für seine Veröffentlichungen und tritt auf Veranstaltungen und in Workshops von »Friedensinitiativen« auf. Auch bei »Corona-Protesten« in Frankfurt wird er immer wieder gesehen, so zum Beispiel am 18. Dezember 2021 vor der Alten Oper. Sein Label ist derzeit die Freie Linke, deren rote Fahne mit einem gelb eingerahmten roten Stern bundesweit auf »Corona-Protesten« gezeigt wird. Doch es sind stets Einzelpersonen oder kleine Grüppchen, die unter der Fahne laufen. Die Freie Linke sieht in den »Corona-Protesten« eine »demokratische Widerstandsbewegung«, die »mit den traditionellen Werten und Zielen von emanzipatorischen und linken Bewegungen vor 2020, wie Basisdemokratie und Selbstbestimmung, völlig konform« gehe. Die dort verbreiteten reaktionären, biologistischenBiologismus ist eine Ideologie, die menschliche Verhaltensweisen und gesellschaftliche Zusammenhänge nicht als soziale Prozesse begreift, sondern diese (pseudo-)biologisch herleitet. Demnach seien »Naturgesetze« und eine »natürliche Ordnung« für das Miteinander handlungsleitend. Den Individuen, Menschengruppen und Geschlechtern werden »natürliche« und unveränderliche Eigenschaften und Rollen zugeschrieben. So findet eine Naturalisierung des Sozialen statt, die als regressiv bis reaktionär zu verstehen ist. Die Zuschreibung…, antisemitischenAntisemitismus ist eine tragende Ideologie der rechten Verschwörungsszene und tritt dort in vielen Facetten in Erscheinung. Als übergeordnete Verschwörungsmythos dient der Szene ein angeblicher Plan einer »globalistischen Elite« zur Schaffung einer Neuen Weltordnung. Darin spiegeln sich viele Elemente der seit fast 2000 Jahren virulenten Erzählungen von einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung wieder: Die Ansicht, dass »heimatlose« Jüd*innen kultur- und heimatlose »Einheitsmenschen«… Weiterlesen und NS-relativierenden Inhalte werden von der Freien LinkenDie Freie Linke (FL) gründete sich Ende 2020 als Teil der »Widerstandsbewegung gegen die Corona-Maßnahmen«. Sie verbreitet Verschwörungserzählungen zum Thema Corona. Zum Beispiel sieht sie »hinter dem Corona-Regime das Machtkartell der Globalisten«. Die rechten Inhalte und die massive Präsenz rechter Gruppen in dieser Bewegung werden von der FL negiert oder als »einzelne Instrumentalisierungsversuche und Trittbrettfahrer« verharmlost. Eine große Nähe besteht… abgestritten und negiert, die vielerorts massive Präsenz rechter Gruppen wird als »einzelne Instrumentalisierungsversuche und Trittbrettfahrer« klein geredet und geschrieben.
Ein weitere bekannte Person aus der hiesigen Linken ist der Techno-Discjockey Peter Rubach, der heute im Gallusviertel wohnt. Er war in der Vergangenheit in Frankfurt im Protest gegen die Flughafenerweiterung und bei Occupy aktiv gewesen und legte regelmäßig im Frankfurter Tanzhaus West auf. Im Rahmen der Demonstration der Corona-Rechten am 27. November 2021 unterhielt er die Teilnehmenden im Rothschild-Park über sein mitgebrachtes DJ-Pult durch Musik und durch Reden, in denen er die Pandemie verharmloste. Seiner Meinung würden Menschen hauptsächlich wegen eines Mangels an Vitaminen und Kupfer an Covid19 erkranken. Einem gesunden Körper, der mit ausreichend Vitaminen versorgt sei, könne das Corona-Virus hingegen nichts anhaben. »Der Politik« warf Rubach vor, die Aufklärung über vitaminreiche Ernährung zu verhindern. Eine Erklärung, warum Politiker*innen dies tun sollten, verlief sich im üblichen Geraune über mächtige Interessen und Hinterpersonen. Zudem bewarb Rubach in marktschreierischer Weise die Vitamin-Präparate eines Wiesbadener Arztes. Selbst diese Rede wurde mit Applaus bedacht.
Der Unternehmer und das esoterische Milieu
Seit Anfang Januar finden täglich um 18:30 Uhr in verschiedenen Frankfurter Stadtteilen und in Orten im Taunus »Aufzüge« von Pandemieleugner*innen und Impfgegner*innen statt. Diese werden angemeldet und sind stets von einem massiven Polizeiaufgebot begleitet. Die Polizei ist dabei meist darauf bedacht, Personen von den Aufzügen fernzuhalten, die diese stören könnten. So bedankt sich der Organisator dieser Spaziergänge, Christoph Pfeiffer aus dem Taunus, stets überschwänglich bei den eingesetzten Beamt*innen. Zum Abschluss der Demonstration von 130 Personen am 5. Januar 2022 an der Bockenheimer Warte sagte er: »Die Polizei, das sind unsere Freunde. Das hat man auch heute wieder gesehen.«
Christoph Pfeiffer ist Gründer und Vorstand des Bad Homburger Telekommunikationsunternehmen Clarity AG und ein Aktivist der ersten Stunde der »Corona-Proteste«. Nachdem er im Frühjahr 2020 als Redner auf einer Kundgebung von Pandemie-Leugner*innen in Frankfurt auftrat, schrieb die Frankfurter Allgemeine Zeitung im Mai 2020 über ihn einen Artikel. Darin zeichnet die FAZ von ihm das Bild des erfolgreichen mittelständischen Unternehmers, der sich selbst einen »Gewinner des Systems« nennt und seine rechte politische Erweckung über Verschwörungsmythen erlebte. Pfeiffer glaubt, dass die Spanische Grippe, an der zwischen 1918 und 1920 viele Millionen Menschen starben, durch einen »Impfunfall« ausgelöst wurde. Er erzählt, dass mittels Impfkampagnen, die Bill GatesAuf den US-amerikanischen Unternehmer und Mäzen Bill Gates projizieren sich diverse Verschwörungserzählungen. Er wird in der rechten Verschwörungsszene regelrecht dämonisiert. Er gilt als Drahtzieher der Corona-Pandemie (»Plandemie«) und wird beschuldigt, eine drastische Bevölkerungsreduktion zur Errichtung einer »Neuen Weltordnung« zu planen bzw. bereits durchzuführen. Anknüpfungspunkt ist die Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung, die der größte private Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation (WHO) ist und darüber die Entwicklung… Weiterlesen gesteuert habe, Menschen gezielt unfruchtbar gemacht worden seien. Seine Informationen bezieht Pfeiffer, so berichtet die FAZ, vor allem aus den Kanälen der ehemaligen Fernsehmoderatorin Eva Herman, die wegen rassistischer, revisionistischer und antifeministischer Aussagen seit Jahren in der extremen Rechten zu verorten ist. Um Pfeiffer herum besteht laut FAZ ein Kreis von Freund*innen aus gehobener Schicht, in dem auch die »9/11-Lüge« kursiert – der Glaube daran, dass am 11. September 2001 keine Flugzeuge die Gebäude zum Einsturz brachten, sondern gezielte Sprengungen von innen.
Pfeiffer war zudem Anmelder der Demonstration am 27. November 2021 in Frankfurt. Das Bündnis mit Widerstand 4.0, die den Aufzug tatsächlich organisierten, zerbrach jedoch. Widerstand 4.0 warf dem Unternehmer vor, er lasse jede kämpferische Haltung vermissen und habe versucht, die Demonstration entgegen der Absprachen auf den Punkt »Keine Zwangsimpfung« zu reduzieren. Tatsächlich dreht sich die Rede, die auf den Aufzügen in den Frankfurter Stadtteilen wiederholend abgespielt wird, ausschließlich um die Forderung nach einem »freien Impfentscheid«. Doch das ist eine Mogelpackung. Aus den Live-Reden auf den Spaziergängen (und aus dem frenetischen Applaus, den diese erhalten) lässt sich heraushören, dass es sich bei den Teilnehmenden in großer Mehrheit um entschiedene Pandemie-Leugner*innen handelt. Stets ist von einer »angeblichen Pandemie« die Rede, auch wird die Zahl der Corona-Toten in absurder Weise nach unten gerechnet.
Die Mitorganisator*innen der Spaziergänge kommen augenscheinlich aus dem harten Kern des Esoterik-Milieus. Wie zum Beispiel die Neu-Anspacherin Ingrid ReichIngrid Reich aus Neu-Anspach (Taunus) ist eine führende Exponentin der rechten Verschwörungsszene. Sie nimmt bundesweit an Veranstaltungen der Szene teil und meldete etliche Aufzüge der Freiheitsfreunde Frankfurt an. Die »Montagsspaziergänge« der Szene in Bad Homburg dienen ihr als Bühne für ausufernde Reden. Sie repräsentiert das Netzwerks Europeans United und die Initiative Leuchtturm ARD und sitzt im Vorstand des im Mai…, die Reden hält, in denen sie neben der Leugnung der Pandemie über eine »Lügenpresse«In Reden auf Aufzügen der rechten Verschwörungsszene wird häufig gegen »Lügenpresse« und »Systemmedien« agitiert. Auch erklingen entsprechende Rufe und Sprechchöre gegen unliebsame Journalist*innen am Rande der Demonstrationen. In diesen Begriffen steckt in der Regel mehr als eine polemische und pauschale Medienkritik. Sie dienen vornehmlich dazu, eine kritische Berichterstattung über die eigenen Auftritte und politischen Standpunkte zu diskreditieren. Darin spiegelt sich… herzieht. Reich gibt an, Immobilienmaklerin und Vertreterin von naturkosmetischen Produkten zu sein. Bei den Kommunalwahlen 2021 kandidierte sie in Neu-Anspach für die FDP. An ihrer Person wird der Grat zwischen Groteke und Gefährlichkeit deutlich, auf dem sich viele Teilnehmende der »Corona-Proteste« bewegen. In ihren Reden – vor allem aber auf ihren Facebook-Profil und ihrem Telegram-Kanal – eilt sie von einer Verschwörungserzählung zur nächsten. Sie wirbt eifrig für ein Volksnetzwerk, dass sich als Teil einer »Erdallianz« versteht, die »gegen einen globalen tiefen Staat« kämpft. Dessen Waffe zur Unterdrückung der Menschheit ist – man ahnt es – die »angebliche Covid19-Pandemie«. Von Reich und dem Volksnetzwerk erfährt man, dass die Anführer der globalen Eliten kürzlich zu einem geheimen Treffen in die Antarktis gereist seien. Direkt danach findet sich die Propaganda der sogenannten »Reichsbürger«, wonach planvoll verhindert würde, dass Deutschland ein souveräner Staat werde und einen Friedensvertrag erhalte. Reich ist – auch das verrät ihr Facebook-Profil – ein großer Fan von Black Music und wenn sie über Megaphon Antifaschist*innen »Nazis raus!« entgegen schreit, dann meint sie das vermutlich völlig ernst.
Das Milieu, was sich auf diesen Veranstaltungen auf Frankfurts Straßen einfindet, offenbart ein kaum erträgliches Maß von Selbstherrlichkeit, Empathielosigkeit und Menschenverachtung. Als ein Heddernheimer Bürger bei dem »Aufzug« am 4. Januar das Fenster öffnete und den vorbeiziehenden Pandemie-Leugner*innen entgegen schrie, sie sollten abhauen, er könne dies nicht hören, er habe Verwandte durch Covid 19 verloren, quittierten dies die »Spaziergänger*innen« mit höhnischen Kommentaren und »Freiheit, Freiheit«-Sprechchören.
Rechte Rocker
Seit November macht sich auf den Frankfurter »Corona-Protesten« eine Spezies stärker bemerkbar, die an anderen Orten in Deutschland die Bilder der Aufzüge prägt: Männer, die ihre kämpferische Männlichkeit zur Schau stellen – die bemüht sind, breitschultrig zu wirken, sich breitbeinig vor ihren Gegner*innen aufbauen und durch entsprechende Kleidungsmarken und -motive ihre Nähe zu Rockerszene und Rotlichtmilieu demonstrieren. Neu ist diese Erscheinung in Frankfurt nicht, schon im Frühjahr 2020 waren kleinere Gruppen von »Supportern« einer Frankfurter Rockergruppe auf Kundgebungen von Pandemieleugner*innen an der Alten Oper anwesend, wobei es prompt zu handfesten Auseinandersetzungen mit Antifaschist*innen kam.
Am 20. November 2021, 1., 8. und 15. Januar 2022 war es eine zehn- bis 15-köpfige Gruppe von Männern und Frauen, die – soweit feststellbar – aus dem Rheingau-Taunus-Kreis und Wiesbaden angereist waren. Aus ihren Reihen kam es am 20. November 2021 zu einem Angriff auf Personen, die von den Angreifern als Linke eingeordnet wurden. Mehrere Personen aus der Gruppe beschimpften diese als »Zecken« und schlugen und traten auf sie ein. Eine Person erlitt Prellungen und eine Gehirnerschütterung und musste ins Krankenhaus gebracht werden.
Wortführer der Gruppe ist der 47-jährige Holger Mathes, der in Wiesbaden die Kampfsportschule »Fight Arena« betreibt und dort auch Trainer ist. Auch der Fight-Arena-Trainer Robert Rautenberg und die Fight Arena-Trainerin Agnes Polok waren mehrfach in dieser Gruppe unterwegs. Mathes ist zudem »Präsident« des Rockerclubs Black Devils MC, Chapter Borderland, die ihr Clubhaus und ihren Schwerpunkt in Taunusstein haben. Auch Rautenberg gehört dem Club an.
Mathes ging am 1. Januar 2022 auf der Zeil dem Aufzug von 300 Corona-Rechten voraus, animierte diese zu Sprechchören und führte an der Konstablerwache die »Verhandlung« mit der Polizei, d.h.: Mathes erklärte planlosen und weitgehend sprachlosen Polizisten was Sache ist, ließ diese dann wie Schulbuben stehen und die Menge machte weiter, wie und was sie wollte.
Die Gruppe um Mathes war schon zuvor auf Veranstaltungen der Corona-Rechten in Bad Schwalbach durch provokantes Gebaren aufgefallen. Am 1. Januar trat die Gruppe in einheitlicher Kleidung auf. Sie trugen schwarze Hoodies mit Aufschrift »Freiheit« und »Patriot«. Am 20. November (zeitweise) und 1. Januar trug Mathes eine Mütze mit Aufdruck »QAnon«Der »QAnon«-Mythos entstand 2017 in den USA. Er spann sich zunächst um die Behauptung eines »tiefen Staats«, der Donald Trump stürzen wolle. Kern der Erzählung ist heute, dass eine geheime Elite jährlich tausende von Kindern entführen und töten lasse, um aus deren Blut einen Stoff zur Verjüngung (»Adrenochrom«) zu gewinnen. So wurde »QAnon« zur Weitererzählung der aus dem Mittelalter stammenden…, am 1. Januar zudem eine Jacke mit einem Aufnäher »WWG1WGA«»WWG1WGA« ist die Losung der extrem rechten QAnon-Gemeinschaft. Das Kürzel steht für »Where We Go One We Go All« und bedeutet übersetzt »Dort wo einer hingeht, gehen wir alle hin«. Sinngemäß meint dies »Einer für alle, alle für einen«. In Kreisen von QAnon werden viele Motiven mit der Aufschrift »WWG1WGA« vertrieben, vor allem auf Kleidungsstücken…. (steht für Where we go one, we go all). WWG1WGA ist eine Losung der QAnon-Gemeinschaft. QAnon ist eine extrem rechte Bewegung, die einen antisemitischen Verschwörungsmythos verbreitet und den ehemaligen US-Präsidenten Donald TrumpDer ehemalige US-amerikanische Präsident Donald Trump ist in vielen Ländern eine Kultfigur der Rechten. Obwohl er vielfach der Lügen und Bereicherung während seiner Regierungszeit überführt ist, schuf er sich dort das Image des aufrichtigen Anti-Politikers, der gegen ein korruptes Establishment kämpfe. Seine Ideologie und sein Regierungsstil werden als Trumpismus beschrieben. Sie sind nationalistisch, populistisch, sexistisch, minderheitenfeindlich, chauvinistisch, personenzentriert und autoritär,… als Heilsbringer verehrt.
Seit Jahren schon ist eine Nähe zwischen Black Devils-Rockern und extrem Rechten zu beobachten. Mitte und Ende der 2000er Jahre waren es einzelne Neonazis der Schwarzen Division Germania aus Taunusstein, die sich nach Auflösung ihrer Gruppe den hiesigen Black Devils anschlossen. Ihre Gesinnung hielten sie bei, ihre neonazistischen Aktivitäten stellten sie weitgehend ein. Anfang der 2010er Jahren schlossen sich zwei Frankfurter Neonazis dem Black-Devils-Chapter Hanau an.
Bei Mathes, Rautenberg und Polok lässt sich keine Geschichte in der Neonaziszene nachvollziehen, auch fielen sie bislang nicht durch extrem rechte Aktivitäten und Sprüche auf. Doch dass der »Präsident« einer Rockergruppe und Betreiber einer Kampfsportschule (die unter anderem Trainings und »Schnupperkurse« für Kinder anbietet) als Anheizer von »Corona-Protesten« und Anhänger von QAnon in Erscheinung tritt und dass er eine Gruppe anführt, die Gegner*innen der Corona-Rechten zusammenschlägt, sollte die Öffentlichkeit durchaus interessieren.
Rhein-Main steht auf
Ein Label, das zurzeit große Dynamik entfaltet und immer stärker in den Vordergrund drängt, nennt sich Rhein-Main steht aufDie Gruppe Rhein-Main-steht-auf (RMSA) prägt seit ihrer Gründung 2021 das Geschehen der rechten Verschwörungsszene im Raum Aschaffenburg, Miltenberg, Offenbach und Hanau. Von 2021 bis Ende 2023 führte RMSA ca. ein Dutzend Aufzüge durch. Am 31. Dezember 2021 gelang es ihnen, knapp 4.000 Menschen nach Aschaffenburg zu mobilisieren. Ihr Netzwerk verfügt über beträchtliche personelle und finanzielle Ressourcen sowie über eine Struktur…. Diese Initiative besteht seit November 2021 und hat sich zum Ziel gesetzt, das Spektrum der Corona-Rechten regional besser zu vernetzen. So kamen am 18. November auf einer Gartenparty in Niedernberg bei Aschaffenburg Vertreter*innen aus mehreren Städten, darunter Frankfurt, Darmstadt und Hanau, zusammen, um das zukünftige Vorgehen besser zu koordinieren. Auf Demonstrationen in Aschaffenburg im Dezember 2021 und Januar 2022, die Rhein-Main steht auf mitorganisierte, fanden sich zwischen 3000 und 5000 Personen ein, eine Gruppe der NPD durfte mit eigenen Transparenten mitlaufen.
Inzwischen ist auf Demonstrationen öfters ein Banner mit der Aufschrift »Rhein-Main steht auf« zu sehen – am 8. Januar 2022 in Frankfurt verbunden mit einer Trommelgruppe.
Einer der Initiatoren und Macher von Rhein-Main steht auf ist der Hausgerätetechniker Michael HetzelDer Hausgerätetechniker Michael Hetzel aus Niedernberg im Landkreis Miltenberg ist ein Aktivist der AfD und eine führende Person im Netzwerk von Rhein-Main-steht-auf (RMSA). Er kann als eine treibende Kraft der fortschreitenden rechten Radikalisierung von RMSA gesehen werden. Auf seinem Gartengrundstück in Niedernberg finden Vernetzungstreffen der Gruppe statt. Hetzel verbreitet prorussische Propaganda, leugnet den menschengemachten Klimawandel, hetzt gegen Klima-Aktivist*innen und bedroht… aus Niedernberg. Hetzel ist Impfgegner, Corona-Leugner und großer Anhänger der AfD. Auch ist er Unterstützer einer »Patriot-Petition«, die sich gegen die »Islamisierung des Abendlandes«, gegen »Kulturmarxismus« und »für die freie Marktwirtschaft« einsetzt. Desweiteren wendet sich Hetzel gegen Tempolimits auf deutschen Straßen. Wenn die Pandemie abflachen und sich die »Corona-Proteste« verlaufen sollten, so wird man Hetzel und etliche seiner politischen Freunde und Freundinnen vermutlich wiedersehen: Auf den dann folgenden Protesten gegen Maßnahmen zum Klimaschutz, begleitet von Verschwörungserzählungen, wonach eine mächtige Ökolobby um George SorosGeorge Soros ist ein US-amerikanischer Investor und Milliardär. Über seine Stiftungen unterstützt er weltweit Organisationen und Projekte, die sich für gesellschaftliche Liberalisierung einsetzen. Dadurch wurde er zum Feindbild rechter Kreise in Europa und in den USA. Immer wieder werden auf Aufzügen der rechten Verschwörungsszene Bilder gezeigt, auf denen Soros als Drahtzieher im Hintergrund dargestellt wird. Auf Querdenken-Kundgebungen in Frankfurt und… den Klimawandel nur erfunden habe.
Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht auf dem Blog der Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien.