Rechte »Friedensaktionen« an den Ostertagen


Ostern ist die Zeit der großen Demonstrationen der Friedensbewegung, den Ostermärschen. Diese waren über Jahrzehnte von linken politischen Gruppen, Parteien und Gewerkschaften geprägt, doch auch rechte Milieus fanden in den vergangenen Jahren verstärkt Anschluss an diese. Rhein-Main-Rechtsaußen hat mehrfach darüber berichtet. Abseits der »offiziellen« Ostermärsche, auf denen inakzeptable Positionen, beispielsweise zum Nahost-Konflikt, vertreten werden, hat die rechte Verschwörungsszene dieses Jahr eigene Aktionen durchgeführt. Nachfolgend eine unvollständige Übersicht.

Autofahren für den Frieden

Ingo Helge (hinter der Kamera) wechselte vor wenigen Jahren von der neonazistischen NPD (Die Heimat) zur Partei DieBasis und ist seit 2024 deren »Medienbeauftragter« im Landesverband Hessen. Hier auf dem »Oster-Friedens-Korso« am 19. April 2025 in Wiesbaden. © Rhein-Main Rechtsaußen

Am Karsamstag, den 19. April, führte der Kreis der Klartext-Bürgerzeitung und der Partei DieBasis einen »Oster-Friedens-Korso« durch. Treffpunkt war um 10 Uhr am Morgen die Bertramswiese beim Hessischen Rundfunk, der in der Szene als ein Hort der »Lügenpresse« gilt. Von dort aus ging es über mehrere Stationen zur Hessischen Staatskanzlei in Wiesbaden, vor der ab 18 Uhr die Abschlusskundgebung stattfand. Im Vorfeld waren die Veranstaltenden hoffnungsvoll von bis zu hundert Fahrzeugen ausgegangen, die sich dem Korso anschließen würden. Schließlich waren es 45 Personen in 21 Fahrzeugen, die an der Bertramswiese starteten. Die meisten Teilnehmenden waren aus der rechten Verschwörungsszene bekannt, so Klartext-Macher Christoph Barth, der einmal mehr im Mittelpunkt stand, die Reichsbürgerin Ingrid Reich, der Reichsbürger Bruno Ramge, der Corona leugnende »Heilpraktiker« Wolfgang Hinzmann, der Ex-Linke Gundolf Hambrock sowie Michaele Kundermann und Hansjürgen Keiling vom DieBasis-Kreisverband Hochtaunus, die sich in der Vergangenheit über die Leugnung des menschengemachten Klimawandels exponierten. Um die Lautsprechertechnik kümmerte sich Andreas Eberbach von den rechtspopulistischen Bürgern für Frankfurt. Als Streamer begleiteten Paul Hildebrand und Ingo Helge die Veranstaltung. Helge gehörte noch vor wenigen Jahren dem Landesvorstand der hessischen NPD (heute Die Heimat) an und war für deren »Weltnetzverwaltung«, also deren Internetauftritt, zuständig. Seit 2024 ist er Medienbeauftragter der Partei DieBasis in Hessen und bespielt einen eigenen YouTube-Kanal namens FreidenkenTV.

Zur Abschlusskundgebung fanden sich keine 30 Personen ein, Passant*innen zeigten sich nahezu gänzlich uninteressiert. Doch lässt sich die Relevanz der Veranstaltung nicht ausschließlich an der geringen Anzahl der Teilnehmenden messen. Über Social Media und Videoplattformen wurde die Aktion letztendlich vielen weiteren Personen vermittelt, die via Livestreaming und Liveblogs sogar »direkt« dabei sein können.

Rechter Aufzug in Bensheim

Aufzug des »Friedensbündnis Bergstraße« am 21. April 2025 in Bensheim. © dokunetzwerk rhein-main

Für den Ostermontag am 21. April hatten Gruppen der rechten Verschwörungsszene zu einem »eigenen« Ostermarsch im südhessischen Bensheim aufgerufen. Knapp 200 Personen nahmen an diesem teil.

Dort sprach unter anderem der Vorsitzende des Deutschen Freidenker-Verbands (DFV) Sebastian Bahlo aus Frankfurt. Unter den Applaus der Teilnehmenden machte er das »Kiewer Regime im Verbund mit der NATO« als den Aggressor im Ukraine-Krieg aus. An der Spitze jener Nato-Aggression stünden nunmehr nicht mehr die USA unter Donald Trump, sondern »Rothschild-Macron und Black Rock-Merz«. Der von der Hamas dirigierte Angriff auf die israelische Bevölkerung am 7. Oktober 2023 war nach seinen Worten kein Terrorangriff, da die Hamas die gewählte Regierungspartei in Gaza stelle und die Kämpfer der Hamas die »einzige reguläre palästinensische Streitmacht« im Krieg gegen Israel seien. In dieser Logik sieht er den Angriff am 7. Oktober als eine legitime Kriegshandlung, wenngleich es dabei auch zivile Opfer gegeben habe. Den Staat Israel dagegen bezeichnete Bahlo als »zionistischen, genozidalen Siedlerkolonialismus«. Nach Bahlo ergriff der ehemalige Linkspartei-Politiker Diether Dehm das Mikrofon, um den Publikum zu erzählen, dass der inflationäre Gebrauch des N-Wortes und des Z-Wortes keinesfalls rassistisch sei. Dehm bedauerte, dass die Friedensbewegung heute im Vergleich zu den 1980er Jahren weniger Menschen mobilisieren würde, doch zeigte er sich zuversichtlich, denn »wir könnten da, wenn die Brandmauern fallen, ein bisschen mehr auch zustande bringen«. Nach Dehm sprach Norbert Taufertshöfer vom Kreisvorstand der AfD Bergstraße und versuchte sich als Friedensaktivist und besorgter Patriot zu präsentieren. Als Beispiel angeblicher Manipulation durch die Medien in Kriegszeiten sieht er die zunehmende Anzahl weiblicher Fernsehmoderatorinnen, denn diese »sehen halt einfach harmloser aus und können solche Dinge leichter unterjubeln«. Der nächste Redner war Jan Veil aus Frankfurt von der Freien Linken, der über einen Wahlbetrug zuungunsten des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mutmaßte. Weitere RednerInnen waren der Frankfurter DieBasis-Funktionär Jürgen Manneck und die Bensheimerin Katja Knoch. Knoch repräsentiert das Friedensbündnis Bergstraße, welches sich für die Veranstaltung verantwortlich zeigte. Sie ist eine führende Aktivistin der rechten Verschwörungsszene im südhessischen Raum, Mitglied der Freidenker und Mitbegründerin des NachDenkSeiten Gesprächskreises Bensheim/Bergstraße.

Als Redner am 21. April 2025 in Bensheim, v.l.n.r.: Norbert Taufertshöfer von der AfD sowie die Freidenker Diether Dehm und Sebastian Bahlo. © dokunetzwerk rhein-main

Das Friedensbündnis Bergstraße sieht sich in direkter Nachfolge zum Aktionsbündnis Bergstraße. Unter diesem Label veranstaltete die rechte Verschwörungsszene im Jahr 2024 friedenspolitische Versammlungen an der Bergstraße. Ziel des Bündnisses war es, eine Querfront zwischen linken und rechten Akteur*innen innerhalb der Friedensbewegung zu schließen. Der Erfolg blieb jedoch aus und nach 2024 fanden keine Veranstaltungen unter diesem Label mehr statt. Das nun auftretende Friedensbündnis Bergstraße ist organisatorisch und personell weitgehend identisch mit dem Aktionsbündnis. Auch der Aufruftext, in dem es heißt, »Für den Frieden zu sein ist keine Frage von links oder rechts«, wurde übernommen. An dem Aufzug nahmen auch AnhängerInnen des Internet-Blogs NachDenkSeiten mit einem eigenen Transparent teil.

Auf dem Bensheimer Marktplatz, auf dem die Abschlusskundgebung stattfand, hatte Paul Hildebrand, der sich neuerdings selbst »rechter Streamer« nennt, seinen Verkaufsstand Pauls Shop aufgebaut. Zudem befanden sich dort Infostände der verschwörungsideologischen Gruppe Freie Heidelberger und der Freidenker. Dort lag auch die aktuelle Ausgabe der Klartext-Bürgerzeitung aus. Dessen Herausgeber Christoph Barth verteilte die Zeitung während der Veranstaltung zusammen mit Katja Knoch und Jan Veil.

Die Ostermärsche der Friedensbewegung

Die Freidenker und das Internetportal NachDenkSeiten (NDS) bilden signifikante Schnittstellen zwischen Teilen der Linken und dem rechten Spektrum. In Frankfurt kooperieren sie eng mit der Friedens- und Zukunftswerkstatt, die als Hauptveranstalter des Frankfurter Ostermarsches auftrat. So führen Freidenker, der NachDenkSeiten Gesprächskreis Frankfurt am Main und die Friedens- und Zukunftswerkstatt seit Monaten gemeinsam eine Veranstaltungsreihe unter dem Label »Frankfurter FriedensGespräche« durch.

Auch in diesem Jahr durften die Freidenker auf der zentralen Kundgebung des Ostermarsches am Römerberg ihren Informationsstand aufbauen und darüber Aussagen verbreiten, die sich unumwunden positiv auf die Politik von Wladimir Putin und Baschar al-Assad beziehen. Noch immer werden ihre Musiker und Redner (alle hierfür bekannten Personen sind männlich) für derartige Veranstaltungen angefragt, obgleich diese – zumindest im Rhein-Main-Gebiet – eng mit der rechten Esoterik-Partei DieBasis verbunden sind.

Die Ostermärsche der Friedensbewegung waren auch in diesem Jahr an vielen Orten Anlaufstelle für Personen aus der Rechten. Für den Ostermarsch in Bruchköbel bei Hanau, der traditionell am Karfreitag stattfindet, hatte die Hanauer Friedensplattform den Musiker Guy Dawson eingeladen, der den Freidenkern angehört und auch am 3. Oktober 2024 auf einer Kundgebung der rechten Verschwörungsszene in Wiesbaden aufgetreten war. In Limburg hatten die Veranstaltenden eine Werbung der NachDenkSeiten auf ihren Aufruf zum Ostermarsch gesetzt, diesen jedoch entfernt, nachdem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) intervenierte und drohte, seine Unterstützung des Ostermarsches zurückzuziehen.

Während mancherorts die Veranstaltenden Vorkehrungen gegen die rechte Präsenz trafen (was beispielsweise in Mainz für einen vergleichsweise »entspannten« Ostermarsch sorgte), wird diese an anderen Orten noch immer nicht als Problem gesehen. Den negativen Höhepunkt bildete in diesem Jahr Fulda, wo eine Gruppe der Partei Die Heimat (ehemals NPD) ungestört am Ostermarsch teilnehmen und sich dort in Szene setzen konnte. Dabei traten sie nicht mit eigenem Transparent auf, sondern bedienten sich der Tafeln, die die Veranstaltenden zur Verfügung stellten. Durch einheitliche T-Shirts mit dem Parteilogo waren sie jedoch eindeutig als Neonazis zu erkennen. Im Nachhinein ergötzten sie sich an der Hilfslosigkeit der anderen Teilnehmenden, die keinen Konsens darüber fanden, die Neonazis auszuschließen oder zu isolieren.

Propalästinensische Propagandashow

Fast immer dabei wenn es um bzw. für Palästina geht sind Angehörige der Gruppe Widerstand 4.0 um Regina Stöber-Yurdakul (rechts am Transparent). Hier auf dem Ostermarsch am 21. April 2025 in Frankfurt. © Rhein-Main Rechtsaußen

Die Ostermärsche der Friedensbewegung stehen seit langem in der Kritik, da sich dort ein Ost-West-Lagerdenken konserviert hat, das längst nicht mehr die politische Realität abbildet. Zum Ukraine-Krieg herrscht eine Meinung vor, die in der NATO die hauptsächliche Verantwortliche für die Eskalation sieht. Komplexe Problemlagen, wie der Nahost-Konflikt, werden häufig auf dualistische Opfer-Täter-Muster herunter gebrochen. So dienen sich die Ostermärsche denjenigen an, die einfache Erklärungen suchen und für populistische Botschaften empfänglich sind.

Ein Beispiel hierfür lieferte am Ostermontag eine Kundgebung von 220 Personen vor dem US-Konsulat im Frankfurter Nordend, zu der pro-palästinensische Gruppen mobilisiert hatten. Als Teil des offiziellen Ostermarsch-Programms zog die Versammlung als Demonstration zum Römerberg. Beständig ertönten Parolen vom »Kindermörder Israel« und »Frauenmörder Israel« sowie Redebeiträge, in denen unter anderem behauptet wurde, dass israelische Scharfschützen gezielt Kinder erschießen würden. Die Aussage einer Rednerin, wonach der Widerstand gegen die israelischen Besatzungspolitik »nicht erst vor eineinhalb Jahren« begonnen habe, muss als Versuch verstanden werden, das antisemitische Massaker vom 7. Oktober 2023 als eine legitime Widerstandshandlung einzuordnen. In der Wahrnehmung der Teilnehmenden der Demonstration ist der Israel-Palästina-Konflikt ein Krieg Israels gegen das »palästinensische Volk«, wobei die Akteure beider Seiten stets als homogene und kollektiv handelnde Einheiten dargestellt werden. In den über Stunden dauernden Reden und Parolen dieses Blocks erklang kein Wort darüber, dass sich hunderttausende Israelis seit Jahren gegen die extrem rechte Politik der Regierung Netanjahus stemmen und kein Wort darüber, dass die Menschen in Gaza auch Leidtragende der extrem rechten Politik der Hamas sind und mittlerweile zu Tausenden gegen diese aufbegehren. Der Versammlungsleiter der Demonstration, Ulrich Wilken von der Linkspartei, unternahm nichts, um diese Propagandashow zu unterbinden.

Am Scheideweg

Auf Veranstaltungen am 1. Mai und zum Tag der Befreiung um den 8. Mai werden mancherorts wieder ähnliche Bündnisse in Erscheinung treten und ähnliche inakzeptable Inhalte verbreitet werden. Zumindest in Teilen der Gewerkschaften und in der Linkspartei nimmt das Problembewusstsein darüber zu. Doch die Mühlen mahlen dort langsam und schließlich steht die Frage im Raum: Gehen oder bleiben? Weiter machen mit und in der Friedensbewegung, um dort positiv Einfluss zu nehmen? Oder sich zurückziehen und die Bewegung den regressiven Kräften überlassen? Dahinter steht nicht nur die Erkenntnis, dass Bündnisse mit der Rechten stets nur linke Kräfte und Positionen schwächten. Sondern auch die Einsicht, dass die überalterte Friedensbewegung als Ein-Punkt-Bewegung keine Zukunftsperspektive hat. Eine Bewegung, die AnhängerInnen von Diktaturen, Verschwörungsgläubige, AntisemitInnen, AntifeministInnen und LeugnerInnen des menschengemachten Klimawandels mit offenen Armen und ohne Widerspruch aufnimmt, verrät ihre humanistischen Ideale und die kommenden Generationen. Dies ist die Grundsatzfrage, die die Friedensbewegung für sich beantworten muss.

siehe auch: Scherbenhaufen Friedensbewegung, 04.04.2025; Frieden mit der Rechten, 21.03.2025; , Rechte Versuche, eine »Friedensbewegung« aufzustellen, 04.01.2025; Frieden links und rechts, 26.09.2024; Anbiedern an den rechten Zeitgeist, 18.05.2024