Desinformation und Hetze

Mit einer fünfstelligen Auflage ist die Klartext-Bürgerzeitung die wohl auflagenstärkste politische Zeitung im Rhein-Main-Gebiet und bedient die gesamte Bandbreite rechter Propaganda. © dokunetzwerk rhein-Main

Die Klartext-Bürgerzeitung verbindet rechte Spektren

Zusammenfassung des Artikels

Im Juni 2025 erschien die 20. Ausgabe der zweimonatlich erscheinenden Zeitung Klartext – Bürgerzeitung für das Rhein-Main-Gebiet. Mit einer fünfstelligen Auflage ist die Klartext-Bürgerzeitung die wohl auflagenstärkste politische Zeitung im Rhein-Main-Gebiet.

Klartext-Herausgeber Christoph Barth ist in den vergangenen Jahren stetig nach rechts gerückt. Seit 2024 wurde er mehrfach auf AfD-Veranstaltungen festgestellt, auch hält er Reden vor AfD-Transparenten.

Klartext bedient die gesamte Bandbreite rechter Propaganda: Gegen eine angebliche »Massenmigration«, gegen Feminismus und queere Lebensentwürfe, gegen die angebliche »Klimalüge« und Windkraft, gegen die Unterstützung der Ukraine. Zu all dem werden die gängigen Verschwörungsmythen geliefert: Von der »Plandemie« über den »Great Reset« und 9/11 bis hin zum »Großen Austausch«.

Der Kreis um Klartext ist im Verbund mit Rhein-Main-steht-auf (RMSA) verantwortlich für einen Großteil der rechten Aufzüge im Rhein-Main-Gebiet. Der »Friedensmarsch“, der jeden Montag in Frankfurt stattfindet, wird von der Klartext-Struktur getragen. Am 7. Juli 2025 führte der Klartext-Kreis in Gelnhausen eine rassistische Demonstration durch. Die Teilnehmenden forderten mehr Abschiebungen und »Remigration«. Auch wurde behauptet, dass ein »Bevölkerungsaustausch« stattfinde.

Klartext labelt sich als eine Wahrheits-, Freiheits- und Friedensbewegung, in der es keine Trennlinien zwischen links und rechts gebe. In seiner Struktur wirken Personen aus den Spektren der AfD, der Partei DieBasis, aber auch des Bündnis Sahra Wagenknecht mit. Bei vielen AutorInnen der Zeitung und Teilnehmenden der Klartext-Aufzüge lässt sich eine esoterische Weltanschauung feststellen. Auffallend ist die Verflechtung mit dem Reichsbürger-Spektrum.

Im Juni 2025 erschien die nunmehr 20. Ausgabe der Zeitung Klartext – Bürgerzeitung für das Rhein-Main-Gebiet. Dabei ist Klartext mehr als nur eine Zeitung. Der Kreis um Klartext stellt die dynamischste rechte Struktur in der gesamten Region dar. Er verfügt über eine breites Medienangebot und ist im Verbund mit Rhein-Main-steht-auf (RMSA) verantwortlich für einen Großteil der rechten Aufzüge im Rhein-Main-Gebiet. Dabei labelt er sich als eine Wahrheits-, Freiheits- und Friedensbewegung, in der es keine Trennlinien zwischen links und rechts gebe. Wir geben einen Einblick in die Strukturen und Aktivitäten des Netzwerks.

Die »Bürgerzeitung«

Im Frühjahr 2022 waren die »Corona-Proteste« noch in vollem Gange. In Deutschland gingen wöchentlich tausende Menschen auf die Straße, um gegen Corona-Maßnahmen und -Impfungen zu demonstrieren und dazu Fake News und Verschwörungserzählungen zu verbreiten. Im Mai 2022 erschien die erste Ausgabe der achtseitigen kostenlosen Zeitung Klartext Bürgerzeitung für das Rhein-Main-Gebiet, die schnell zum Sprachrohr der Proteste wurde. Der Aufmacher der Erstausgabe lautete »Achtung! Staat will an ihr Vermögen!«. Nachfolgend wird behauptet, die Regierung plane, Hausbesitzer*innen die Hälfte ihres Vermögens und somit ihre Häuschen zu rauben, um unter anderem die Corona-Impfkampagne zu finanzieren. Dies stimmte zwar nicht, aber es folgte dem Drehbuch rechtspopulistischer Angstmache, in dem eine große ökonomische Krise beschworen wird und »wir« von »denen da oben« in Not und Armut getrieben werden.

Zu dem Zeitpunkt gab es im baden-württembergischen Hohenlohe-Kreis bereits eine Klartext-Zeitung. Initiator war der Querdenken-Aktivist und »Kommunikationstrainer« Dirk Hüther aus der Nähe von Crailsheim. Er befand, dass die Corona-Proteste in einer Blase feststeckten und wollte, so erzählte er im August 2022 im Video-Podcast Rhein-Main Gedanken, den »analogen Raum zurückerobern«. Die Zeitung sollte kurze Artikel in »klarer, einfacher Sprache« bieten und sich vom Szeneblatt Demokratischer Widerstand unterscheiden, das er für zu intellektuell hielt.

Schon am Anfang stand die Idee, ein Netz von regionalen Klartext-Zeitungen aufzubauen. Eine Rahmenausgabe würde Leitartikel vorgeben, die deutschlandweit in allen Klartext-Zeitungen zu lesen wären. Diese sollten von den einzelnen Redaktionen durch Beiträge zu regionalen Themen ergänzt werden. Christoph Barth von Querdenken615 in Darmstadt, damals noch in Erzhausen wohnhaft, war mit Hüther seit Beginn der Corona-Proteste eng verbunden. Er nahm das Angebot an und gründete die Rhein-Main Regionalausgabe. Weitere Klartext-Ableger entstanden in Niedersachsen und Oberbayern. Im Frühjahr 2023 wurde Klartext Hohenlohe nach zehn Ausgaben eingestellt, Klartext Niedersachsen gab im Sommer 2023 nach drei Ausgaben auf, in Oberbayern erschienen bis Anfang 2025 vier Ausgaben.

Mitglied der bundesweiten Redaktion war von Ausgabe 1 bis 17 (Dezember 2024) Christfried Krause, Sprecher der AfD im Hohenlohe-Kreis (bis 2025). Peter Reindl, Vorstand der AfD im Stadtverband Hannover-Land-Süd, war gar Mitherausgeber der Niedersachsen-Ausgabe.

Klartext zum Mitnehmen: Links an der Hauptstraße in Höchst-Hummetroth (Odenwaldkreis) im März 2025. Rechts bei einem rechten »Ostermarsch« in Bensheim am 21. April 2025. © Rhein-Main Rechtsaußen, ASVI

Über die Höhe der Auflage gibt es keine verlässlichen Informationen. Die Zahlen, die in den letzten Jahren von den Machern genannt wurden schwanken zwischen 50.000 und 70.000, doch überprüfen lässt sich das nicht. Es muss von einer deutlich fünfstelligen Auflage ausgegangen werden. Dies zeigt sich unter anderem daran, dass die Zeitung an vielen Orten im Rhein-Main-Gebiet in Briefkästen gesteckt oder an Fahrzeuge geklemmt wird. Dazu existiert ein flächendeckendes Netz an VerteilerInnen. Auf Versammlungen der rechten Verschwörungsszene wird die Zeitung stapelweise verbreitet. Laut einer Aussage von Barth von August 2022, sei es »kein Problem, das finanziert zu kriegen.« Doch es ist unklar, woher das Geld kommt. Zwar wirbt auch Klartext beständig um Spenden, tritt aberdabei längst nicht so aufdringlich auf wie andere Projekte der Szene, deren Hauptbeschäftigung die Akquise von Geld zu sein scheint.

Homepage, YouTube-Kanäle, Soziale Medien und »Friedensmärsche«

Zur selben Zeit wie die Zeitung ging 2022 die Homepage klartext-rheinmain online. Dort gibt es neben dem Download der Zeitung bis heute über 500 Beiträge zu lesen. Neben Artikeln der Klartext-Redaktion und »Gastbeiträgen« werden Artikel anderer Medien übernommen sowie Reden veröffentlicht, die auf Demonstrationen gehalten wurden. Auch in sozialen Medien wie TikTok und Instagram oder bei Telegram ist Klartext sehr aktiv.

Im Oktober 2023 startete der YouTube-Kanal klartext_rheinmain. Er bietet im Wesentlichen Ausschnitte der Klartext-Aufzüge und Interviews. Doch findet er neben dem Kanal Dauerwelle Demo Report von Paul Hildebrand, der nahezu jeden Auftritt von Klartext streamt, vergleichsweise wenig Resonanz.

Schon im Frühjahr 2022 begannen in etlichen Orten des Rhein-Main-Gebietes wöchentliche »Montagsspaziergänge«, die teils von der Klartext-Struktur getragen werden. So zum Beispiel in Frankfurt, wo man noch immer jeden Montag um 18 Uhr an der Konstablerwache trifft, um zwei Stunden durch die Stadt zu laufen. Man labelt sich als »Friedensmarsch« und stellt sich den PassantInnen als »Frankfurter Friedensbewegung« vor. Die Zahl der Teilnehmenden bewegte sich in den vergangenen Monaten zwischen 30 und 60 Personen.

»Friedensmarsch« des Klartext-Kreises am 3. April 2023 in Frankfurt an der Konstablerwache. Am Mikrofon Achim Weinacker. © ASVI
Klartext-Bühnenanhänger bei einem Aufzug der rechten Verschwörungsszene am Hambacher Schloss am 8. Juni 2025. © dokunetzwerk rhein-main

Über die wöchentlichen »Friedensmärsche« hinaus organisiert und unterstützt Klartext regelmäßig im gesamten Rhein-Main-Gebiet rechte Aufzüge zu unterschiedlichen Themen. Erst am 7. Juli 2025 führte der Klartext-Kreis in Gelnhausen eine rassistische Demonstration durch. Der Aufhänger waren vorausgegangene sexuelle Übergriff im Gelnhausener Freibad. In Reden und auf Tafeln wurde behauptet, dass sexuelle Gewalt hauptsächlich von Migranten ausginge und dass ein »Bevölkerungsaustausch« (siehe: Der Große Austausch) stattfinde. Die Teilnehmenden forderten mehr Abschiebungen und »Remigration«. An dem Aufzug nahmen 60 Personen teil, darunter eine eine Gruppe der neonazistischen Partei Die Heimat (ehemals NPD).

Der Klartext-Kreis

Führende Aktive von Klartext kommen aus der Struktur von Querdenken. Allen voran Christoph Barth, der Herausgeber der Zeitung, der das Projekt personifiziert. An zweiter Stelle steht der hessische Landesvorsitzende der Partei DieBasis Achim Weinacker, der in der Klartext-Zeitung als »Gastautor« schreibt und häufig die »Montagsdemos« anmeldet, auf denen er ausufernde Reden hält. Weitere regelmäßige RednerInnen sind unter anderem die Frankfurter Schriftstellerin Dorothea Maria Eckert, die Frankfurterin Sonja Pasch und der Kelsterbacher Kai Börner.

Als VerteilerInnen und / oder AutorInnen der Zeitung treten etliche bekannte Personen der rechten Verschwörungsszene in Erscheinung. Zu ihnen zählen Ingrid Reich von Leuchtturm ARD, Michaele Kundermann und Jürgen Manneck von der Partei DieBasis, Thomas Bernt von Gemeinsam für Deutschland, Jan Veil von den Freien Linken und Katja Knoch vom Friedensbündnis Bergstraße. Bei vielen AutorInnen der Zeitung und Teilnehmenden der Klartext-Aufzüge lässt sich eine esoterische Weltanschauung feststellen.

Der Klartext-Kreis lässt sich nicht auf ein »typisch rechtes« Spektrum reduzieren. So ist der Frankfurter Manfred Comes regelmäßiger Teilnehmer der »Friedensmärsche« und hält dort gelegentlich Reden. Comes stellt sich als Vertreter der »alten Friedensbewegung« vor und gab sich auf dem Ostermarsch 2025 in Frankfurt als Anhänger des BSW zu erkennen. Am 9. Juni 2025 sprach der Wirtschaftsjournalist Norbert Häring auf dem »Friedensmarsch« von Klartext, der an diesem Tag unter dem Thema »Bargelderhalt« stand. Er lobte das Klartext-Publikum als »Menschen, die mit wachen Verstand und offenen Augen durch die Welt gehen.« Auch Häring gehört dem BSW an.

Manfred Comes (Bildmitte, mit Hut) ist Redner auf Aufzügen von Klartext und Anhänger des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Hier am 21. April 2025 am Frankfurter Römerberg auf dem Ostermarsch der Friedensbewegung. © Rhein-Main Rechtsaußen

Schließlich war Klartext die treibende Kraft einer Demonstration zum Erhalt des Bargeldes am 27. April 2024 in Frankfurt. Dort trat der Frankfurter Musiker Gastone auf, der der Linkspartei nahe steht. Obwohl Gastone vorab über den politischen Hintergrund von Klartext informiert wurde hielt er an seinem Auftritt fest und warf Antifaschist*innen vor, »pauschale Hetze« zu betreiben. Am 29. Juni 2024 sprach auf einer »Friedensdemonstration« in Frankfurt, die maßgeblich von Klartext organisiert wurde, der bekannte »linke« Friedensaktivist Reiner Braun aus Berlin.

Die Bandbreite rechter Propaganda

Klartext bedient die gesamte Bandbreite rechter Propaganda: Gegen eine angebliche »Massenmigration«, gegen Gendergerechtigkeit, Feminismus und queere Lebensentwürfe, gegen die angebliche »Klimalüge« und Windkraft, gegen die Unterstützung der Ukraine. Dazu verbreitet man die Erzählung, dass die Ukraine de facto im Besitz des BlackRock-Konzerns sei.

Die Schreibenden und Redenden von Klartext springen auf jede sich bietende Fake-News auf. So verbreitete man Anfang 2024 auf den »Friedensmärschen« wochenlang den von der AfD aufgebrachten Nonsens, die Ampelregierung würde mit 315 Millionen Euro aus Steuergeldern Radwege in Peru finanzieren. Zu all dem werden die gängigen Verschwörungsmythen geliefert: Von der »Plandemie« über den »Great Reset« und 9/11 bis hin zum »Großen Austausch«.

»Gastautor« der Klartext-Zeitung ist Wolfgang Hübner, langjähriger Vorsitzender und heute Ehrenvorsitzender der Bürger für Frankfurt (BFF). Er ist vor Jahren schon im extrem rechten Spektrum angelandet. In Klartext fantasiert er über einen kommenden Bürger- und Bauernkrieg (Nr. 12, 2024) und empfiehlt den LeserInnen, die AfD zu wählen (Nr. 15, 2024).

Das Thema »Frieden« erhält viel Raum und wird mit rechten Verschwörungserzählungen verknüpft. Am 4. Juli 2025 folgten 35 Personen dem Aufruf von Klartext zu einer vierstündige Demonstration durch den Frankfurter Flughafen unter dem Motto »Fraport Militarisierung Stoppen«. Sie beklagten unter anderem, dass für militärische Zwecke Flüge stattfänden, während »unsere« Urlaubsflüge zum Wohle des Klimaschutzes gestrichen würden. Anmelderin war Michaele Kundermann. In ihrer Rede zog sie Parallelen zwischen der Rüstungspolitik und den Corona-Maßnahmen, bei denen man »uns mit Masken terrorisiert und zu einer […] schädlichen Impfung genötigt« habe. Als weitere Rednerin trat Katja Knoch auf, die noch vor wenigen Jahren im Klimabündnis Bergstraße aktiv war und dann in die rechte Verschwörungsszene abdriftete. Sie sprach in der Flughafenhalle darüber, dass die Leitmedien die Bevölkerung durch einseitige Berichterstattung manipulieren würden – sowohl zum Thema Krieg wie auch zu anderen Themen. Sie selbst sei beispielsweise »dem Klima-Mantra eine Zeit lang auf dem Leim gegangen«, weil sie falsch informiert worden sei.

Kai Börner aus Kelsterbach (links) und ein weiterer Teilnehmer des »Friedensmarsches« von Klartext am 12. Mai 2025. »DÖP/DÖDÖ/DÖP« ist eine Verklausulierung der Parole »Deutschland den Deutschen, Ausländer raus«. Quelle: YouTube

Auffallend ist die Verflechtung von Klartext und dem Reichsbürger-Spektrum. Auf Transparenten und in Reden der »Friedensmärsche« wird die Solidarität mit den Angeklagten der Gruppe des Heinrich XIII. Prinz Reuß bekundet. Für den Klartext-Autor Bruno Ramge sind die Angeklagten »politisch inhaftierte Grundrechtsaktivisten« (Klartext Nr. 11, Ende 2023). Ramge und seine Partnerin Ines Wirth, beide aus Nidda, sind fast bei jedem Aufzug von Klartext dabei. Auch treten sie bundesweit auf Reichsbürger-Aufzügen als »Gesandte« eines »Großherzogtums Hessen« auf.

Auf dem »Friedensmarsch« am 30. Juni 2025 verbreiteten die Redner Kai Börner und Christoph Barth die von Reichsbürgern aufgebrachte Erzählung, wonach Deutschland kein souveräner Staat sein könne, da es keine gültige Verfassung und keinen gültigen Friedensvertrag mit den Siegermächten des zweiten Weltkriegs habe.

Der Herausgeber Christoph Barth

Klartext-Herausgeber Christoph Barth ist in den vergangenen Jahren stetig nach rechts gerückt. Seit 2024 nimmt er an Veranstaltungen der AfD teil und mimt dort den Journalisten, der sich nur informieren wolle. Barth ist ein Narzisst. Er genießt es, im Mittelpunkt zu stehen und ist enorm reisefreudig. Es vergeht kaum ein Wochenende, an dem er nicht auf einer rechten Versammlung irgendwo im Bundesgebiet als Redner auftritt. Dabei ist er häufig mit einem eigenen Klartext-Bühnenanhänger unterwegs und wird fast immer von einer handvoll AnhängerInnen begleitet. Einer davon ist Christof Jahn aus Reinheim (Landkreis Darmstadt-Dieburg), der als »rechte Hand« von Barth für eine Vielzahl an organisatorischen Aufgaben im Hintergrund verantwortlich ist.

Barth ist eine Gründungsfigur von Querdenken615. Noch 2020 und 2021 klangen seine Reden auf den »Corona-Protesten« eher wie die Motivationsansprachen eines »Life Coaches«, doch dann wurde sein Ton immer schärfer, propagandistischer und rechter.

So hetzt er in überheblicher Weise gegen gendergerechte Sprache, Unisextoiletten und ökologische Wende. Er schwadroniert über »eingeschleppte Migranten«, die »unsere Frauen und Kinder […] abschlachten« würden und über eine »einst prächtige große deutsche Leitkultur, die sich vollkommen selbst zersetzt« (Frankfurt, 26.05.2025). Er sieht fremde Mächte am Werk, die »uns« bevormunden und in Kriege treiben würden. Um auch »die Antifa« in der großen Verschwörung unterzukriegen, hat er die Wortschöpfung »Transatlantifa« entdeckt, die er bei jeder Gelegenheit in seine Texte und Reden einflechtet. Als Antifaschist*innen am 25. Mai 2024 in Frankfurt einen rechten Aufzug blockierten und die Polizei dies nicht räumte, ersponn er eine Verschwörung von Stadtverwaltung, Polizeiführung, Hessischem Rundfunk »und dem Transatlantifa-Lager«, die gemeinsam gegen den Widerstand vorgehen müssten, weil dieser so bedeutend und gefährlich sei.

Klartext-Macher Christoph Barth bei einer Friedensdemonstration der rechten Verschwörungsszene am 28. Dezember 2024 in Wiesbaden. Hinter ihm stehen Christof Jahn und der AfD-Funktionär Michael Hetzel von Rhein-Main-steht-auf. © dokunetzwerk rhein-main

Wie weit Barth der Realität entrückt ist, wird an einer Rede deutlich, die er am 16. Februar 2025 auf einer migrationsfeindlichen Kundgebung in Miltenberg vor einem großen AfD-Transparent hielt. Dort beklagte die angebliche Einschränkung der Meinungsfreiheit in Deutschland und betonte: »Diese Art von Gewaltkulisse gegen die eigene Bevölkerung gibt es nur in Deutschland. In 187 Ländern auf dieser Erde wäre das nicht möglich. Das wird nur hier so getan.«

Der Verein KLARTEXT bayerischer Untermain

Seit Frühjahr 2025 dient der Verein KLARTEXT bayerischer Untermain e.V. dem Klartext-Projekt als Spendensammelstelle. Hauptzweck des im November 2023 in Aschaffenburg gegründeten Vereins ist offenbar, der Klartext-Struktur ein vereinsrechtliches Gerüst zu geben, über das Gelder geleitet werden können. Weitere Aktivitäten des Vereins sind nicht festzustellen.

Die Vorsitzenden des Vereins sind Marco Deckelmann aus Elsenfeld (Lkr. Miltenberg) und Dirk Palme aus Walldürn (Lkr. Neckar-Odenwald), die sich beide bis dato politisch nicht exponierten. Am Beispiel des Vereins wird einmal mehr deutlich, wie eng verzahnt die verschiedenen Initiativen sind bzw. dass ein bestimmter Kreis von Personen unter verschiedenen Labels auftritt.

Mit im Vorstand des KLARTEXT bayerischer Untermain e.V. sitzen die Szene-Aktivistinnen Gabriele Adam, Katja Fornoff und Monika Gram. Über Gabriele Adam aus Stockstadt wurde im Frühjahr 2021 medial breit berichtet, da sie als (damalige) Leiterin einer Grundschule in Seligenstadt an Corona-Protesten teilnahm und bei einem Aufzug in Leipzig als Gegnerin der Corona-Maßnahmen vor die Fernsehkamera trat. Katja Fornoff aus Niedernberg erstellt das Layout der Klartext-Zeitung. Sie ist aktiv bei RMSA und den Bergsträßer Trommlern, einer überwiegend aus ReichsbürgerInnen bestehenden Trommelgruppe, die bundesweit Treffen der Reichsbürgerszene sowie Aufzüge der rechten Verschwörungsszene begleitet. Monika Gram aus Stockstadt trug am 7. Juli 2025 bei dem rassistischen Aufzug in Gelnhausen ein Transparent (»Schützt unsere Familien und Kinder!«), das für die »Familien-Schutz-Demos« 2023 in Aschaffenburg geschaffen wurde.

Katja Fornoff (rechts) ist aktiv bei den Bergsträßer Trommlern. Hier bei einem Aufzug in Mainz am am 25. März 2023 in Mainz. © Protest.foto Südhessen

Ein weiteres Vereinsmitglied zeichnet als »O. Signus«. Sehr wahrscheinlich handelt es sich dabei um den Journalisten Oliver Signus aus Niederdorffelden (Main-Kinzig-Kreis), der hauptsächlich für die extrem rechte Zeitung Epoch Times schreibt. In einem Gespräch mit der Stiftung Corona-Ausschuss im Mai 2023 zieht Signus die Fakten des Klimawandels in Zweifel und erzählt, dass ein »amerikanischer Milliarden-Investor mit seinem Geld hinter der Finanzierung des Programms der Grünen« stecken würde (gemeint ist George Soros).

»Tag der Pressefreiheit« in Aschaffenburg

Am 3. Mai 2025 veranstaltete Klartext in einer Parkanlage in der Aschaffenburger Innenstadt einem »Tag der Pressefreiheit«. Über mehrere Stunden gab es Reden, Musik und eine Podiumsdiskussion. Es nahmen knapp 100 Personen teil, darunter ein paar bekannte Neonazis sowie AfD-FunktionärInnen wie Ramona Storm, die Parteipropaganda verteilte.

Die Technik erledigte der Klartext-Vereinsvorsitzende Dirk Palme. Hauptredner waren Christoph Barth und der Querdenken-Anwalt Ralf Ludwig, der eigens aus Sachsen-Anhalt anreiste. Dann ergriff die Klartext-Verteilerin Karin Kieckhäfer aus Kahl am Main das Mikrofon. Sie bekundete ihre Sympathie für die Neonazigruppe Der Störtrupp (DST), deren Teilnahme an den vergangenen Aufzügen in Aschaffenburg für Diskussionen im Klartext-Kreis gesorgt hatte. Kieckhäfer sagte, sie habe anfangs befürchtet, dass DST »möglicherweise angestellt ist vom Verfassungsschutz« um »uns negativ in der Presse darzustellen«. Doch dann sei sie bei der Gruppe mitgelaufen und niemand dort sei auffällig geworden. Stattdessen hätte DST »gute Parolen gerufen wie >Hier läuft der nationale Widerstand<« – und das könne sie schließlich unterschreiben. Tatsächlich hatten die Neonazis gerufen »Hier marschiert der nationale Widerstand«.

Beim abschließenden Podiumsgespräch spielte man sich in eingeübter Weise den Ball hin und her und kam zum Ergebnis, dass die Pressezensur in Deutschland daran zu erkennen sei, dass die Presse nicht das schreibe, was man dort gerne lesen würde. An der Gesprächsrunde nahmen teil: Christoph Barth, Ralf Ludwig, Oliver Signus, die Szene-Multifunktionärin Stephanie Tsomakaeva und des Weiteren Jan Veil aus Frankfurt, der als Vertreter der Kampagne Stopp Air Base Ramstein vorgestellt wurde, sowie Dirk Hüther aus dem Hohenlohe-Kreis, der Begründer der Klartext-Bürgerzeitung.

Podiumsdiskussion am »Tag der Pressefreiheit« am 3. Mai 2025 in Aschaffenburg, organisiert von Klartext. V.l.n.r.: Christoph Barth, Dirk Hüther, Ralf Ludwig, Jan Veil, Stephanie Tsomakaeva, Oliver Signus. Dauerwelle Demo Report von Paul Hildebrand übertrug auch dies live. Quelle: YouTube

Auch das Publikum durfte mitreden. Dabei stellte sich eine Person in gelber Ordnerweste als »freier Souverän« vor und warb für die Reichsbürger-Ideologie. Seiner Meinung nach gäbe es in Deutschland »aufgrund der faschistischen, zionistischen, jüdischen Regierung […] seit vier Jahren keine Meinungsfreiheit mehr. Grundgesetz existiert nicht, die Verfassung ist nicht geltend«. Hüther hielt ihm weiter das Mikrofon hin und bedankte sich für den Beitrag.

Für die Musik sorgte an diesem Tag der Liedermacher Guy Dawson von den Freidenkern, der erst 15 Tage zuvor auf dem Ostermarsch der Friedensbewegung in Bruchköbel aufgetreten war.

Kleiner Kern mit großer Reichweite

Bedeutung und Einfluss des Klartext-Projektes lassen sich nur schwer fassen. Mit einer fünfstelligen Auflage ist die Klartext-Bürgerzeitung die wohl auflagenstärkste politische Zeitung im Rhein-Main-Gebiet. Um Barth hat sich ein verschworenes Grüppchen von »Erwachten« zusammengeschlossen, das oft mehrmals die Woche durch Städte, Felder oder Flughafengebäude zieht um die angebliche Wahrheit über die »Impflüge«, die »Klimalüge« und den Krieg in der Ukraine zu verkünden. Dies alles wird mit Schlagworten von Liebe, Frieden und Menschlichkeit verpackt. Der Vergleich mit einer salbadernden religiösen Sekte drängt sich unweigerlich auf.

Zwar erreichen die Mobilisierungen von Klartext in der Regel nur den harten Kern, doch erzielen die Streams der Aktionen auf dem Kanal von Dauerwelle Demo Report oft innerhalb eines Tages vierstellige Zugriffszahlen. Dies wirft die Frage auf, ob die Mini-Aufzüge nur die Inszenierung für eine breite Berichterstattung in den eigenen alternativen Medien sind.

Besorgniserregend ist, dass im Klartext-Projekt trotz der stetigen Rechtsentwicklung auch weiterhin Personen der politischen Linken und der Friedensbewegung mitwirken. Schließlich hat das Label Querdenken, mit dem sich Barth und Weinacker nach wie vor identifizieren, das Bündnis mit einem Teil der Friedensbewegung um die Frankfurter Friedens- und Zukunftswerkstatt geschlossen (Rhein-Main Rechtsaußen hat darüber mehrfach berichtet).

So kann und wird Klartext weiterhin mit breiter Brust als »Frankfurter Friedensbewegung« und Bürgerbewegung jenseits der politischen Gräben von links und rechts auftreten.