Rechte Versuche, eine »Friedensbewegung« aufzustellen

Teilnehmer der »Friedens­kundgebung« am 28. Dezember in Wiesbaden-Erbenheim. Mit der Deutschlandfahne in der Bildmitte steht Thomas Espey von Herborn steht auf. © Dokunetzwerk Rhein-Main

Die zwei als »Großevents« angekündigten Veranstaltungen der rechten Verschwörungsszene in Aschaffenburg und Wiesbaden zum Jahresende verdeutlichen, dass es ihnen nicht gelingt, sich als »neue Friedensbewegung« aufzustellen und als solche anschlussfähig zu werden. Eine »Bewegung« lässt sich dort nicht erkennen und die Zahl der Teilnehmenden geht zurück. Was bleibt, ist die ritualisierte Selbstbeschwörung.

Wiesbaden-Erbenheim, 28. Dezember

Für den 28. Dezember 2024 hatten Gruppen der rechten Verschwörungsszene zu einer Kundgebung unter dem Motto »Aufstehen: Für den Frieden« vor der US-amerikanischen Clay-Kaserne im Wiesbadener Vorort Erbenheim aufgerufen. Von Frankfurt, Darmstadt, Wiesbaden und Mainz fuhren einige Dutzend Teilnehmende in Auto-Korsos nach Erbenheim, schlussendlich kamen am Kundgebungsort 250 Personen zusammen.

Der Korso, der vom Frankfurter Stadtteil Riederwald aus durch die Frankfurter Innenstadt Richtung Wiesbaden fuhr, bestand aus 25 Personen in 16 PKWs, die u.a. aus den Landkreisen Wetterau, Aschaffenburg und Miltenberg nach Frankfurt gekommen waren. Der Korso wurde angeführt von Michael Hetzel, Führungsperson von Rhein-Main-steht-auf und offen auftretender Aktivist der AfD. Aus den Boxen auf seinem PKW-Anhänger erklang immer wieder das antifaschistische Partisanenlied Bella Ciao. Hinter ihm reihten sich u.a. ein: Die ReichsbürgerInnen Bruno Ramge und Ines Wirth aus Nidda (Wetteraukreis) sowie Gundolf Hambrock aus Frankfurt von der sich (immer noch) links verstehenden Gruppe Widerstand 4.0.

Auch der Korso, der sich von Darmstadt aus in Richtung Wiesbaden bewegte, bot keine Überraschungen. Daran beteiligten sich 15 Fahrzeuge und etwa 20 Personen. Organisiert wurde dieser von Christof Jahn von der Klartext-Bürgerzeitung. Ihm folgten unter anderem die rechte Aktivistin Petra Kraft aus Darmstadt, die Schwestern Tanja und Sandra Ihring aus Groß-Zimmern, die seit dem Frühjahr 2024 als UnterstützerInnen der Gruppe des Heinrich XIII. Prinz Reuß auftreten, sowie die ehemalige Querdenken-Aktivistin Katja Knoch aus Bensheim und der extrem rechte Aktivist Ergün Küm aus Stuttgart.

Der Mainzer Korso wurde von der Reichsbürgerin Ingrid Reich aus Neu-Anspach angeführt.

In Wiesbaden-Erbenheim war das Geschehen stark von der Partei DieBasis geprägt. Diese hatte drei Infozelte errichtet und Michaele Kundermann vom DieBasis-Kreisverband Hochtaunus trat als Anmelderin auf. Auch eine handvoll Neonazis der Partei Die Heimat (ehemals NPD) um deren Funktionäre Stefan Jagsch (Altenstadt) und Daniel Lachmann (Büdingen) nahmen an der Kundgebung teil. Augenscheinlich hatten sie wenig Anschluss, der einzige, der sich länger und herzlich mit ihnen unterhielt, war – nicht verwunderlich – Bruno Ramge. Die Neonazigruppe hielt sich zunächst im Hintergrund, drängte dann ganz nach vorne, um sich mit ihrem Die Heimat-Transparent den Fotograf*innen und Streamern zu präsentieren.

Reichsbürger Bruno Ramge im Gespräch mit Daniel Lachmann vom Bundesvorstand der Partei Die Heimat (ehemals NPD). © Dokunetzwerk Rhein-Main

Anwesend war auch Karl-Heinz Peil aus Frankfurt, ein Urgestein der Friedensbewegung, der im Bündnis mit der rechten Verschwörungsszene eine »neue Friedensbewegung« kommen sieht. Peil ist Vorsitzender der Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V. und verantwortlicher Redakteur der Zeitschrift FriedensJournal, die beide ihre Anschrift im Frankfurter Gewerkschaftshaus haben. Der Tag dürfte Peil enttäuscht haben. Zum Einen, da sich bei knapp 250 Teilnehmenden, die teils aus Bayern, Nordhessen und Nordrhein-Westfalen angereist waren, praktisch keine Aufbruchstimmung und Bewegung erkennen ließ. Zum Zweiten, da aus seiner »alten« Friedensbewegung nur sehr wenige bekannte Gesichter nach Erbenheim gekommen waren.

Im Vordergrund, mit blauer Jacke: Karl-Heinz Peil, rechts am Transparent von Die Heimat: Stefan Jagsch. © Dokunetzwerk Rhein-Main

Unter den Teilnehmenden war auch Achim Weinacker aus Frankfurt, seit November 2024 Landesvorsitzender der Partei DieBasis und deren Spitzenkandidat auf der hessischen Landesliste zur bevorstehenden Bundestagswahl. Die Tatsache, dass die Partei offensichtlich niemand anderen gefunden hat, der bereit war, den Landesvorsitz zu übernehmen, macht deren personellen Engpass deutlich. Weinacker wirkte wie ein Fremdkörper in der Kundgebung. Er sprach mit kaum jemandem, hatte keinen sozialen Anschluss und übernahm keine Aufgabe. Auch einige VertreterInnen des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wollten an der Kundgebung teilnehmen, verließen diese jedoch sofort, nachdem sie die starke Präsenz von DieBasis bemerkten.

Aschaffenburg, 31. Dezember

Drei Tage später versuchte die rechte Szene erneut, das Friedensthema zu besetzen. Zu ihrer alljährlichen »Silvesterdemo« in Aschaffenburg, die unter dem Motto »Wir wollen keinen Krieg« stand, kamen knapp 300 Personen. Viele von ihnen waren bereits am 28. Dezember in Wiesbaden-Erbenheim dabei gewesen. Die vergangenen Jahre hatte das Netzwerk Rhein-Main-steht-auf (RMSA) diesen Aufzug ausgerichtet, dieses Jahr trat mit Sascha Pittelkow jedoch ein Anmelder in Erscheinung, der bislang noch nicht mit dem Label RMSA in Verbindung gebracht wurde. Auch wurde der diesjährige Aufzug als »Privatanmeldung« ohne jeden Verweis auf RMSA beworben und im Aufruf hieß es, dass auf das Tragen von Parteifahnen zu verzichten sei und nur Schilder und Transparente gestattet seien, die sich der Friedensthematik widmeten. Die meisten Teilnehmenden hielten sich daran. Jedoch waren die üblichen Slogans und Motive von Klimawandelleugnung, Impffeindschaft und Hass auf die Grünen deutlich präsent. Versammlungsleiter war Christian Marx aus Hanau, der schon 2023 als Anmelder rechter »Familien-Schutz-Demos« in Aschaffenburg aufgefallen war.

»Friedensdemonstration« der rechten Verschwörungsszene am 31. Dezember in Aschaffenburg. © Dokunetzwerk Rhein-Main

Die wenigen Reden bewegten sich im vorgegebenen inhaltlichen Rahmen. Christoph Barth von der Klartext-Bürgerzeitung las auf der Auftaktkundgebung einen Beitrag des Theologen Eugen Drewermann vor, der bereits am 28.12. als Grußwort auf der Kundgebung vor der Clay-Kaserne als Videobotschaft eingespielt wurde. Jingles vom Band und improvisierte Ansagen über Lautsprecher wirkten dann im Verlauf der Demo nach außen.

Die Strategie, sich zu verschleiern und zu verharmlosen, war jedoch zum Scheitern verurteilt. Den Teilnehmenden, den Medien und den protestierenden Antifaschist*innen war klar, dass hinter dem Aufruf RMSA und andere Gruppen der rechten Verschwörungsszene standen. So mag die rechte Demonstration nach außen anders gewirkt haben als vorherige Aufzüge, die Mobilisierung hatte dies jedoch nicht verstärkt. Eher war das Gegenteil der Fall: In der Spitze beteiligten nur wenig mehr als 300 Personen, am Silvestertag 2023 waren noch etwa 1000 Menschen dem Aufruf von RMSA gefolgt.

Teilnehmende der »Friedensdemonstration« der rechten Verschwörungsszene am 31. Dezember in Aschaffenburg. © Dokunetzwerk Rhein-Main

Unter den Teilnehmenden waren einige Neonazis von der Der III. Weg und Die Heimat, darunter der ehemalige Aschaffenburger NPD-Kreisvorsitzende Lars Schüßler. Im Gegensatz zu Wiesbaden-Erbenheim führten diese jedoch kein eigenes Transparent mit und gaben sich auch nicht über Tafeln oder Shirts zu erkennen. Mit dabei waren auch die Neonazis Dirk Nahrath und Ursula Nahrath. Die bayerische AfD-Landtagsabgeordnete Ramona Storm war als Ordnerin tätig. Auch nahmen Personen der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) teil.

An der Route des Aufzugs kam es zu einzelnen antifaschistischen Gegenprotesten. Das Bündnis Aschaffenburg ist bunt konnte unter dem Motto »Kehraus 2024« ungefähr 1000 Menschen zu einer Gegendemonstration mobilisieren.

Letztlich können die OrganisatorInnen der rechten »Silvesterdemo« nicht zufrieden sein. Die Zahl der Teilnehmenden bei Versammlungen von RMSA ist seit Monaten rückläufig. Das änderte auch nicht der Versuch, sich in der Friedensfrage als anschlussfähig zu präsentieren. Der erhoffte Schulterschluss mit Akteur*innen der klassischen Friedensbewegung blieb aus.