Faule Geschäfte

Blickdichte Tore, hohe Büsche und Überwachungsanlagen finden sich an vielen Orten, wo ReichsbürgerInnen wohnen oder sich treffen. Die Vereine Verbraucherforum Dietzenbach e.V. und Glücklicher Handwerker e.V. haben ihren Sitz in Dietzenbach und zählen eindeutig zu diesem Spektrum. © ASVI

Das Vereinsnetzwerk der Reichsbürger im Rhein-Main-Gebiet


Von Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien (ASVI)


In der Rechten geben sich selbsternannte Finanzexperten die Klinke in die Hand, um ihr vermeintliches Fachwissen zu verkaufen. Die einen sind sogenannte Crash-ProphetInnen, die den wirtschaftlichen Zusammenbruch vorhersagen und zur Geldanlage in Kryptowährungen und Edelmetall raten. Andere glauben ausgebuffte Steuertricks zu kennen und suchen Kundschaft, die sie hierzu beraten oder gleich in ihre Geschäfte einbinden können.

Ein Modell basiert darauf, Gelder und Rechnungen in einem Geflecht von Vereinen, Firmen und »Europäischen wirtschaftlichen Interessenvereinigungen« (EWIV) im In- und Ausland zu verschieben, vorgeblich um die Zahlung von Steuern zu umgehen. Darüber entstand ein Netzwerk, in dem Reichsbürger und andere Rechte die Strippen ziehen. Darin sind Strukturen und Personen aus dem Rhein-Main-Gebiet eingebunden, die im Folgenden betrachtet werden.

Steuervermeidungs-Seminare in Mainz

Zwischen dem 23. und 30. März 2025 sollen in Mainz, unter anderem im Hilton Hotel, drei Seminare mit dem »Verkaufs- und Kommunikationstrainer« Erich Hambach aus Oberbayern stattfinden. Hambach ist einer jener Schaumschläger, der in der rechten Verschwörungsszene seine Geschäfte macht. Er richtet sich insbesondere an Kleingewerbetreibende, die in dieser Szene überproportional vertreten sind. Sein Seminar am 23. März in Mainz verspricht im Titel »0% Steuern mittels EWIV«. Für die Teilnahmegebühr von 630 Euro (!) gibt es Vorträge, ein vegetarisches Business-Lunch und Butterbrezen.

Tickets für die Veranstaltungen von Erich Hambach in Mainz vertreibt das Frankfurter Unternehmen Krasser Guru. Quelle: Screenshot KRASSER GURU Ticketing

Veranstalter der Seminarreihe ist der Hambacher Kulturförderverein e.V. mit Sitz in München dessen Vorstand Erich Hambach ist. Er hatte 2021 recht erfolglos versucht, in Starnberg eine Hannah-Arendt-Akademie (auch: Die Akademie) als eine Art Hochschule für das »Querdenken«-Spektrum aufzubauen. Die Verbindung der »Akademie« zu extremen Rechten ist offensichtlich. So sitzt im Vorstand des Trägervereins Die Akademie e.V. neben Hambach auch Peter Herrmann aus Gmund am Tegernsee. Herrmann hatte in den 2000er Jahren einen Buchversand für braune Esoterik betrieben und war unter anderem am 22. Oktober 2014 in Bad König (Odenwald) an der Gründung des Vereins Adieu Deutschland e.V. des Reichsbürgers Dennis Haberschuss beteiligt.

Die Gesellschaftsform EWIV, über die Hambach in Mainz vortragen wird, wird von Rechten seit Jahren als Steuervermeidungsmodell genutzt. Ihr System basiert unter anderem darauf, dass Inhaber*innen von Unternehmen Vereine gründen, deren einzige Aufgabe ist, als Gesellschafter die eigene Firma zu übernehmen und Gelder zur EWIV beziehungsweise über die EWIV zu leiten. Wie dies genau funktioniert und wie weit dies legal ist, müssen Expert*innen erklären.

Die Pioniere dieses Modells kommen aus der Reichsbürgerszene. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Personen, die den Staat und seine Gesetze für rechtswidrig erachten, sich seit Jahren voller Eifer der Vereinsmeierei widmen. Alleine in diesem Spektrum lassen sich heute weit über 300 eingetragene Vereine feststellen, von denen viele wirtschaftlichen Interessen dienen.

Beruf: Vereinsfunktionär

Frank Liborius, geboren 1962, ist Geschäftsmann und Vereinsfunktionär. Auf ihn waren in den vergangenen Jahren einige Unternehmen eingetragen. Zur Zeit betreibt er seine Geschäfte vor allem über Firmen mit Sitz in Estland. Als Wohnadresse gibt er Goslar im Harz und Jerez de la Frontera im Süden Spaniens an. Als Beruf nannte er früher »Flugzeugführer«, heute nennt er sich »Kaufmann« und »Unternehmensberater«.

Liborius ist Präsident der Vereine GVN Ost e.V. (Sitz in Staufenberg bei Kassel), Prüf. und Beschaffungsverband – West e.V. (Sitz in Göttingen), Prüf.- und Beschaffungsverband Nord e.V. (Sitz in Bad Homburg) sowie Jüdische Gemeinde Falkenstein e.V. (Sitz in Bad Soden). Weitere Vorstandsämter hat oder hatte er in Vereinen, die ihren Sitz in Sachsen, Baden-Württemberg und Nordhessen haben. Auch ist er Gründungsmitglied vom Verbraucher-Forum Bad Homburg e.V. (2013), vom Verbraucherforum-Rhein-Main e.V. (2013) und vom Verbraucherforum-Wetterau e.V. (2014).

»GVN« steht für »Gemeinschaft der Verfolgten des Naziregimes«. Die »Jüdische Gemeinde Falkenstein e.V.« gibt als Vereinsziel die »Förderung des jüdischen Kulturgutes« an. Und Vereine, die sich »Verbraucherforum« oder »Prüf.- und Beschaffungsverband« nennen, setzen sich gemeinhin für Verbraucherschutz und Qualitätssicherung ein. So könnte man denken, Liborius sei ein jüdischer Antifaschist, dem die Anliegen von Konsument*innen am Herzen liegen.

Doch Frank Liborius wurde nicht von Nazis verfolgt, er fördert keine jüdische Kultur und Verbraucherschutz interessiert ihn vermutlich nicht im Geringsten. Er ist ein Multifunktionär in einem breit gefächerten Netzwerk von Reichsbürgern, EsoterikerInnen, Neonazis und mit ihnen verbundenen dubiosen Geschäftsleuten, die über Firmen, EWIV-Gesellschaften und Vereine miteinander verbunden sind.

Bei Liborius lässt sich keine politische Geschichte nachvollziehen, bei anderen Strippenziehern in diesem Netzwerk schon. Zum Beispiel beim Geschäftsmann Wolfgang Lange, der im Zentrum dieses Systems steht.

Das Netzwerk des Wolfgang Lange

Wolfgang Lange, 1956 geboren, aus Niedersachsen kommend, machte in der Vergangenheit keinen Hehl daraus, politisch rechts außen zu stehen. Über sein bis 2021 gepflegtes Facebook-Profil verbreitete er Propaganda der AfD, bewarb rechte alternative Medien und streute Falschnachrichten und Verschwörungserzählungen zur Corona-Pandemie. In den 2000er Jahren trat er als Aktivist der Kleinstpartei Interim Partei Deutschland (IPD) in Erscheinung. Die Gruppe gehörte dem Reichsbürger-Milieu an und hatte eine klare extrem rechte Agenda. Sie propagierte den Fortbestand des Deutschen Reiches, einer ihrer Vereine nannte sich Schutzgemeinschaft Deutsche Heimat e.V. Gründer und Anführer der IPD war der Holocaustleugner Edgar Romano Ludowici, der sich »Graf von Roit zu Hoya« nannte.

Mit Ludowici und dem IPD-Bundesgeschäftsführer Manuel Kraschinski bildete Lange den Vorstand des Rechtsnormen-Schutzvereins e.V. Zusammen mit Kraschinski saß er auch im Vorstand des Vereins zum Schutz vor Steuerwillkür e.V. Beides waren Tarnvereine der IPD, die 2014 und 2013 von Amts wegen gelöscht wurden. Die IPD vertrat zudem die Meinung, dass der deutsche Staat keine Rechtsgrundlage habe, von seinen Bürgern Steuern zu erheben. Der Rechtsnormen-Schutzverein bot über das Internet an, in rechtlichen Angelegenheiten zu beraten und vor Gericht als Rechtsbeistand aufzutreten. Dies sah so aus, dass im Oktober 2008 vor dem Münchner Amtsgericht 20 IPD-AnhängerInnen eine Gerichtsverhandlung mit rechten Parolen massiv störten. Im Jahr 2010 starb Edgar Romano Ludowici und die IPD ging in der Folge ein.

Werbeveranstaltung für die SD ADMIN EWIV, Ort und Datum nicht bekannt. Im Hintergrund auf dem Podium der Gründer Wolfgang Lange. Quelle: Facebook

Im Januar 2010 gründete Wolfgang Lange die Europäische wirtschaftliche Interessenvereinigung SD ADMIN EWIV, mit vollen Namen SD ADMIN EWIV für regionale und kommunale Wirtschaftsentwicklung. In Videos, die über das Videoportal YouTube und in der Esoterik-Szene verbreitet wurden, warb er um Mitglieder für seine EWIV. Ihnen versprach er höhere Umsätze, eine »erhebliche Verringerung der Steuerlast« sowie den Zugriff auf EU-Fördermittel. Bis 2022 durchliefen die EWIV knapp 200 Mitglieder, darunter 60 Firmen und über 100 Vereine. Manche Wohn- und Firmenadressen wurden nun ins Ausland, vorzugsweise in die Region Cádiz im Süden Spaniens verlagert.

Alleine im Raum Cádiz entstanden 16 Vereine, die Mitglied der SD ADMIN EWIV wurden und teilweise nicht im spanischen Vereinsregister auffindbar sind. Ausgedachte Namen wie Asociación para el foment del Aeromodelismo en la provincial de Cádiz (»Verein zur Förderung des Flugmodellbaus in der Provinz Cádiz«) verdeutlichen, dass der einzige Zweck dieser Pseudo-Vereine darin besteht, Adressen und Konten einzurichten, über die Rechnungen abgewickelt und Gelder geleitet werden.

Bis heute lassen sich über 20 Vereine und Unternehmen in Deutschland feststellen, in denen Lange Posten im Vorstand oder in der Geschäftsführung hatte oder noch hat. Manche wurden aufgelöst oder umbenannt, andere bestehen fort, wie zum Beispiel der Verein Verbraucherforum-Naheland e.V. mit Sitz in Bad Kreuznach, bei dem Lange seit 2014 als Vizepräsident eingetragen ist.

Im Frühjahr 2022 war die SD ADMIN EWIV insolvent. Es wurde bekannt, dass Lange Schulden von mehreren Millionen Euro bei Banken und Mitgliedern angehäuft und Chaos in der Buchhaltung hinterlassen hatte. Gegen ihn ergehen Vorwürfe von Untreue, Unterschlagung und Betrug. Manche Mitglieds-Unternehmen mussten Insolvenz anmelden, etliche der Vereine lösten sich auf. Das Geld, dass sie in die EWIV eingebracht hatten, dürfte verloren sein.

Ob das System von Lange von Anfang daraus ausgerichtet war, die EWIV-Mitglieder zu betrügen, kann an dieser Stelle nicht beurteilt werden. Auch wenn er der Strippenzieher im Netzwerk ist, so waren und sind darin Dutzende Personen aktiv, die in etlichen Organisationen gleichzeitig Vorstandsposten bekleideten und das System am Laufen halten. Sie sind keine Opfer sondern KomplizInnen.

Es fällt auf, dass Lange viele Partner*innen im esoterischen Spektrum hat(te), doch ist in seinem Geschäftsbetrieb keine politische Agenda zu erkennen. So kann nicht davon ausgegangen werden, dass alle, die sich seiner EWIV anschlossen, seine politischen Ansichten teilen.

Werbung von Wolfgang Lange im Jahr 2021 auf seinem Facebook-Profil für den Verein Verbraucherforum Wilmersdorf e.V. Dem Verein wurde im Sommer 2022 die Rechtsfähigkeit entzogen und er wurde aufgelöst. Quelle: Facebook

Mitglied der SD ADMIN EWIV waren auch mehrere Firmen und Vereine, die ihren Sitz im Rhein-Main-Gebiet haben: Ein Autozubehör-Vertrieb aus Usingen (Taunus), ein Bioladen aus Büttelborn (Lkr. Groß-Gerau), eine Dachdecker-Firma aus Ingelheim, das Verbraucher-Forum Bad Homburg e.V. (aufgelöst 2022), das Verbraucherforum Dietzenbach e.V., das Verbraucherforum Rhein-Main e.V. (Sitz in Ginsheim-Gustavsburg, aufgelöst 2019), die Verbraucherschutzinitiative Ingelheim e.V. sowie das Verbraucherforum Neu-Anspach e.V. Diesen Vereinen ist gemein, dass von ihnen keine öffentlichen Aktivitäten festzustellen sind. Sie dien(t)en offensichtlich nur dem Business.

Weitere Informationen zu Verbraucherforum Neu-Anspach e.V.

Das Verbraucherforum Neu-Anspach e.V. wurde bereits 2007 gegründet. Seitdem ist Carl-Wolfgang Seip als Präsident eingetragen. Seip gründete 2002 in Usingen das Unternehmen AoS Auto-online-Service GmbH und war bis 2012 deren Geschäftsführer. Im Jahr 2013 wurde die Firma Mitglied der SD ADMIN EWIV des Wolfgang Lange, im Jahre 2018 meldete sie Insolvenz an. Grund hierfür waren gravierende Managementfehler, für die Wolfgang Lange verantwortlich gemacht wird. So hatte die SD ADMIN EWIV die Außenstände der Firma nicht eingezogen oder möglicherweise unterschlagen.

Carl-Wolfgang Seip, geboren 1946, hatte zeitweise seine Adresse in Usingen und soll heute vorwiegend in Thailand leben. Er kommt aus Großhansdorf bei Hamburg, wo die Reichsbürgergruppe Interim Partei Deutschland (IPD) ihren Hauptsitz hatte, und er ist offensichtlich verwandt mit der Esoterikerin Heidrun Seip, die zum Führungskreis der IPD zählte. Carl-Wolfgang Seip gibt im Selbstverlag Bücher heraus. In seinem Buch »Planet der Lügen« von 2021 wirft er einer reichen Elite vor, einen Plan zur Reduzierung der Menschheit zu verfolgen. Er schreibt: »Um dieses Ziel zu erreichen, benutzen sie Chemtrails und Impfstoffe, um uns zu vergiften und 5G, um unsere Gedanken zu manipulieren. Ihre Helfershelfer sind die weltweit massiv von Lobbyisten durchsetzten Regierungen, Geheimdienste, Pharma-Konzerne, die Schul-Medizin, das Rechtssystem, internationale Hilfsorganisationen und die Medien, die uns den ganzen Mist als Humanismus und Sicherheitsvorkehrungen verkaufen.«

Das Verbraucherforum Neu-Anspach e.V. entwickelte keine feststellbaren öffentlichen Aktivitäten. Da es seit 2013 keinen Vereinsregistereintrag mehr aufweist, ist es vermutlich eine Karteileiche.

Wie das Netz gestrickt ist

Die Zuordnung zu dem Netzwerk kann vor allem darüber getroffen werden, dass Gründungs- oder Vorstandsmitglieder dieser Vereine einschlägig bekannt sind, oft in ähnlicher Konstellation in mehreren Vereinen auftauchen und quer durch die Republik reisen, damit zu einer Gründung die hierzu erforderlichen sieben Mitglieder zusammenkommen.

So waren Frank Liborius, Steve Neumann und Ulrike Kaufer bei der Gründung des Verbraucherforum-Rhein-Main e.V. am 1. November 2013 in Büttelborn dabei. Liborius war auch Mitbegründer des Verbraucher-Forums Bad Homburg e.V. (2013) und des Verbraucherforums-Wetterau e.V. (2014). Steve Neumann kommt aus Berlin und ist oder war Vorstand von über zwei Dutzend Vereinen, Firmen und Genossenschaften des Netzwerks von Wolfgang Lange. Er nahm unter anderem 2015 an der Gründung des Verbraucherforum-Mainz e.V. teil. Ulrike Kaufer aus Niedersachsen war im Bundesvorstand der Interim Partei Deutschland (IPD) und des IPD-Vereins Schutzgemeinschaft Deutsche Heimat e.V.

Ein weiteres Beispiel ist der Gerüstbau-Unternehmer Peter Jantos aus Dietzenbach, ein Reichsbürger vom harten Kern. Ihn findet man in Vorstandsposten in sechs Vereinen im Rhein-Main-Gebiet, die alle diesem Spektrum zuzuordnen sind, wie zum Beispiel Glücklicher Handwerker e.V. mit Sitz in Dietzenbach. Die Beispiele lassen sich beliebig fortführen.

Das Wirtschaftsforum Odenwald e.V. ist ein Reichsbürgerverein mit einem Treffpunkt auf einem Privatgelände in Lützelbach im Odenwaldkreis. Der §4 auf dem Hinweisschild (»Besucher und Gäste werden durch das Betreten des Anwesens zu Tagesmitgliedern«) ist rechtlicher Nonsens und typisch für ReichsbürgerInnen. © ASVI

Diese rechten Netzwerke sind nur schwer einzugrenzen und unübersichtlich. Ihre AkteurInnen agieren in unterschiedlichen Rollen und gewiss mit unterschiedlicher Motivation. Es gibt Kleinunternehmer*innen, die sich einer von ReichsbürgerInnen geschaffenen EWIV anschließen, die jedoch ausschließlich Business betreibt. Rechte GeschäftemacherInnen binden auch gerne Verwandte in ihre Strukturen ein: Die greise Mutter wird dann zur Vereinspräsidentin, der gerade volljährig gewordene Sohn zum Geschäftsführer gemacht. Beide haben oft nichts mit den Machenschaften des Vereins oder der Firma zu tun und liefern nur Unterschriften.

Auch wandern manche AnhängerInnen der Reichsbürger-Ideologie von einer Gruppe zur nächsten, je nachdem, wo gerade fiktive Ministerposten für eine zukünftige Reichsregierung vergeben werden. Der Prüf- u. Beschaffungsverein – Rhein-Main e.V. mit Sitz in Offenbach entstand 2007 als IPD-Tarnverein. Doch ist sein Gründungs- und Präsidiumsmitglied Johannes Schweppenhäuser aus Frankfurt heute in der Gruppe Königreich Deutschland aktiv. Da der Verein seit 2007 keine Aktivitäten aufweist, ist er vermutlich eine Karteileiche.

Doch sind es nun extreme Rechte, die sich ein Geschäftsfeld erschließen? Oder erschließen sich skrupellose Geschäftsleute die Milieus von Esoterik und Reichsbürgern als Geschäftsfeld, wohl wissend, dort leichtgläubige KundInnen und Kompagnons zu finden? Oder gerät im laufenden Geschäftsbetrieb die politische Ideologie immer mehr in den Hintergrund, bis sie praktisch kaum mehr eine Rolle spielt?

Weitere Informationen zu Glücklicher Handwerker e.V.

Der Verein Glücklicher Handwerker e.V. mit Sitz in Dietzenbach wurde 2013 gegründet und präsentiert sich über seine Homepage als Verbund von 19 Gewerbetreibenden, von denen 18 aus der Region kommen. Die Rubrik »Glücklich leben« auf der Vereins-Homepage dient der Werbung für Produkte und Dienstleistungen von Esoterik und Alternativmedizin, zum Beispiel u.a. für »russische Frequenzmedizin« und »Weltraummedizin«.

Den Vorstand des Vereins bilden der Gerüstbau-Unternehmer Peter Jantos, die Bürokauffrau Helma Klein, beide aus Dietzenbach, sowie der Baumaschinenführer Georg Jantos aus Rödermark. Georg Jantos verbreitet über sein Facebook-Profil Werbung für die AfD, Propaganda des extrem rechten YouTubers Tim Kellner sowie Verschwörungserzählungen vom »Great Reset« und von »Chemtrails«. Peter Jantos schrieb im Jahr 2013 eine »Verfassung der Selbstverwaltung« des deutschen Volkes in einem neuen Deutschen Reich, in dem er »hoheitlich tätig« sein will. Er und Helma Klein sind bzw. waren auch im Vorstand des Verbraucherforums Dietzenbach e.V., des Wirtschaftsforums Odenwald e.V. und des Agape Kreis Offenbach e.V. (aufgelöst 2017). Peter Jantos ist zudem Vizepräsident der Verbraucherschutzinitiative Frankfurt/Main e.V. (Sitz in Mainz-Kastel) und vom Verbraucherforum Bruchköbel e.V.

Gründungsmitglieder von Glücklicher Handwerker e.V. sind weiterhin Uwe Heidkamp aus Neu-Isenburg und Frank Hartenfeller, der verschiedene Wohnadressen in den Landkreisen Aschaffenburg, Miltenberg und Wetterau angibt. Heidkamp ist nach eigener Angabe selbstständiger Geschäftsmann und aktuell im Vorstand des Wirtschaftsforums Odenwald e.V. und des Vereins zur Förderung nachhaltiger Gesellschaftsentwicklung e.V. mit Sitz in Seehausen im Norden von Sachsen-Anhalt. Auf Social Media gibt er sich als Leugner der Corona-Pandemie und des Klimawandels zu erkennen. Frank Hartenfeller ist in mehreren Vereinen aktiv, die ihren Sitz in den Landkreisen Augsburg und Gießen haben. Er diente 2016 als Kontaktperson für eine Veranstaltung der Reichsbürger-Gruppe Exilregierung Deutsches Reich, die im Raum Tübingen angekündigt war.

Namenspiraterie

In den Vereinsregistern, die in den Amtsgerichten geführt werden, finden sich bundesweit über 80 (!) Vereine, die das Wort »Verbraucher« im Namen tragen und auffallende Verbindungen in dieses Netzwerk haben. Sie nennen sich »Verbraucherforum«, »Verbrauchergemeinschaft«, »Verbraucherschutzverein« oder »Verbraucherschutzinitiative«. Knapp die Hälfte dieser Zusammenschlüsse wurden in den vergangenen Jahren aufgelöst. Die Verwechslungsgefahr ist Teil des Konzepts: Es gibt etliche weitere Vereine, die »Verbraucherforum« heißen, sich jedoch tatsächlich um Konsumentenschutz kümmern und nichts mit ReichsbürgerInnen und anderen Rechten zu tun haben. Den Verbraucherschutzverbänden ist seit Jahren bekannt, dass unter dem Label auch betrügerische Absichten verfolgt werden. Ihnen sind Fälle bekannt, in denen Personen, die sich guten Glaubens an unseriöse »Verbraucherschutz«-Stellen wendeten und von diesen an ebenso unseriöse FinanzberaterInnen weitergereicht wurden.

Das Verbraucherforum Mainz e.V. stellt sich als karitative Organisation dar und wirbt u.a. über YouTube-Videos um Spenden. Die Gemeinnützigkeit wurde dem Verein aberkannt. Im Bild die Präsidentin Annegret Fischer. Quelle: YouTube

Welche Charaktere sich in diesen angeblichen Verbraucherschutz-Organisationen finden wird am Beispiel des Vereins Verbraucherforum Mainz e.V. deutlich. Zu den Gründungsmitgliedern am 21. Januar 2015 in Mainz zählte neben dem schon erwähnten Steve Neumann aus Berlin auch der Wiesbadener Edelmetallhändler Georg Jeck. Jeck war nach eigener Angabe Verkaufsleiter bei der PIM GOLD GmbH mit Sitz in Heusenstamm. Das Unternehmen schloss Verträge über Investment in Gold über­wie­gend mit Verbrau­cher-Kunden und versprach diesen hohe Rendite. Doch es kaufte viel zu wenig Gold und beschaffte sich stattdessen über ein Schneeball-System immer mehr Geld. 2019 flog der Schwindel auf, der Schaden für die Anleger*innen belief sich bereits auf knapp 150 Millionen Euro. Die Firma wurde 2019 aufgelöst, die beiden Geschäftsführer wurden 2022 wegen Betrug und Geldwäsche zu Haftstrafen verurteilt.

Weitere Vereine aus dem rechten Spektrum nennen sich »Prüf- und Beschaffungsverband« oder ähnlich. Auch hier wird Namenspiraterie betrieben, denn es existieren etliche Organisationen mit solchen Namen, die keine rechten Tarnvereine sind. Wenn sich Rechte so nennen, dann nur, um Seriosität und Kompetenz vorzutäuschen.

Der Prüf- und Beschaffungsverband Nord e.V. mit Sitz in Bad Homburg tritt mit einer seriös erscheinenden Homepage auf, ist jedoch eng mit der Reichsbürgerszene verbunden.

Eine bewährte Betrugsmasche ist, sich karitativ und religiös zu geben. »Agape« ist das griechische Wort für göttliche Liebe, es ist namensgebend für viele christliche Kirchengemeinden, Vereine, Pflegedienste, etc. Zwischen September 2015 und Februar 2017 entstanden in Bayern, Hessen und Nordrhein-Westfalen im Reichsbürger-Spektrum mindestens sechs (und vermutlich mehr) eingetragene »Agape«-Vereine, darunter der Agape Landkreis Gießen e.V. mit Sitz in Hungen, der Agape Kreis Offenbach e.V. und der Agape Rhein-Main e.V.

Schatzmeister des 2017 wieder aufgelösten Vereins Agape Kreis Offenbach e.V. mit Sitz in Langen war der Dietzenbacher Reichsbürger und Vereins-Multifunktionär Peter Jantos. Er schrieb 2013 eine »Verfassung der Selbstverwaltung« des deutschen Volkes, in der es heißt:

»Als Teil eines deutschen Volkes, als Teil eines Volkes der Erde, eines am Boden liegenden Deutschen Reiches und eines unter der Knechtschaft lebenden Erdenvolkes, ist es oberstes Ziel dieser Verfassung, unter Wahrung der natürlichen Menschenrechte, ein neues absolut freies Deutsches Reich das die freien und unveränderlichen Rechte aller lebenden Menschen, aller lebenden Wesen, achtet und respektiert, aufzubauen.«

Das angestrebte Deutsche Reich solle »kein Staat wie in der Vergangenheit sein«, sondern ein neues Reich, in dem Jantos »hoheitlich tätig« sein will.

Weitere Informationen zu Prüf- und Beschaffungsverband Nord e.V.

Der 2018 gegründete Verein Prüf- und Beschaffungs­verband Nord e.V. mit Sitz in Bad Homburg im Taunus tritt nach außen auf. Er wirbt mit einer eigenen, anspruchsvoll gemachten Homepage um Kund*innen. Er nennt als Vereinsanschrift das Wohnhaus von Raissa Steinke-Vigener in Bad Homburg, eine weitere Adresse des Vereins ist ein Coworking-Büro in Bad Homburg. Laut seiner Homepage berät er Unternehmen »bei der sauberen Herstellung mängelfreier, umweltfreundlicher und sozialverträglicher Produkte zu wettbewerbsfähigen Preisen«. Als Kooperationspartner nennt er unter anderem den TÜV Süd und das Institut Fresenius, wobei in dieser Szene falsche Angaben zu Kooperationen und Referenzen üblich sind.

Präsident des Prüf- und Beschaffungs­verbands Nord e.V. ist Frank Liborius, Vizepräsident ist Rainer Bender. Zu den Gründungsmitgliedern zählen die Reichsbürger Andreas Henning Beck, ehemals aus Mühlheim am Main, und Magnus Dittel, ehemals aus Frankfurt. Dittel wird in der »Verfassung der Selbstverwaltung« des Peter Hans Joachim Jantos (siehe: Glücklicher Handwerker e.V.) von 2013 die Verantwortung für das Finanzwesen im neuen Deutschen Reich zugedacht wird. Seit vielen Jahren betreibt Dittel betrügerische Geschäfte. Er warb mit falschen Versprechungen um Geldgeber*innen für den Aufbau von Werken zur Massenproduktion druckluftgetriebener Autos oder für die Errichtung einer Siedlungsgemeinschaft »Lebensinsel Paraguay«. Auch bot er Seminare zu »Frequenzerhöhung« und »Lichtnahrung« an. Heute ist er unter anderem im Kryptowährungs-Business aktiv.

Weitere Informationen zu Verbraucher-Forum Bad Homburg e.V.

Das Verbraucher-Forum Bad Homburg e.V. wurde 2013 gegründet und im November 2022 aufgelöst. Der Verein war Mitglied der SD ADMIN EWIV des Wolfgang Lange und kann keine von außen wahrnehmbaren Aktivitäten vorweisen. Gegründet wurde der Verein von Horst Vigener und seiner Ehepartnerin Raissa Steinke-Vigener aus Bad Homburg. Sie ist seitdem Präsidentin, er war erster Vizepräsident. Zu den Gründungsmitgliedern zählt Frank Liborius. Horst Vigener war bis zu seinem Renteneintritt 1993 Direktor der Siemens AG gewesen. Im Jahr 2007 wurde er in einem Aufsehen erregenden Prozess zu einer Bewährungsstrafe verurteilt. Um die Jahrtausendwende hatten Vigener, nun als »Berater« für Siemens tätig, sowie ein Siemens-Manager mit Millionensummen von Liechtensteiner Schwarzgeldkonten zwei Manager eines italienischen Konzerns bestochen, um für Siemens Aufträge für Gasturbinen zu erhalten. Horst Vigener starb 2015.

Raissa Steinke-Vigener, die auch als Raissa Steinke auftritt, war weiterhin Vorstandsmitglied eines Verbraucherforum-Schönebeck e.V. in Sachsen-Anhalt, das von 2015 bis 2016 existierte. Ihr Wohnhaus in Bad Homburg dient auch als Adresse des mit der Reichsbürgerszene verbundenen Prüf- und Beschaffungs­verbands Nord e.V. Sie ist Esoterikerin durch und durch. Sie nennt sich »Resilienz-Coach« und betreibt ein Business für Beratung namens GANDT (Glücklich Auch Nach Der Trennung). Hinter diesem steht ein Verein, dessen Präsidentin sie ist und der sich Asociación Para el Fomento de la Autoestima y bienestar en las mujeres (übersetzt »Verein zur Förderung des Selbstwertgefühls und des Wohlbefindens von Frauen«) nennt. Der Verein hat seinen Sitz im spanischen Cádiz und wurde dort 2014 ins Vereinsregister eingeschrieben.

Rechte Äußerungen oder Auftritte im extrem rechten Spektrum sind von Steinke-Vigener nicht bekannt. Über Social Media unterhält sie ihren Freundeskreis mit esoterischen Kalendersprüchen, 2024 kommunizierte sie via Facebook mit der Reichsbürgerin Ingrid Reich (»Liebe Ingrid…«), die eine bekannte Person der rechten Verschwörungsszene im Rhein-Main-Gebiet ist. Des Weiteren ist Steinke-Vigener im Immobiliengeschäft tätig und zeigt gerne ihre Nähe zur »gehobenen Gesellschaft« im Taunus. Auch war sie von 2020 bis Februar 2025 im Beirat des Wirtschaftsclubs Rhein-Main e.V. aufgeführt, eines alteingesessenen Vereins von Unternehmern und Managerinnen, dem der ehemalige hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) vorsteht. Was sie hierfür qualifizierte, erschließt sich nicht. Offensichtlich reicht es aus, die Witwe eines kriminellen Ex-Managers zu sein und (sicherlich aus Gründen der Steuervermeidung) vom Ausland aus ein Esoterik-Unternehmen zu leiten, um eine beratende Funktion in dem FDP-nahen Wirtschaftsclub einzunehmen.

Weitere Informationen zu Verbraucherforum Mainz e.V.

Der Finanzminister fürs zukünftige Reich

Der Verein Agape Rhein-Main e.V. wurde im Februar 2017 in Hanau gegründet und hat seinen Sitz in Offenbach. Er gibt vor, ein »mildtätiger und kirchlicher Verein« zu sein. Im Herbst 2017 wollte er sich in »Agape Asen & Wanen e.V.« umbenennen, doch sind Asen und Wanen Göttergeschlechter der nordisch-heidnischen Mythologie, auf die sich kein christlicher, kirchlicher Verein beziehen würde. Die Namensänderung scheiterte an einem Formfehler, der Verein ist seit Jahren nicht mehr zu erreichen.

Bei mehreren Mitgliedern des Vereins lässt sich eine Zugehörigkeit zur Reichsbürgerszene erkennen. So beim Vereins-Schatzmeister, dem ehemaligen Frankfurter Geschäftsmann Magnus Dittel. Er ist auch Gründungsmitglied des Prüf- und Beschaffungsverbands Nord e.V.

Magnus Dittel, geboren 1961, tritt auch als Dr. Dr. Dittel und Magnus Tiberius Servatius Dittel auf. Er gilt in der Reichsbürgerszene als Finanzexperte. In der »Verfassung der Selbstverwaltung« des Peter Jantos von 2013 wird Dittel in einem neu errichteten Deutschen Reich die Verantwortung für das Finanzwesen und für die »absolute bedingungslose Hoheit der Währung« zugedacht.

In der 2013 vom Reichsbürger Peter Jantos (in der szeneüblichen Fantasiesprache) geschriebenen »Verfassung der Selbstverwaltung« des deutschen Volkes wird Magnus Dittel die »absolute bedingungslose Hoheit der Währung und des Geldes« zugedacht.

Dittel ist ein professioneller Hochstapler und Betrüger. Anfang der 2000er Jahre warb er für ein angeblich funktionsfähiges druckluftbetriebenes Auto, welches in Werken in Hessen und Sachsen produziert werden sollte. In Fachkreisen galt dies von Anfang an als eine Luftnummer. Dittel gründete 1999 die AIR CAR Aktiengesellschaft mit Sitz in Frankfurt, dessen Vorstand er bis 2002 war. Die warb für das (Pseudo-)Projekt Gelder von Investor*innen ein, bis das Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel dem einen Riegel vorschob und dem Unternehmen 2022 verbot, ein Werbeprospekt für den Wertpapierverkauf zu verbreiten. 2003 war die AIR CAR Aktiengesellschaft insolvent und wurde aufgelöst. Geld war keines mehr da.

2014 war Dittel Gründer und Chef einer undurchsichtigen Firma mit Sitz in London, als dessen Gesellschafter ein Verein Peace & Freedom, Frieden und Freiheit mit Adresse im Frankfurter Ostend eingetragen war. Dieser war offensichtlich reine Erfindung, die Adresse ein Fake und die Firma wurde 2016 wieder aufgelöst.

Ende der 2000er Jahre legte sich Dittel einen »spirituellen Namen« zu und nannte sich fortan »Neparo de Christo«. Unter diesem Namen gab er vor, eine Siedlungsgemeinschaft »Lebensinsel Paraguay« in dem südamerikanischen Land aufzubauen und suchte dafür Geldgeber*innen. Auch bot er Seminare zu »Frequenzerhöhung« und »Lichtnahrung« an. In einem Blog für deutsche Auswanderer in Paraguay warnte man vor ihm und bezeichnete ihn als »bekannten Investment Abzocker«. Zu dieser Zeit tauchten in mehreren Quellen Warnungen vor ihm auf. Es hieß, er verspreche bei einer Anlage von 15.000 Euro in 15 Monaten einen Gewinn von 1.111.680 Euro. Für seine Beratung verlange er jedoch ein Honorar von 2.000 Euro die Stunde.

Über Spendenplattformen und Facebook versuchte Magnus Dittel Gelder für sein Pseudoprojekt »Lebensinsel Paraguay« einzuwerben. Quelle: Facebook

In Werbetexten der »Lebensinsel Paraguay« behauptet Dittel, aus einer jüdischen Familie in Frankfurt zu stammen. Aus verschiedenen Beiträgen von ihm in Blogs oder Kommentarspalten lässt sich jedoch ein wahnhaft anmutender Antisemitismus herauslesen. Er glaubt an den Mythos der »Protokolle der Weisen von Zion« und startete 2016 eine Petition zur »Abschaffung und Demontage von Tötungstüren als Massenvernichtungswaffe!!!«. Darin behauptet er, dass neu gestaltete Eingangsbereiche an Frankfurter Bahnstationen »nur dazu gedacht [seien] Menschen in Massen zu ermorden«. Als Hinterpersonen dieses Plans glaubt er die »Bilderberger« zu erkennen. Dahinter steht die antisemitisch belegte Verschwörungserzählung um die Treffen der Bilderberg-Gruppe (»Bilderberg-Konferenzen«), auf denen angeblich die Weltherrschaft geplant würde.

Die Spur von »Neparo de Christo« führt weiter ins MLM- und Kryptowährungs-Business. MLM (Multi-Level-Marketing) basiert häufig auf einem Schneeball- und Pyramidensystem. Dies ist eine Vermarktung von Produkten, die darauf zielt, ständig neue Vertriebspartner*innen zu werben, die über Provisionen wiederum neue Mitglieder und weiteres Kapital einbringen. Letztlich profitieren davon nur die, die oben in der Pyramide stehen.

Als Wohnort gab »Neparo de Christo« 2020 eine Kleinstadt in Ungarn an.

Extreme Rechte gründen angeblich jüdische Vereine

Im September 2023 berichteten Tagesschau und die Jüdische Allgemeine, dass Reichsbürger Vereine gegründet hatten, die dem Namen nach jüdisch wirken, etwa durch den Namensbestandteil »Jüdische Gemeinde«. In Sachsen-Anhalt, Sachsen, Schleswig-Holstein, Brandenburg und Hessen waren zwischen 2009 und 2017 derartige Vereine entstanden. Angesichts dessen, dass es in dieser Szene von AntisemitInnen wimmelt, stellt die Namensgebung als »Jüdische Gemeinde« eine Niederträchtigkeit besonderer Art dar.

Das hessisches Beispiel ist der im Februar 2017 gegründete Verein Jüdische Gemeinde Falkenstein e.V. mit Sitz in Bad Soden am Taunus. Als Vereinsziel gibt er unter anderem die »Pflege der Beziehungen zum Staate Israel« und die »Förderung des jüdischen Kulturgutes« an. Präsident ist, wie schon erwähnt, Frank Liborius. Mit ihm zusammen bilden der Geschäftsmann Rainer Bender, ehemals aus Bad Soden, und der Rechtsanwalt und Steuerberater Andreas Henning Beck, ehemals aus Mühlheim am Main, den Vorstand. Beck ist seit 2013 aus der Reichsbürgerszene bekannt. Er ist unter anderem auch Gründungsmitglied des Prüf- und Beschaffungsverband Nord e.V. und Kassenprüfer beim Verbraucherforum Falkenstein e.V. (Sitz in Kelkheim). Bender ist in beiden Vereinen im Vorstand.

Heruntergekommene Häuser, oft auch leerstehend, dienen häufig als Anschriften der Reichsbürger-Vereine und ihrer FunktionärInnen. Hier in Friedberg im Wetteraukreis. © ASVI

Von den genannten Vereinen tritt nur der Prüf.- und Beschaffungsverband Nord e.V. nach außen in Erscheinung. Über die anderen ist kaum etwas zu erfahren. Sie haben nicht einmal Internetseiten, die Auskunft über ihre Tätigkeiten geben. Die mit diesen Vereinen verbundenen Firmen sind nach eigenen Angaben in den Branchen Zivilschutz und Sicherheitstechnik, Wach- und Sicherheitsdienste, Liegenschaftsverwaltung und Immobilienhandel sowie Finanz- und Unternehmensberatung aktiv. Doch auch von ihnen sind so gut wie keine Aktivitäten festzustellen. Recherchen vor Ort zeigen, dass es an den angegebenen Adressen im Taunus meist keine Klingeln und Briefkästen der Firmen und Vereine gibt, in einigen Fällen steht man vor heruntergekommenen und unbewohnten Häusern.

Rainer Bender und Andreas Henning Beck sollen sich derzeit im Ausland aufhalten. Da Rechnungen, die an Bender gerichtet sind, nicht zugestellt werden können, sind die Behörden derzeit bemüht, seinen Aufenthaltsort ausfindig zu machen.

Die Familie Bachmann

Baldur Bachmann, geboren 1982, lebt im Ort Altmärkische Wische in Sachsen-Anhalt in einer extrem rechten Siedlungsgemeinschaft. Diese bedroht ihre Nachbarn und versucht, sie zu verdrängen und weitere Grundstücke aufzukaufen, um ihre völkische Parallelgesellschaft weiter auszubauen. Zusammen mit mehreren Brüdern dirigiert Baldur Bachmann ein Netzwerk von Vereinen und Unternehmen, in denen Familienmitglieder sowie ein Kreis von Vertrauten die Vorstandsposten besetzen beziehungsweise untereinander tauschen. Bei Baldur Bachmann lassen sich Funktionen in über 50 dieser Organisationen erkennen, unter anderem ist er im Präsidium vom Verbraucherforum-Wetterau e.V. und vom Verbraucherforum-Vogelsberg e.V. (Sitz in Ullrichstein-Kölzenhain).

Ihre Sozialisation erfuhren die insgesamt elf Bachmann-Geschwister im neonazistischen Milieu in Österreich. Ihr Vater Raimund Bachmann war in den 1990er Jahren im Nachbarland ein bekannter Neonazi. Während einzelne Geschwister die Szene verließen, traten die Söhne Baldur, Wieland, Ekkehardt, Thorgard, Godwin und Roland in die politischen Fußstapfen ihres 2013 verstorbenen Vaters. Bis in die jüngere Vergangenheit waren Bachmann-Brüder mit ihren Familien auf neonazistischen Szene-Veranstaltungen anzutreffen, zum Beispiel bei der Artgemeinschaft – Germanische Glaubens-Gemeinschaft wesensgemäßer Lebensgestaltung e.V., die 2023 von der Bundesministerin des Inneren verboten wurde.

Antje und Baldur Bachmann (links im Bild mit Trachtenkleidung) auf einer extrem rechten Veranstaltung mit dem Holocaustleugner und selbsternannten »Volkslehrer« Nikolai Nerling (im Vordergrund) in Berlin am 22. Januar 2019 in Berlin. © RechercheNetzwerk Berlin

Die Eheleute Baldur und Antje Bachmann sind AnhängerInnen der Germanischen Neuen Medizin (GNM) und wurden wegen einer sehr traurigen Geschichte bekannt. Sie hatten ihrer zuckerkranken Tochter Sighild ärztliche Behandlung und das lebensnotwendige Insulin verweigert und ihr stattdessen Rohkost nach Anleitung der GNM verabreicht. Das Mädchen starb 2009 im Alter von vier Jahren an Organversagen in Folge von Überzuckerung. 2015 wurden die Eltern dafür zu Bewährungsstrafen verurteilt.

Betrug mit Immobilien und Kryptowährungen

Weitere Bekanntheit, unter anderem durch Fernsehberichte, erlangte die Bachmann-Familie durch betrügerische Immobiliengeschäfte. Ein Beispiel ihrer Praxis zeigt sich in Vachdorf, einem kleinen Ort in Thüringen, nicht weit vom Dreiländereck Hessen-Bayern-Thüringen entfernt.

2015 pachtete ein Verein namens Tor der Sinne e.V. in Vachdorf einen Hotel- und Restaurantbetrieb. Der Verein war erst kurz zuvor gegründet worden, sein Präsident war Michael Schleßmann aus Friedberg im Wetteraukreis, die anderen Vorstandsmitglieder kamen aus Heilbronn und Österreich. Auf einer Gemeinderatssitzung in Vachdorf im Oktober 2015 traten Schleßmann und Baldur Bachmann im Namen des Vereins auf. Sie versprachen, die Gastronomie und die Brauerei im Haus zu erhalten und dort ein Ökohotel einzurichten. Die Menschen im Ort freuten sich.

Im September 2020 berichtete der Mitteldeutsche Rundfunk darüber, was seitdem in Vachdorf geschah: Der Kaufpreis für ein Teilgrundstück der Anlage, das die neuen Pächter ersteigert hatten, wurde nicht entrichtet und auf dem Anwesen bewegte sich nichts. Die Pächter waren mittlerweile verschwunden und hatten zuvor das Gebäude geplündert, Teile der Brauereianlage abmontiert, die Zimmereinrichtungen samt der Steckdosen ausgebaut und weggeschafft. Anfang 2023 löste sich die Hotelbetriebsgesellschaft auf, die die Bachmanns für das Projekt gegründet hatten. Als persönlich haftender Gesellschafter der Firma war Tor der Sinne e.V. eingetragen gewesen. Doch den Verein gab es nicht mehr. Schon 2016 hatte Michael Schleßmann den Posten als Präsident an Wieland Bachmann abgegeben. Anfang 2022 waren dann alle Mitglieder ausgetreten und der Verein war erloschen. Zurück bleiben Geschädigte, denen es schwerfällt, Verantwortliche haftbar zu machen.

Auf der »Ultima Convention« 2023 in Dubai, einer Veranstaltung des Platincoin-Krypto-Netzwerks, wurde Michael Schleßmann (links mit Pokal) für seine »Geschäftserfolge« ausgezeichnet. Quelle: Facebook

Michael Schleßmann, geboren 1963, sitzt zusammen mit Baldur Bachmann im Präsidium vom Verbraucherforum-Wetterau e.V. und vom Verbraucherforum-Vogelsberg e.V. Bei dem Friedberger Geschäftsmann wird nicht deutlich, ob er überhaupt eine politische Agenda hat oder ob er nur dem Ruf des Geldes folgt. Er bietet unter anderem »Coaching, Consulting und Beratung« zu Multi-Level-Marketing (MLM) an. Auch wirbt und handelt Schleßmann mit den Kryptowährungen PLC Ultima und Platincoin, die auf einem ähnlichen Schneeballsystem beruhen und als Betrugsmasche gelten. Platincoin ist bereits seit 2018 auf der »Warnliste Geldanlage« der Stiftung Warentest aufgeführt und soll Anleger*innen um 200 Millionen Dollar gebracht haben.

weitere Informationen zu Verbraucherforum-Wetterau e.V.

Der Verein Verbraucherforum-Wetterau e.V. wurde 2014 gegründet und hat seinen Sitz in Friedberg im Wetteraukreis. Präsident ist Michael Schleßmann aus Friedberg, erster Vizepräsident ist Baldur Bachmann. Schleßmann und Bachmann sitzen auch zusammen im Präsidium vom Verbraucherforum-Vogelsberg e.V. und im Vorstand vom Verbraucherforum-Altmark e.V. (Sachsen-Anhalt). Auch ist Schleßmann Vizepräsident des Vereins Mineralwasser Gourmets e.V. mit Sitz in Berlin, der ebenfalls dem Netzwerk der Bachmanns zuzuordnen ist.

Zu den Gründungsmitgliedern des Verbraucherforum-Wetterau e.V. im Juli 2014 zählt der jüngere Bruder von Michael Schleßmann, Thomas Schleßmann, mit Adresse in Friedberg. Die Brüder führten zusammen ein Immobilien-Unternehmen, das 2016 wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht wurde. Thomas Schleßmann warb in den vergangenen Jahren über seine private Homepage für die Germanische Neue Medizin und verbreitete Informationen über angebliche »Ungereimtheiten zu den Anschlägen vom 11. September in den USA« (9/11-Mythos). Auch empfahl und verlinkte er einen Artikel mit dem Titel »Wer kontrolliert Amerika?«, in welchem dem ehemaligen israelischen Premierminister Ariel Scharon folgendes Zitat angedichtet wird: »Wir, das jüdische Volk, kontrollieren Amerika – und die Amerikaner wissen es.«

Bei den Adressen in Friedberg, die Michael und Thomas Schleßmann angeben, steht man heute vor leerstehenden Häusern.

Kräfte des gesellschaftlichen Zerfalls

Die Steuervermeidungs-Seminare, wie sie für Ende März in Mainz angekündigt sind, stehen in einer Reihe mit vielen weiteren Angeboten, die in der Rechten kursieren. Sie versprechen Selbstoptimierung und Erfolg – in Gesundheit, im Privaten wie im Berufsleben. Das Feld der »ExpertInnen« und »Coaches«, die dazu ihre Dienste anbieten, ist unüberschaubar. Hier knüpft sich die enge Bande zwischen Esoterik, Alternativmedizin, ReichsbürgerInnen und »FinanzberaterInnen«, die eine proprietaristische Ideologie vertreten. Sie alle bedienen das Bedürfnis ihrer Kundschaft, sich von Staat und Gesellschaft loszulösen und nur die eigenen Vorteile zu suchen.

Über allem steht die Frage: Was ist »das Politische« in diesen Netzwerken? Wer sind die Geschädigten? Was »gewinnt« eine extreme Rechte, wenn sich Reichsbürger und Esoterikerinnen, Glücksritter und Betrügerinnen gegenseitig das Geld aus den Taschen ziehen und in Insolvenzen treiben?

In jedem Fall erschaffen Rechte Netzwerke und Einflusssphären, vielleicht sogar alternative Wirtschaftskreisläufe. Ihre ProtagonistInnen verbreiten rechte Verschwörungsmythen und machen Propaganda für die AfD und andere extrem rechte Kräfte. Ihr Ziel ist die Auflösung des Staates zugunsten eines Unternehmertums, das sich jeglicher Verantwortung für das Gemeinwesen entzieht und dem bei der Ausbeutung von Mensch und Natur keine Grenzen gesetzt werden. Der Aufstieg von Donald Trump in den USA und Javier Milei in Argentinien (und die Lobpreisungen, die beide von »wirtschaftsliberalen« Kreisen hierzulande erfahren) beflügelt ihr Ansinnen.

Am Beispiel von Baldur Bachmann lässt sich erkennen, wie eng das Business mit extrem rechter Politik verschränkt sein kann. Der Neonazi aus Sachsen-Anhalt wird mit den Geldern aus seinen Geschäften seine völkische Siedlung weiter ausbauen können.

Und schließlich: Wer gegen Antisemitismus ist, möchte bei der Erneuerung der Hausfassade keinen Gerüstbauer beauftragen, der einem Netzwerk von AntisemitInnen angehört. Wer krank ist und Hilfe sucht, sollte keinen Scharlatanen von Esoterik und Germanischer Neuer Medizin in die Hände fallen. Wer in einer Krise ist, braucht keine »Beratung« von rechten BetrügerInnen, die die Not anderer skrupellos für sich ausnutzen. Dies zu verhindern, darüber aufzuklären, ist antifaschistische Arbeit.


Ein Teil dieses Artikels basiert auf dem Aufsatz »Der Traum vom Reich«, verfasst von der Initiative ASVI und veröffentlicht in: Erscheinungsformen der extremen Rechten zwischen Ökologie und Esoterik, Hrsg: Mobiles Beratungsteam gegen Rassismus und Rechtsextremismus, Kassel, November 2024

Der Artikel entstand in Zusammenarbeit mit der AStA-Zeitung der Goethe-Universität Frankfurt am Main, siehe auch: Reichsbürger als Vereinsmeier, 13.03.2025

Stand der Recherchen ist Februar 2025


Kategorien:

Schlagwörter: