Rhein-Main-steht-auf in der Krise

Der Zerfall von Rhein-Main-steht-auf (RMSA) ist seit Monaten offensichtlich. RMSA-Anführer Michael Hetzel führt eine private Fehde gegen alle, die er als seine Feinde ansieht: die Stadtverwaltung in Aschaffenburg, die Ordnungsbehörden, die Justiz, die Tageszeitung Main-Echo, die Bündnisse gegen Rechts und die Antifa. Er lässt keine Provokation aus, verbreitet Hass-Postings, trifft unberechenbare Entscheidungen und inszeniert sich gegenüber seinen Mitstreiter*innen als der Macher, der die Opfer bringt und von anderen im Stich gelassen wird. Regelmäßig droht er, alles hinzuschmeißen und tut es dann doch nicht.

Von einem ehemals zwölfköpfigen »Orga-Team«, das die Aktionen von RMSA lenkte, sind wenige Personen übriggeblieben. An Hetzels Seite stehen noch immer die AfD-Landtagsabgeordnete Ramona Storm aus Aschaffenburg und die Reichsbürgerin Marika Hartmann aus Hösbach.

Mehrfach versuchte RMSA in den vergangenen zwei Jahren mit neuen Labels neuen Schwung zu holen. Dies gelang 2023 kurzzeitig als Bürgerinitiative Franken, die gegen grüne Politik agitierte, seitdem nicht mehr. Die Versuche in den letzten Monaten sich als Friedensbewegung aufzustellen, erfahren wenig Resonanz. Zur letzten »Friedensdemo«, zu der RMSA, die Klartext-Bürgerzeitung und das ZAAVV für den 31. August nach Miltenberg mobilisiert hatten, kamen lediglich knapp 100 Personen. Manche Aktive von RMSA finden nun neuen Aktionsraum bei Neonazis.

Bundesweit mit Neonazis unterwegs. Die RMSA-Aktivistin Marika Hartmann aus Hösbach (im Vordergrund) am Leittransparent eines Aufzugs der Neonazigruppe Der Störtrupp (DST) am 14. Juni 2025 in Pforzheim. © Thomas Witzgall

Streits und Brüche

Rhein-Main-steht-auf entstand 2021 aus den Corona-Protesten und bearbeitete stets das gesamte rechte Themenspektrum: Gegen Corona-Maßnahmen und Impfungen, gegen Migration, gegen Gleichstellungspolitik, gegen Links, gegen Klimaschutz und ökologische Nachhaltigkeit. Seit Jahren bekennen sich die führenden Aktivist*innen von RMSA zur AfD.

Der letzte größere Aufzug, der von RMSA ausging, fand am 22. Februar 2025 statt, als 450 Personen unter dem Motto »Gegen linke Gewalt und Hetze« durch Aschaffenburg zogen. Die Veranstaltung geriet zur Wahlkampfveranstaltung für die AfD. Unter den Teilnehmenden waren etliche Neonazis, darunter knapp 30 Angehörige der Gruppe Der Störtrupp (DST), die ein eigenes Transparent mitführten und Parolen wie »Hier marschiert der nationale Widerstand« anstimmten. Über die Frage, ob man DST als Bereicherung ansehen solle oder ob deren Auftreten dem Ansehen von RMSA schaden würde, entbrannte in der Folge ein Streit, der RMSA weiter entzweite.

Einige Aktive schlugen sich auf die Seite von DST, andere waren von deren Auftreten (weniger von deren Inhalten) abgeschreckt. Hetzel, der den Aufzug am 22. Februar leitete, bat die Neonazis etwas zurückhaltender aufzutreten; doch er distanzierte sich nicht von ihnen.

Als im März 2025 das neue Label Gemeinsam für Deutschland (GfD) aufkam, sah Hetzel darin zunächst eine Konkurrenz. Im Namen von RMSA verweigerte er GfD die Unterstützung für eine Demonstration in Aschaffenburg am 26. April. Daraufhin half die Klartext-Bürgerzeitung GfD bei der Mobilisierung und Durchführung. Als Versammlungsleiter fungierte Christian Marx aus Hanau, der 2023 als Anmelder der Familien-Schutz-Demos in Aschaffenburg aufgetreten war. Wieder nahmen Neonazis von DST teil. Marx erklärte diese für unerwünscht, doch Hetzel und andere RMSA-Aktive wie Karin Kieckhäfer aus Kahl am Main und Bruno Stenger aus Aschaffenburg ergriffen erneut Partei für DST.

Danach schloss sich Hetzel mit GfD zusammen. Beim nächsten Aufzug von GfD am 31. Mai in Frankfurt übernahmen er, Ramona Storm und Marika Hartmann zusammen mit dem Darmstädter Thomas Bernt die Organisation. Die Zahl von 130 Teilnehmenden blieb hinter den Erwartungen zurück und der Aufzug wurde schon an der ersten Kreuzung von Antifaschist*innen blockiert. Die Organisator*innen hatten kein Konzept, damit umzugehen, außer sich bitter darüber zu beklagen und Durchhalteparolen auszugeben. Als ihr Zug umkehrte, waren etliche Teilnehmende schon gegangen.

Bilder, die für Streit sorgten. Michael Hetzel (rechts) und Angehörige der Neonazigruppe Der Störtrupp am 22. Februar 2025 in Aschaffenburg. © hessencam

Weitermachen im Klein-Klein

Hetzel und Bernt supporten sich seitdem gegenseitig. So nahm Hetzel am 7. August am »Brückenleuchten« in Büttelborn (Landkreis Groß-Gerau) teil, das Bernt organisierte. Dabei stellten sich knapp 20 Personen mit Transparenten und Fahnen auf Autobahnbrücken auf. Für den 11. September rief Thomas Bernt zu einem »Gedenken an die Brandnacht« (den Luftangriffen auf Darmstadt durch britische Bomber in der Nacht vom 11. auf den 12. September 1944) auf. Es kamen insgesamt 20 Personen, darunter Hetzel, denen 800 Gegendemonstrant*innen gegenüberstanden.

Der Liste der Misserfolge von Michael Hetzel und Thomas Bernt lässt sich Vieles hinzufügen. Doch dies führt nicht weiter. Denn fast alles wird von ihnen als Erfolg gedeutet. Ihre Aufzüge, so kurz und klein sie auch sein mögen, werden durch Streamer*innen und über Videoportale weithin sichtbar gemacht. Viele hundert Zugriffe auf die Liveübertragungen suggerieren, dass viele hundert Menschen, wenn gleich nur virtuell, teilgenommen hätten. Hetzel und Bernt bespielen unablässig ihre Kanäle auf TikTok und Telegram, währenddessen sich ihre sozialen und familiären Bindungen außerhalb der Szene aufgelöst haben. Die Labels von RMSA und GfD sind alles, was beiden in ihrer Lebenswelt geblieben ist. Bestätigung, Anerkennung und soziales Miteinander finden sie nur noch unter ihresgleichen. Sie machen unbeirrt weiter, weil es ihnen alternativlos erscheint.

In der Neonaziszene angekommen

An einem Aufzug der Neonazigruppe Aryan People Resistance am 12. Juli 2025 in Nürnberg nahmen Hetzel, Hartmann und Bernt teil, Hetzel stellte gar das Lautsprecherfahrzeug und die Anlage zur Verfügung. Doch wenden sich Hetzel und Bernt in ihren Reden und Kommentaren gegen »Extremismus« und beklagen permanent, als Nazis diffamiert zu werden. Ihr Handeln ist der Realität derart entkoppelt, dass es rational nur noch schwer zu greifen ist.

Dies wird auch bei anderen Aktiven von RMSA deutlich. So gehört Marika Hartmann aus Hösbach dem Kern der Reichsbürgerszene an. Als Mitglied der Gruppe Bergsträßer Trommler um Wolfgang Burkart begleitet sie bundesweit Aufzüge von Reichsbürgern, letztmals am 26. Juli 2025 in Karlsruhe. Beständig trägt sie Buttons mit dem Wappen des deutschen Kaiserreichs und der Zahl 1871, dem Jahr der Kaiserreichs-Gründung. Mit Bezug auf das Kaiserreich distanzieren sich Reichsbürger*innen vom Nationalsozialismus – nicht so Hartmann. Sie nimmt in nah und fern an neonazistischen Aktionen teil, insbesondere wenn sich diese gegen Feiern zum Christopher-Street-Day richten – so am 14. Juni 2025 in Pforzheim, als sie das Leittransparent der Gruppe Der Störtrupp trug, am 10. August 2025 im sächsischen Bautzen, oder am 23. August in Friedberg im Wetteraukreis, als die Partei Die Heimat (ehemals NPD) zum Protest gegen den CSD aufrief.

Demonstriert mit Neonazis gegen die »Nazis von der Antifa«. Die RMSA-Aktivistin Karin Kieckhäfer aus Kahl am Main (mit Megafon) auf einem Aufzug der Neonazipartei Die Heimat (ehemals NPD) am 23. August 2025 in Friedberg (Wetteraukreis). © dokunetzwerk rhein-main

Neben Hartmann waren an diesem Tag weitere Aktivist*innen aus dem Kreis von RMSA nach Friedberg gereist, unter ihnen Bruno Stenger, Kamil Asiltürk aus Hanau und Karin Kieckhäfer. Kieckhäfer rief mit Angehörigen von Die Heimat und der Gruppe Aryan People Resistance voller Inbrunst »Hier marschiert der nationale Widerstand« um danach ihre Lieblings-Parole anzustimmen: »Die Nazis, die sind wieder da, sie nennen sich heut’ Antifa«. Die Neonazis von Die Heimat nahmen dies gelassen hin, froh darüber, Verstärkung erhalten zu haben und nicht wieder mit einem Häufchen von ein bis zwei Dutzend Personen dazustehen.

Michael Hetzel in der AfD

Im Januar 2025 wurde Michael Hetzel in den Bezirksvorstand der AfD in Unterfranken gewählt. Die AfD Aschaffenburg hatte sich zuvor geweigert, Hetzel einen Posten in ihrem Kreisverband zukommen zu lassen – wohl wissend, dass dieser nur nach seinen eigenen Regeln spielen und für unerwünschte Schlagzeilen sorgen würde. Nach einem Brandanschlag auf das Equipment von RMSA am 13. April 2025 kündigte Hetzel zum wiederholten Mal die Auflösung von RMSA an. Zudem plane er die Übergabe an eine neue Generation. Um den finanziellen Schaden auszugleichen, sammelte er mehrere tausend Euro Spenden. Es kam weder zum Restart noch zur Auflösung.

Durch einen Brand wurden am 13. April 2025 der Bühnenanhänger von Rhein-Main-steht-auf und das Boot von Michael Hetzel zerstört. Bild vom Aufzug Gemeinsam für Deutschland in Frankfurt am 31. Mai 2025. © Rhein-Main Rechtsaußen

Schon in der Vergangenheit hatte Hetzel offen seine Gewaltfantasien gegen »die Antifa«, bzw. gegen das, was er dafür hält, geäußert. Nun begann er vermeintliche Aktive der Antifa auf seinem TikTok-Kanal zu outen. Er stellte die Aktion nach kurzer Zeit ein, da er nach eigenen Angaben von der Polizei unter Druck gesetzt wurde und sich die nächsten Strafverfahren einhandelte.

Kurz nachdem seine Teilnahme am Neonaziaufmarsch am 12. Juli in Nürnberg bekannt wurde, schied er aus dem Bezirksvorstand der AfD in Unterfranken aus. Wahrnehmbaren Streit gab es nicht. Er steht weiter fest zur AfD. Es scheint, als habe er sich von dem Posten zurückgezogen, um Schaden von der Partei abzuwenden.

Mobilisierung für den 3. Oktober

Im Juli verzog Hetzel von Niedernberg (Lkr. Miltenberg) nach Breuberg im hessischen Odenwaldkreis. Dort hat er sich in einen ehemaligen Gasthof mit Nebengebäuden eingemietet. Noch ist nicht abzusehen, ob er dort einen neuen Treffpunkt für die Szene schaffen wird.

Im August kündigte er einen Aufzug für den 3. Oktober in Aschaffenburg an, das Motto ist: »DEUTSCHLAND STIRBT! Schluss mit dem links-grünen Sumpf und deren Antifa/NGO’s! Schleichende Islamisierung stoppen!« Die Mobilisierung läuft bisher hauptsächlich über seinen privaten TikTok-Kanal. Dass der Aufzug bislang ein Alleingang von ihm ist, wird daran deutlich, dass er massiv um Hilfe bei der Organisation wirbt. »WIR SUCHEN MITMACHER!!! […] Fragt alle Redner und Beschaller um Unterstützung! Wir brauchen jede Unterstützung!!!!«

In der Neonaziszene angekommen. Michael Hetzel auf einem Aufzug der Neonazigruppe Aryan People Resistance (APR) am 12. Juli 2025 in Nürnberg. Angehörige der APR kündigen in einem Kommentar auf dem TikTok-Account von Hetzel für den 3. Oktober 2025 in Aschaffenburg ihre Teilnahme an. © Thomas Witzgall

Das Echo ist in der Szene bisher verhalten. Wenigstens gelang es Hetzel bei einer Aktion »Brückenleuchten« am 19. September 2025 in Niedernberg knapp 30 Personen zusammenzutrommeln, die sich zu einem Mobilisierungsvideo für den 3. Oktober aufstellten.

Ein rechter Massenauflauf dürfte Aschaffenburg am 3. Oktober erspart bleiben. Doch ist davon auszugehen, dass der harte Kern der Szene um RMSA kommen wird, der nun mal zu jedem Anlass kommt. Auch neugewonnene FreundInnen aus der Neonaziszene werden vermutlich dabei sein. Angehörige der Aryan People Resistance aus Nürnberg haben via TikTok bereits ihr Erscheinen angekündigt.

Am 3. Oktober wird sich zeigen, ob Rhein-Main-steht-auf seine Krise überwinden kann und ob der Spagat zwischen einem bürgerlichen, »anti-extremistischen« Selbstverständnis und offener Kumpanei mit der Neonaziszene funktioniert.


Weitere Artikel über Rhein-Main-steht-auf:

Feindbild links, 25. Februar 2025; Hetzels neuester Anlauf, 21. Februar 2025; Rhein-Main-steht … extrem rechtsaußen, 22. Juli 2024