Frieden mit der Rechten?

Friedensdemonstration am 29. März in Wiesbaden geplant

Unter dem Motto »Keine neuen US-Mittelstreckenwaffen in Deutschland, Befehlskommando in Wiesbaden auflösen, Friedensgebot der Hessischen Verfassung einhalten!« mobilisieren derzeit verschiedene friedenspolitische Gruppen und Organisationen zu einer Demonstration am 29. März nach Wiesbaden. Die Partei Die Linke in Hessen und im Bund ruft ihre Mitglieder und Sympathisant*innen zur Teilnahme auf. Der Linkspartei-Studierendenverband SDS wirbt ebenfalls dafür. Auch die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA) Frankfurt weist in ihrem Newsletter auf die Veranstaltung hin. Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) Frankfurt ist dabei und ebenso ihre Jugendorganisation, die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ). Auf der Demonstration sollen unter anderem die Europaabgeordnete der Linken Özlem Alev Demirel und der Vorsitzende der NaturFreunde Michael Müller sprechen.

Ob sie am 29. März in Wiesbaden mitdemonstrieren dürfen? Teilnehmende einer »Friedensdemo« der rechten Verschwörungsszene am 31. Dezember 2024 in Aschaffenburg. © dokunetzwerk rhein-main

Auf den ersten Blick klingt vieles danach, als seien es die üblichen Akteur*innen der klassischen Friedensbewegung, die gegen die Stationierung von Mittelstreckenraketen auf der US-Air-Base im Wiesbadener Stadtteil Erbenheim auf die Straße gehen wollen.

Doch wird die Demonstration in großen Teilen der Friedensbewegung kontrovers diskutiert. Grund dafür sind die Veranstalterinnen: Die Friedens- und Zukunftswerkstatt und das Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung. Für viele Antifaschist*innen, Antimilitarist*innen und Klimaaktivist*innen ist dieser Teil der Friedensbewegung seit vielen Jahren kein politischer Partner mehr. Auch etliche Gruppen, die sich selbst der Friedensbewegung zurechnen, haben sich abgewendet. Grund dafür ist deren Bündnis mit dem Querdenken-Netzwerk und der rechten Verschwörungsszene.

Im Bündnis mit der rechten Verschwörungsszene

Die Friedens- und Zukunftswerkstatt e.V. wurde 1999 gegründet und hat ihren Sitz und organisatorischen Kern in Frankfurt am Main. In der Friedensbewegung ist sie gut vernetzt. Die zentralen Personen des Vereins sind die Frankfurter Willi van Ooyen und Karl-Heinz Peil. Van Ooyen ist Sprecher des Ostermarschbüros und des Bundesausschuss Friedensratschlag und saß als Abgeordneter der Partei Die Linke bis 2017 im Hessischen Landtag. Peil ist neben van Ooyen das Gesicht des Bundesausschuss Friedensratschlag, verantwortlicher Redakteur des FriedensJournals und aktiv im Koordinierungskreis der Kampagne Stopp Air Base Ramstein.

In den vergangenen Jahren ist insbesondere Peil das Bündnis mit der rechten Verschwörungsszene eingegangen. In unserem Artikel »Frieden links und rechts« vom 26. September 2024 haben wir dies ausführlich beschrieben.

In einem Beitrag des FriedensJournals aus dem September/Oktober 2024 zeigt sich Peil regelrecht begeistert über das Bündnis aus »alter« und »neuer« Friedensbewegung, womit er die rechte Verschwörungsszene meint. Vor allem der Querdenken-Gründer Michael Ballweg, der laut einer »Urkunde« von 2021 der Reichsbürgerorganisation Königreich Deutschland angehört(e), ist für Peil eine Integrationsfigur. Als Beispiel für die Zusammenarbeit zwischen der klassischen »alten« Friedensbewegung und der rechten Verschwörungsszene nennt Peil im Beitrag die Kampagne Stopp Air Base Ramstein. Diese veranstaltet alljährlich ein einwöchiges »Friedenscamp«, bei dem Peil für die Organisation der Bildungsveranstaltungen zuständig ist. Dort treten bekannte Personen der rechten Verschwörungsszene auf. Auch werden auf den Camps geschichtsrevisionistische Positionen verbreitet, so in Reden beispielsweise des Verschwörungsideologen Daniele Ganser oder in einer Ausstellung, die den Kampf der Alliierten gegen den Vernichtungs- und Eroberungskrieg Deutschlands während des Nationalsozialismus in eine Kontinuitätslinie mit den Kriegen in Jugoslawien 1999 und der Ukraine stellt. Auch darüber hat Rhein-Main Rechtsaußen ausführlich berichtet.

Karl-Heinz Peil auf einem Workshop im »Friedenscamp« von Stopp Air Base Ramstein. Datum nicht bekannt.

Am 28. Dezember 2024 nahm Peil an einer Friedenskundgebung in Wiesbaden-Erbenheim teil, die maßgeblich von der AfD-nahen Klartext-Bürgerzeitung und der Partei DieBasis organisiert wurde. An der Kundgebung beteiligte sich (ungestört) auch eine Delegation der Partei Die Heimat (ehemals NPD). Rhein-Main Rechtsaußen berichtete auch hier.

Karl-Heinz Peil (im Vorgerund mit blauer Jacke) auf einem Aufzug der rechten Verschwörungsszene am 28. Dezember 2024 in Wiesbaden. Rechts am Transparent von Die Heimat: Stefan Jagsch, Vorsitzender des Landesverbands Hessen von Die Heimat. © Dokunetzwerk Rhein-Main

Das Wiesbadener Bündnis gegen Raketenstationierung, welches die Demonstration am 29. März mitorganisiert, wurde im November 2024 als Zusammenschluss von Personen um Jan Menning aus Mainz und Gerhard Strauch aus Wiesbaden gegründet. Beide sind Mitglieder der Organisation Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK).

Im Auftrag der DFG-VK, attac und der VVN-BdA verfasste der Publizist Lucius Teidelbaum im August 2024 eine Broschüre zu »Versuche rechter und verschwörungsideologischer Einflussnahme auf die Friedensbewegung«.

Jan Menning veröffentlichte daraufhin zusammen mit anderen DFG-VK-Mitgliedern eine Replik zum Text von Teidelbaum, die ebenfalls auf der Webseite der DFG-VK veröffentlich wurde. Darin solidarisieren sich die AutorInnen mit dem Antisemiten Kayvan Soufi-Siavash (ehemals Ken Jebsen) und mit Daniele Ganser, die sie zusammen mit AnhängerInnen der Partei DieBasis als selbstverständlichen Teil der Friedensbewegung sehen. In ihrem Text verdeutlichen die AutorInnen, dass sie in Verschwörungserzählungen und antisemitischen Äußerungen nichts Problematisches erkennen. Am Ende resümieren sie: »Unsere Analyse des Textes zeigt, dass die Broschüre [von Teidelbaum], nähme man sie ernst, auf eine Spaltung der Friedensbewegung hinausliefe und notwendige Analysen von Kriegsursachen unterbleiben würden.« Aus Angst, einen Teil des eigenen Milieus zu verschrecken, soll demnach in der Friedensbewegung auf entschlossenes antifaschistisches Handeln verzichtet werden. Nicht nur deshalb ist das Wiesbadener Bündnis für Raketenstationierung in der Wiesbadener Stadtgesellschaft weitgehend isoliert, ohne große Anbindung an die politische Linke.

Die Strategie der OrganisatorInnen zeigt sich auch im Aufruf der Demonstration am 29. März. So fehlen darin klare Abgrenzungen zu rechten, nationalistischen, souveränistischen oder antisemitischen Positionen. Zudem werden keine Forderungen erhoben, die für extrem Rechte abschreckend wirken könnten (beispielsweise die Aufnahme von Geflüchteten aus Kriegsgebieten oder Deserteuren). Ganz im Gegenteil: Am Ende des Aufrufs fordern die InitiatorInnen »weltweit für eine sichere und friedliche Zukunft einzutreten, auch in Zusammenarbeit mit politischen Gegnern und Konkurrenten.« Dies liest sich als Aufruf zum Bündnis mit der rechten Verschwörungsszene und als Einladung an diese, sich an der Demonstration in Wiesbaden zu beteiligen.

Rechte mobilisieren nach Wiesbaden

Die Einladung wird in der rechten Verschwörungsszene gehört und verstanden. So bewerben unter anderem der AfD-nahe Streamer Paul Hildebrand (Michelstadt), die rechte Bürgerinitiative Weschnitztal und der Aktivist Christoph Barth von der Klartext-Bürgerzeitung die Demonstration über ihre Kanäle. Der Verein Polizisten für Aufklärung mobilisiert ebenfalls nach Wiesbaden. Zudem wird in den Chatgruppen der Gruppe ElternStehenAuf (ESA) und auf dem Kanal von Rhein-Main-steht-auf (RMSA) für die Demonstration geworben. Auch die verschwörungsideologische Aktivistin Katja Knoch aus Bensheim, die vorgibt, ein Friedensbündnis Bergstraße zu repräsentieren, trommelt für die Demonstration. Am 21. April 2024 erklärte Knoch in einer Rede am Hambacher Schloss, dass die PEGIDA-Bewegung zu Unrecht als rechts diffamiert worden sei. Bereits vor Wochen hatte der rechte Telegram-Kanal Protest Hessen auf die Demonstration aufmerksam gemacht.

In der internen Chatgruppe von ElternStehenAuf Hessen und auf dem rechten Kanal Protest Hessen wird für die Friedensdemonstration am 29. März in Wiesbaden geworben. Quelle: Telegram

Unklar ist indes, wie viele Personen der Mobilisierung folgen werden. Die Teilnahmezahlen an den friedenspolitischen Versammlungen der rechten Verschwörungsszene im Rhein-Main-Gebiet waren zuletzt rückläufig. Eine »Bewegung« ließ sich dort nicht erkennen, die AktivistInnen blieben weitgehend unter sich. Grund dafür war auch, dass der erhoffte Schulterschluss mit Akteur*innen der klassischen Friedensbewegung bisher ausblieb. Es wird sich zeigen, ob der 29. März in Wiesbaden daran etwas ändert und der rechten Verschwörungsszene im Fahrwasser der klassischen Friedensbewegung ein Revitalisierungs-Versuch gelingt.

Dass es soweit kommen musste und die Friedensdemonstration in Wiesbaden innerhalb der politischen Linken nun so kontrovers diskutiert wird, ist auch Ergebnis des Versagens einiger linker Teile der Friedensbewegung. Denn noch immer gilt dort aus alter Verbundenheit eine Nibelungentreue zu ProtagonistInnen wie Karl-Heinz-Peil und seiner Friedens- und Zukunftswerkstatt. Und dies, obwohl deren Bündnis mit der rechten Verschwörungsszene in den letzten Jahren allen, die es sehen wollten, nicht verborgen geblieben sein kann.

Entschlossen gegen Querfront-Bestrebungen?

Auf Anfrage von Rhein-Main Rechtsaußen erklärt der Bundesgeschäftsführer der Partei Die Linke Janis Ehling, dass Die Linke »jeglichen Querfront-Bestrebungen entschlossen entgegen« trete. Verbindungen mit der rechten Verschwörungsszene seien »eine Gefahr für die Friedensbewegung.« Die oben geschilderten Äußerungen und Aktivitäten von Karl-Heinz Peil und Jan Menning seien »mit den Grundsätzen der Partei nicht vereinbar.«

Auch der hessische Landesverband der Linkspartei distanzierte sich auf Anfrage von Rhein-Main Rechtsaußen von den Aktivitäten Peils und Mennings:

»Die von Ihnen geschilderten Aktivitäten und Äußerungen der beteiligten Akteure sind mit linken Positionen weder vereinbar noch akzeptabel. Wir sind uns bewusst, dass Querfrontbestrebungen weder eine soziale noch friedenspolitische Agenda verfolgen, sondern einzig darauf abzielen, rechte Ideologien gesellschaftsfähig zu machen«

heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme, die auch vom Wiesbadener Kreisverband der Linken unterzeichnet wurde. Die Konsequenz, von einer Teilnahme an der Demonstration abzusehen, zieht die Partei indes nicht. Stattdessen heißt es in der Stellungnahme der hessischen Linken: »Rechte Teilnehmende haben wir bereits in der Vergangenheit aktiv ausgeschlossen und planen dies auch für die Demonstration am 29. März 2025 in Wiesbaden.«

Nur ist die Frage, ob man bereit und gewillt ist, die BündnispartnerInnen der rechten Verschwörungsszene überhaupt als »rechts« zu erkennen. Die Veranstaltenden der Wiesbadener Demonstration waren das in der Vergangenheit nicht.