Marsch für das Patriarchat

Am 17. September 2023 versammelten sich Verschwörungsgläubige, christliche Fundamentalistinnen und Rechtsradikale in Aschaffenburg und wetterten gegen Sexualaufklärung in Kindergärten, LGBTIQ+, Feminismus und »Gender-Diktat«. Der »Aufmarsch« war begleitet von einem zahlenmäßig überlegenen Gegenprotest von AB ist bunt und Feminist*innen, die, teils oberkörperfrei, mit einer Buchstabenkette die Worte »körperliche & sexuelle SELBSTBESTIMMUNG« bildeten.

Im Gegensatz zu den rechten Versammlungen der letzten Monate wurde hauptsächlich in den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg mobilisiert, dementsprechend kleiner fiel die Demonstration mit letztlich ca. 110 » Familienschützern « auch aus.

#weibergegengendergaga

Als sich der Protest aufstellte, setzten sich Frauen mit Schildern der christlich-fundamentalistischen Bewegung Demo für Alle an die Spitze. Demo für Alle ist ein 2014 gegründetes Netzwerk, das sich vor allem gegen Sexualaufklärung in Schulen, gegen die Ehe für Alle, gegen Schwangerschaftsabbrüche und gegen Rechte von trans* Personen richtet. Erst im Juli diesen Jahres fand im Congress Park Hanau ein Symposium des Netzwerks statt.

Bei einem Treffen am 17. Juni 2023 posierten die Ehrenfrauen unter dem Hashtag #weibergegengendergaga für ein Gruppenfoto, darauf sind mehrere bekannte Rhein Main steht auf-Aktivistinnen zu erkennen. Sie übernahmen auf der Familien-Schutz-Demo Ordnerinnenfunktionen oder moderierten die Vers

Dass die regionale rechte Verschwörungsszene Schulter an Schulter mit Aktivistinnen des Netzwerks demonstrierte ist keine Überraschung. Ihre Initiativen liebäugelten schon 2022 damit (siehe Bewegungsmelder). Im Zuge der Radikalisierung von Aschaffenburg steht auf und Rhein Main steht auf hat der vermeintliche »Genderwahn« als Thema immens an Bedeutung gewonnen. Inzwischen gibt es sogar eine antifeministische Frauengruppe am bayerischen Untermain: Die Ehrenfrauen.

Bei einem Treffen am 17. Juni 2023 posierten die Ehrenfrauen unter dem Hashtag #weibergegengendergaga für ein Gruppenfoto, darauf sind mehrere bekannte Rhein Main steht auf-Aktivistinnen zu erkennen. Sie übernahmen auf der Familien-Schutz-Demo Ordnerinnenfunktionen oder moderierten die Versammlung.

Bereits auf einer Demonstration am 25. Juni 2023 trat die Gruppe als klar erkennbarer Block auf. Die antifeministische und queerfeindliche Hetztirade ihrer Rednerin Katrin Burger soll hier nicht wiedergegeben werden. Die Anschauung und der Aktivismus der Ehrenfrauen lassen sich zusammenfassen als Ablehnung von allem, was nicht ins heteronormative Weltbild passt, der Zustimmung zur eigenen Unterdrückung und der Anbiederung ans Patriarchat.

Als fester Bestandteil der rechten Verschwörungsszene darf natürlich auch das Neonaziehepaar Ursula Nahrath und Dirk Nahrath aus Weilbach bei Miltenberg nicht fehlen. Die Nahraths besitzen ihre eigenen Vorstellungen von dem, was für die frühkindliche Entwicklung förderlich sei: Fahnenappelle, Fackelmärsche, Wehrsportübungen, Erziehung in Nazi-Zeltlagern. Antifaschistische Recherchen berichteten bereits über das jahrzehntelange Engagement des bundesweit aktiven Nazifamilienclans für die Nachfolgestrukturen der Hitler-Jugend: Der Wiking-Jugend und der Heimattreuen Deutschen Jugend (siehe Apabiz). Aus Medienberichten lässt sich entnehmen, dass Dirk Nahrath für die Querdenken-Schule in Röllbach mitverantwortlich war (siehe Main-Echo). Am 17. September trug er ein Schild mit der Aufschrift Eltern stehen auf um den Hals. Ursula und Dirk organisierten in Miltenberg mindestens ein Treffen der Initiative und waren als Admins verantwortlich für den gleichnamigen Telegramkanal.

Eltern stehen auf ist inzwischen ein eingetragener Verein. In dessen Bundesvorstand sitzt der CSU-Politiker Christian Steidl aus Münster bei Dieburg. Dieser war am 17. September nicht zugegen, zuletzt gesichtet wurde er im Juli bei dem bereits erwähntem Demo für Alle-Symposium in Hanau (siehe Diskus). 2022 trat er gemeinsam mit Nahrath auf einer Kundgebung in Miltenberg auf.

Heterofamilie gegen Gender-Diktat und Kulturmarxismus

Die Plakate der VersammlungsteilnehmerInnen sprachen für sich. Die Ablehnung nicht-heterosexueller Lebensentwürfe, Identitäten und Familienformen wurde an diesem Tag auf vielfältige Weise zum Ausdruck gebracht, bis hin zur Darstellung als Bedrohung.

Gepredigt wurde ein biologistisches Weltbild, nach dem es von Naturgesetz aus nur zwei Geschlechter gebe und alles andere Ideologie sei. Feindbilder waren eindeutig ausgemacht: Die Grünen, das »Gender-Diktat«, der Feminismus.

Weitere Schilder behaupteten eine Verbindung zwischen LGBTQ und Kindesmissbrauch. Eine Aktivistin von Aschaffenburg steht auf sieht dies als Teil einer » NWO «. In der antisemitischen Verschwörungserzählung einer angeblichen von Eliten herbeigeführten Neuen Weltordnung kontrollieren verborgene Mächte das Weltgeschehen. In einer, über den Lautsprecher abgespielten, Tonaufnahme wird vor einer »kulturmarxistischen Indoktrination« von Kindern gewarnt. »Kulturmarxismus« ist angelehnt an die nationalsozialistischen Propagandabegriffe »Kulturbolschewismus« und »jüdischer Bolschewismus«.

In einem weiteren Audiobeitrag lässt man Alice Weidel zu Wort kommen, wie sie über »die verquere Welt der Grünen und Linken« schimpft und sich zynisch über das Selbstbestimmungsgesetz äußert. Von der AfD ließ sich an diesem Tag nur Klaus-Uwe Junker blicken. Die Aussagen der Demoteilnehmenden deckten sich dennoch mit dem Parteiprogramm der AfD. Da sie mittlerweile genug Nachplappernde haben, ist ihre offensive Teilnahme auch nicht
mehr nötig.

Versammlungsleiter Christian Marx sah die »traditionelle Familie« und die »klassische Rollenverteilung« zwischen Mann und Frau in Gefahr durch »Marionettenpolitiker«, die »Propaganda der Massenmedien« und einen »übersteigerten Feminismus«. Im Einklang mit den pronatalistischen, neoliberalen und rassistischen Vorstellungen der AfD echauffierte er sich: »Statt die einheimischen Familien zu fördern und den wirtschaftlichen Rahmen zu schaffen, Paare zu motivieren, Kinder zu bekommen, werden stattdessen Migranten ins Land geholt, um dem Schrumpfen der Bevölkerung entgegen zu wirken.« Kurz gefasst: Bitte mehr Fortpflanzung, aber bitte nur von Biodeutschen. Er forderte »keine geschlechtliche Selbstbestimmung für Minderjährige« und rief anschließend dazu auf, sich in Kindergärten gegen Sexualaufklärung von Kindern zu »wehren«. Das Thema Kinderarmut war ihm ein bis zwei Nebensätze wert. Große Teile seines Beitrags konnte er glücklicherweise nicht ohne lauten Protest der Gegenaktion abhalten.

Als der »Aufmarsch« zurück am Schlossplatz ankam, waren es weniger TeilnehmerInnen als am Startpunkt. Die Anwesenden zeigten sich im Nachhinein durchaus unzufrieden mit der Mobilisierungsschwäche, in internen Kanälen wird das Fernbleiben der MitstreiterInnen bemängelt.

Antifas, Feminist*innen und zivilgesellschaftliche Bündnisse haben in den letzten Monaten Ausdauer bewiesen und werden auch weiterhin einen langen Atem brauchen. Am 3. Oktober, Tag der deutschen Einheit, hat Rhein Main steht auf den nächsten »Aufmarsch« angekündigt. Mit Teilnehmenden im hohen dreistelligen bis vierstelligen Bereich ist zu rechnen. Antifaschistinnen rufen unter dem Motto »Nie wieder Deutschland« zum Gegenprotest auf.


Diese Zusendung feministischer Antifaschist*innen ist ursprünglich im Magazin des Bewegungsmelder Aschaffenburg erschienen.