Auswertung zum rechten »Aufmarsch« vom 20. August 2023 in Aschaffenburg

Eine kurze Auswertung zum erneuten rechten »Aufmarsch« der Bürgerinitative Franken am 20. August 2023 in Aschaffenburg. Neben den Ereignissen im Vorfeld werfen wir einen Blick auf den Ablauf des Tages, unternehmen den Versuch einer inhaltlichen Analyse und wagen im Fazit einen kleinen Ausblick.

Mobilisierung und Ankündigungen

Nach dem letzten Aufmarsch der Bürgerinitiative Franken (BiF) am 25. Juni 2023 und einem gescheiterten Versuch, am 30. Juli in Aschaffenburg aufzulaufen, wurde für den 20. August eine »Megademo« angekündigt.

In der Mobilisierung wurde wieder die Losung »Grüner Wahnsinn ohne mich« ausgegeben. Zudem wurde erneut versucht, gezielt gesellschaftliche Milieus wie Handwerker, Bauern etc. anzusprechen. Hierzu äußerte sich im Vorfeld die Handwerkskammer Unterfranken – ähnlich wie vor dem Aufmarsch am 25.06. auch der Bauernverband – ablehnend und distanzierte sich deutlich von einer angestrebten Vereinnahmung (Artikel im Main-Echo vom 11. August 2023). Der Anmelder Daniel Kosian trat zum ersten Mal für die Bürgerinitiative Franken in Erscheinung.

In zahlreichen Gemeinden und Ortschaften in den Landkreisen Aschaffenburg und Miltenberg waren Plakate und Werbebanner für die Demonstration am 20. August zu sehen. Dafür können die Organisator*innnen auf zahlreiche lokale Ünterstützer*innen zurückgreifen.

In den Telegram-Kanälen wurden kurz vor dem Termin noch Freiwillige gesucht, welche den Ordnerdienst unterstützen sollen. Man wisse zwar nicht, wie viele Menschen tatsächlich kommen, aber die Anzahl der benötigten Ordner übersteige jetzt schon die Kapazitäten der vorbereitenden Gruppen.

Zur Anreise wurde auch wieder überregional mobilisiert. Neben zahlreichen auswärtigen Kennzeichen aus dem gesamten süddeutschen Raum gab es auch eine organisierte Anreise per Bus durch die »IG Frankenbus«:

Auch Gegenprotest formierte sich erneut im Vorfeld des 20. August 2023. Gruppierungen aus Aschaffenburg ist bunt. Punkt. und dem Bündnis gegen Rechts Aschaffenburg kündigten 2 Demonstrationen und eine Kundgebung auf dem Theaterplatz an.

Ablauf am 20. August 2023

Am Volksfestplatz begannen dann ab dem frühen Mittag die Aufbauarbeiten für die Kundgebung. Dort sammelten sich bis zum Kundgebungsbeginn etwa 1600 Menschen. In einer Auftaktrede der Veranstaltenden distanzierte sich Simon Amend aus Partenstein, als Sprecher für die BiF, von »Extremisten« und bekräftigte, dass man doch aus der Mitte der Gesellschaft komme. Leider habe man keine Handhabe gegen Extremisten, welche die Demo für sich nutzen würden. So einfach, so bequem.

Angesichts der Tatsache, dass die Führungsriege der Bürgerinitative Franken durchgehend aus AfD-Sympathisanten bzw. Mitgliedern besteht, die Struktur Aschaffenburg steht auf offen für langjährige aktive Neonazis ist und man die Nähe zu allerlei rechtsextremen Strömungen sucht, erscheinen solche oberflächlichen Distanzierungsversuche durchschaubar heuchlerisch. So ist es nur konsequent, dass erneut zwei Gruppierungen der Partei Die Heimat (ehemals NPD) und bekannte Neonazis auch nach der Aufforderung sich zu entfernen, erneut an der Demo teilnahmen.

Der Protest als solcher ist so grundlegend rechtsoffen, nationalistisch und völkisch konzipiert, dass sich die Faschisten dort natürlich wie zuhause fühlen. Dass sich die Veranstaltenden als »Mitte der Gesellschaft« verstehen, verdeutlicht nur den gesellschaftlichen Rechtsruck und die Normalisierung entsprechender Positionen. Dass offenbar trotzdem zahlreiche Teilnehmende immer noch nicht wahrhaben wollen, dass sie sich von Rechten und Faschisten an der Nase herumführen und vereinnahmen lassen, zeigt, wie gut diese Propagandaerzählung wirkt. Das Volk – es folgt.
Der Demonstrationszug setzte sich dann nach 15 Uhr in Bewegung und musste bereits nach kurzer Zeit im Löhergraben stoppen. Dort hatten sich antifaschistische Gegendemonstrant*innen zu einem Blockadeversuch zusammengefunden.

Die zahlenmäßig stark vertretenen Polizeikräfte verhinderten jedoch, dass sich die Blockade stabilisieren konnte und drängten diese an den Rand der Straße. Die Aktivist*innen wurden dort über eine Stunde von der Polizei festgehalten und einer Maßnahme zur Personalienfeststellung unterzogen. Wie im nachhinein bekannt wurde, kam es zu Verletzungen durch Einsatz von Polizeigewalt mittels Schlagstock. Ein Aktivist musste im Verlauf des Tages aufgrund der Auswirkungen eines stumpfen Bauchtraumas im Krankenhaus behandelt werden.

Der Aufmarsch wurde daraufhin direkt an den Aktivist*innen vorbeigeleitet. Kurz darauf kam es auf Höhe des Schönborner Hofs zu einem erneuten Blockadeversuch. Auch dieser Versuch wurde rabiat von den Polizeikräften unterbunden. Am Landing und auf Höhe der Stadthalle passierte der Aufmarsch dann noch einmal lautstarken Gegenprotest. Zuvor hatten sich mehrere hundert Menschen zu einer Gegenkundgebung am Theaterplatz versammelt.

Über die Weißenburger Straße und die Elisenstraße über den Hauptbahnhof und dann zurück zum Volksfestplatz kam es zu keinen weiteren Störungen. Die Teilnehmerzahl des rechten Aufmarschs schwankte über den Verlauf des Nachmittags, blieb aber deutlich unter den von den Veranstaltern behaupteten 2200 Teilnehmenden und konnte nicht an die Zahlen der vorherigen Aufmärsche anschließen. Auch an dem Traktoren und Handwerker-Konvoi am Ende der Demo beteiligten sich weniger Fahrzeuge als noch am 25. Juni 2023. Der Versuch, das Milieu der Unternehmer und Handwerker zu mobilisieren, ist offensichtlich gescheitert. Nur eine handvoll Fahrzeuge war diesem Spektrum zuzuordnen.

Inhalte

Getreu dem Motto der Demo standen vor allem Aussagen und Plakate im Vordergrund, die sich an der Partei Die Grünen und dem, für was sie vermeintlich steht, abarbeiteten.

Neben den bekannten und wieder mit professionell bedruckten Schildern verbreiteten Slogans gegen die Grünen und die aktuelle Regierung, fanden sich auch wieder zahlreiche Forderungen und Losungen mit Bezug zur Corona-Pandemie unter den Botschaften der Teilnehmenden. Darunter auch wieder zahlreiche verschwörungstheoretische Anspielungen mit teilweise offen antisemitischen Tendenzen.

In den Redebeitragen der Landwirte wurde Kritk an den gestiegenen Kosten durch die Inflation, landwirschaftliche Vorschriften der EU und an der Konkurrenzsituation sowie dem Technologietransfer zu anderen Produktionsstandorten geübt. Ein Kritik an den grundlegenden ökonomischen Verhältnissen wurde nicht geäußert. Stattdessen wurde tendenziell und anknüpfungsfähig an die Grundausrichtung der Versammlung, nationale Standortinteressen vertreten und auch gegen die Klimapolitik gewettert. Ein Unternehmer berichtete von den negativen Folgen der gestiegenen Energiekosten für seinen Betrieb und seinen vergeblichen Versuchen, sich bei der Politik Gehör zu verschaffen oder staatliche Hilfe zu erhalten.

Nach wie vor stellt das Impfgegner- und Pandemieverschwörungsspektrum einen bedeutenden Anteil der Demonstrierenden. Doch scheinbar ist dies von den Veranstaltenden nicht mehr so recht erwünscht. Für einen »Grüner Wahnsinn ohne uns«-Aufmarsch von Miltenberg sagt NEIN am 27. August 2023 in Miltenberg wurde gar darum gebeten, ganz auf Inhalte wie »Corona und Impfung, WHO, WEF und Sonstiges« zu verzichten.

Die Veranstaltenden versuchen tendenziell die Außenwirkung der Demonstrationen immer weiter inhaltlich zu kontrollieren. Nachdem es bereits aus taktischen Erwägungen heraus untersagt wurde, Parteifahnen zu zeigen, versucht man sich auch durch oben bereits erwähnte verbale Distanzierungsversuche ein harmloseres Image zu geben. Führende Protagonisten der Bürgerinitiative Franken, wie Michael Hetzel (Unterstützte aktiv AfD-Infostand) und Roman »sagt NEIN«* (Zitat telegram: »Eine Rückkehr zur Vernunft wird es nur mit der AfD geben« sowie »ein blaues Fahnenmeer wäre mir auch lieber«) sind jedoch nach wie vor Unterstützer der protofaschistischen AfD. Es macht durchgehend den Eindruck, als wäre die Bürgerinitiative Franken derzeit vor allem als getarnte Vorfeldorganisation und Wahlkampfunterstützer der AfD aktiv.

So beteiligten sich auch diesmal selbstverständlich bekannte Gesichter der AfD wie Lothar Franke und Ramona Storm an dem Aufmarsch. Auf eigene Werbemittel wird dabei fast vollständig verzichtet. Wozu auch, kann sich die AfD doch darauf verlassen, dass ihr bereits jetzt viele der Teilnehmer ihre Stimme geben werden.

Viel Aufmerksamkeit generierte dann noch das Werbemobil von Auf1, dem österreichischem Verschwörungs- und Desinformationssender der seine »Medienrevolution« vorantreibt und scheinbar in Aschaffenburg ein dankbares Publikum gefunden hat.

Auch die Flagge der Landvolk-Bewegung war wieder mehrfach zu erblicken. Ebenso waren Inhalte aus dem Spektrum der Reichsbürgerbewegung vertreten, die sich für die nationale Souveränität Deutschlands aussprachen.

Die Partei Die Heimat (ehemals NPD) lief, wie bereits oben erwähnt, erneut mit einer Abordnung und zwei Transparenten auf der Demo mit. Entgegen der obenerwähnten Ankündigung störte sich auch niemand aus dem Spektrum der Demo daran. Dabei handelte es sich erneut um die Gruppe hessischer Neoazis um Daniel Lachmann und Stefan Jagsch, die bereits mehrfach in Aschaffenburg in Erscheinung getreten sind.

Auch bekannte Gesichter der lokalen Neonazisszene konnten erneut am Aufmarsch teilnehmen. Neben dem in den Orga-Kreisen von Aschaffenburg steht auf aktiven Lars (Falko) Schüßler nahmen auch wieder die Naziskins der Aryans teil, einige davon offensichtlich alkoholisiert. Auf dem Facebook-Profil der ehemaligen NPD Aschaffenburg »Heimat.Untermain« wurde die Demo ebenso beworben. Das Profil wird derzeit nur sporadisch mit lokalen oder eigenen Inhalten bespielt. Es finden sich darauf hauptsächlich Reposts.

Fazit

Festhalten lässt sich, dass die angekündigte »Megademo« sowohl von der Anzahl der Teilnehmer*innen wie auch hinsichtlich der angestrebten Breitenwirkung hinter den Erwartungen zurück blieb. Auch wenn die Reisezeit sicherlich ihre Auswirkungen hatte, macht es doch den Anschein, als würde die Bewegungsdynamik holpern. Auch an den Folgeterminen mit Aufmärschen an den beiden Wochenenden der Michaelismesse am 27. August und 3. September 2023 in Miltenberg konnte kein Mobilisierungserfolg erzielt werden. Zum angekündigten Trekker-Konvoi schaffte es nur ein Fahrzeug, etwas über 100 Protestierende fanden sich jeweils zu den Terminen ein. Die Außenwirkung war bescheiden, bei den Besucher*innen des Volksfestes lösten die Demos abweisende und irritierte Reaktionen aus. Zwar sind die Aufmärsche in Miltenberg zahlenmäßig weitaus kleiner als in Aschaffenburg, aber im Vergangenen Jahr protestierten noch über 400 an der Michaelismesse vorbei.

Die Frage, inwiefern sich der mittlerweile sehr breite und teilweise auch offensive Gegenprotest sowie die Medienberichterstattung im Vorfeld ausgewirkt haben, würde den Rahmen des Artikels überschreiten. Eine antifaschistische Strategie, die darauf setzt den inszenierten Event- und Wohlfühlcharakter der rechten Aufmärsche im gemütlichen Aschaffenburg zu stören, trägt aber sicherlich ihren Teil bei.

Für die lokale Neonaziszene ergibt sich scheinbar weiterhin wenig aus der Teilnahme an den Demos. Es sind die immergleichen Gestalten auf den Demos (siehe Berichte Bewegungsmelder und Antifa63x. Ursula Nahrath und Dirk Nahrath, aus dem Familienclan der Nahraths, sind bei den Versammlungen in Miltenberg nach wie vor federführend. Ansätze aus der Situation politisches Kapital zu schlagen sind kaum erkennbar. Dennoch ist mit der Akzeptanz der Neonazis auf den Aufmärschen für die Faschisten bereits viel erreicht und die völkisch-nationalistische Grundausrichtung der BiF bietet auf den Aufmärschen weiterhin ein attraktives Agitationsfeld.

Die Demos sind auch Ausdruck des anhaltenden, gesamtgesellschaftlichen Rechtsrucks, gerade in Bayern. Siehe die unsäglich deutsche Diskussion um Aiwanger oder, dass anlässlich der zu erwartenden Proteste gegen die IAA in München 27 – angekündigt friedliche – Klimaaktivist*innen aufgrund eines faschistoiden Polizeigesetzes präventiv in Haft genommen wurden. Es ist klar, dass vor diesem Hintergrund diese rechte Sammelbewegung auch auf absehbare Zeit nicht verschwinden wird. Mit der Landtagswahl in Bayern steht dennoch ein kritischer Termin an, der sich auf die weitere thematische Ausrichtung der Demos und ihre Unterstützung durch/für die AfD auswirken wird.

Für den September sind aus dem rechten Spektrum eine antifeministische und queerfeindliche »Familien-Schutz-Demo« am 17. September in Aschaffenburg sowie ein Aufzug am 24. September in Schweinfurt angekündigt. Dieser knüpft unter dem Motto »Franken steht zusammen – Grünen Wahnsinn stoppen!« an die Aschaffenburger Aufmärsche an. Für den Tag der deutschen Einheit ist in Aschaffenburg eine Demonstration unter dem Motto »Wir sind das Volk« angekündigt.


Dieser Artikel von Antifaschist*innen aus Aschaffenburg ist ursprünglich im Bewegungsmelder Magazin veröffentlicht worden.