Am Samstag, dem 22. Februar, 2025 folgten 450 Personen einem Aufruf von Rhein-Main-steht-aufDie Gruppe Rhein-Main-steht-auf (RMSA) prägt seit ihrer Gründung 2021 das Geschehen der rechten Verschwörungsszene im Raum Aschaffenburg, Miltenberg, Offenbach und Hanau. Die Gruppe war aus den Corona-Protesten entstanden und verfügt über beträchtliche personelle und finanzielle Ressourcen sowie über eine Struktur mit verbindlicher Aufgabenverteilung. RMSA führt beständig Aufzüge und kleinere Protestaktionen durch, die sich gegen »Ampelpolitik« und Linke richten. Obwohl RMSA… Weiterlesen und der Klartext-BürgerzeitungDie Klartext – Bürgerzeitung für das Rhein-Main-Gebiet ist eine Internetplattform und eine Zeitung, die nach Angabe im Dezember 2024 (Achim Weinacker) in einer Auflage von 65.000 Exemplaren verteilt wird. Von Mai 2022 bis Dezember 2024 erschienen 17 Ausgaben. Von der Ausgabe 12 bis zur Ausgabe 16 (Herbst 2024) nannte sie sich zwischenzeitlich »Bürgerzeitung für das Rhein-Main-Neckar-Gebiet«. Die achtseitige Zeitung bietet… Weiterlesen zu einem Aufzug in Aschaffenburg, der unter dem Motto »Gegen linke Hetze und Gewalt« stand.
Schon im Vorfeld hatte sich abgezeichnet, dass etliche Neonazis teilnehmen würden. So kam es schließlich auch. Mehrere Dutzend Personen gaben sich durch ihr Auftreten, ihre Symbolik und ihre Aussagen als Angehörige der Neonaziszene zu erkennen. Die Neonazigruppe Der Störtrupp (DST) führte ein eigenes Transparent mit, die knapp 30 Personen der DST-Gruppe waren unter anderem aus dem Raum Stuttgart und Karlsruhe angereist. Weitere Neonazis in dem Aufzug lassen sich unter anderem der Partei Der III. Weg zuordnen. Bereits Mittags hatten Neonazis im Aschaffenburger Schöntal-Park, wo am 22. Januar zwei Menschen getötet wurden, einen Kranz niedergelegt und dies in Social Media inszeniert.
Das Medienprojekt Hessencam hat die hoch aggressive, beklemmende Atmosphäre dieses Aufzugs eingefangen. Etliche Teilnehmende waren sichtllich alkoholisiert. Tatsächlich stand die Veranstaltung ganz im Zeichen der AfDDie AfD ist ein Sprachrohr der rechten Verschwörungsszene, die Inhalte und Forderungen gleichen sich oft frappierend. Vielen Verschwörungsgläubigen gilt die AfD als einzig wählbare Partei. PolitikerInnen der AfD im Rhein-Main-Gebiet verbreiten offensiv rechte Verschwörungsmythen, z. B. Andreas Lichert aus Bad Nauheim, Ramona Storm aus Aschaffenburg oder Frank Grobe aus Eltville. Als RednerInnen auf den Aufzügen der Szene treten in der… Weiterlesen. Schließlich war es Michael HetzelDer Hausgerätetechniker Michael Hetzel aus Niedernberg (Lkr. Miltenberg) ist eine führende Person im Netzwerk von Rhein-Main-steht-auf (RMSA). Er meldet häufig deren Aufzüge an und ist eine treibende Kraft der fortschreitenden rechten Radikalisierung von RMSA. Auf seinem Gartengrundstück in Niedernberg finden Vernetzungstreffen der Gruppe statt. Seit längerer Zeit wirbt er offen für die AfD, seit Januar 2025 ist er Beisitzer im… Weiterlesen, Führungsperson von RMSA und Vorstandsmitglied im AfD-Bezirk Unterfranken, der diese leitete und im Vorfeld unermüdlich dafür geworben hatte. Überall waren das Logo der AfD und Bekenntnisse zu Alice Weidel zu sehen und zu hören. Eine weitere Rede hielt die AfD-Landtagsabgeordnete Ramona StormRamona Storm war eine treibende Kraft von Aschaffenburg Steht Auf (ASA) und ist heute bei Rhein-Main-steht-auf aktiv. Sie meldete Versammlungen der rechten Verschwörungsszene an und hielt dort Reden. Sie war Stadträtin der AfD in Aschaffenburg und sitzt seit Herbst 2023 im bayerischen Landtag. Ende 2021 erlangte Storm überregionale Bekanntheit. Als Intensivkrankenpflegerin am Klinikum Aschaffenburg-Alzenau berichtete sie von ihrem Versuch, sich… Weiterlesen, die ebenfalls zum Führungskreis von RMSA zählt. Mittendrin lärmte wie üblich die Reichsbürger-Trommelgruppe des Wolfgang BurkardWolfgang Burkard aus Lorsch (Bergstraße) ist eine schillernde Figur der rechten Verschwörungsszene und der Reichsbürger-Szene. Er tritt exzentrisch gekleidet (u.a. mit umgedrehter Deutschlandfahne am Hut) als Redner bei Versammlungen in ganz Deutschland in Erscheinung. In einer Rede auf einer Versammlung am Hambacher Schloss am 13. August 2023 rief er Militär und »exekutive Kräfte« offen zum Staatsstreich auf. Mit seiner Gruppe… Weiterlesen.

Etliche Teilnehmende waren aus den Corona-ProtestenMit dem Begriff »Corona-Proteste« lassen sich die Aktivitäten zusammenfassen, die von einem Spektrum getragen werden, das sich »Corona-Rebellen« nennt und glaubt, eine »Freiheitsbewegung« gegen eine »Corona-Diktatur« zu sein. Ihre Aufzüge und Aktionen wende(te)n sich thematisch vordergründig gegen Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen und gegen einen angeblichen »Impfzwang«, doch wird dort im allgemeinen Konsens die Gefährlichkeit des Virus geleugnet und es werden… Weiterlesen und aus dem Spektrum von QuerdenkenQuerdenken711 wurde im April 2020 in Stuttgart gegründet. Die Gruppe baute von Anfang an eine professionelle Struktur samt Marketing- und Medienbereich auf. Das Label Querdenken wurde ab Sommer 2020 zur bundesweit bestimmenden »Marke« der Corona-Proteste. In Frankfurt entstand Querdenken69, in Darmstadt Querdenken615, in Wiesbaden Querdenken611 und weitere. Die einzelnen Gruppe wurden von Stuttgart aus koordiniert. Ab dem Jahr 2021 verlor… Weiterlesen bekannt. Christoph BarthChristoph Barth, genannt Chris, ehemals aus Erzhausen, ist ein bundesweit aktiver und vernetzter Aktivist der rechten Verschwörungsszene. Er vertritt das Label Querdenken, ist ein Macher der Klartext-Bürgerzeitung und hat keine Berührungsängste zu extremen Rechten. Ab März 2020 organisierte Barth Corona-Proteste in Darmstadt und Frankfurt und gründete Querdenken615. Seitdem drängt er in der rechten Verschwörungsszene als narzisstischer Selbstdarsteller in den Vordergrund…. Weiterlesen von der Klartext-Bürgerzeitung schwang vom Lautsprecherwagen permanent Reden. Dabei betonte er, dass man sich für die Demokratie und gegen Faschismus und jeden Extremismus richte. In Anbetracht der Realität an diesem Tag stellt sich mehr denn je die Frage, ob diese Abgrenzung nur taktisches Gerede ist oder ob Barth tatsächlich das glaubt, was er erzählt.
Die Realität um ihn herum sah nämlich so aus, dass sich das AfD-Klientel um Hetzel und Storm wie auch das Klartext-Gefolge um Barth keinerlei Distanz zu den Neonazis im Aufzug zeigte, obwohl sich diese offen zu erkennen gaben. Im Gegenteil: Es waren viele, die sich mit ihnen regelrecht verbrüderten und deren Parolen gegen »Zecken« begeistert mitgröhlten. Selbst Rufe wie »Hier marschiert der nationale Widerstand« fanden Anklang. Schließlich bat Michael Hetzel die Neonazis um etwas Zurückhaltung. Ihn störte nicht deren Parolen und Auftreten an sich, sondern vielmehr die anwesenden Pressevertreter*innen, von denen er sich permanent verfolgt und diskreditiert fühlt. Bei den DST-Neonazis warb er um Verständnis: »Das Problem ist hier das Main-Echo, die framen uns jedesmal so dermaßen«. Seiner Meinung nach hat sich die Aschaffenburger Tageszeitung Main-Echo gegen ihn verschworen. Als auf dem von Hetzel organisierten Aufzug am 26. Januar in Aschaffenburg ein Teilnehmer den Hitlergruß gezeigt und die Medien dies aufgegriffen hatten, warf Hetzel auf Telegram dem Main-Echo vor, diesen Vorfall »mit Absicht eingefädelt« zu haben, um ihn »so zum Schweigen zu bringen«.

Absurderweise stand der Aufzug am 22. Februar auch unter dem Motto »Gegen Faschismus«, wobei damit der angebliche »Linksfaschismus« gemeint war. Möglicherweise schreckte dies einzelne AkteurInnen aus dem neofaschistischen Spektrum tatsächlich ab. So nahm beispielsweise kein Block der Partei Die Heimat (Ex-NPD) daran teil. Den jungen Neonazis ist diese Widersprüchlichkeit hingegen egal. Sie nutzen jede Bühne, um sich auf der Straße zu inszenieren. So kamen ihre Aktiven bis aus Dortmund, Aachen und Baden-Württemberg angereist, um sich an der Erlebniswelt zu berauschen, die Hetzel, Barth & Co ihnen boten.
Führende FunktionärInnen der AfD-Kreisverbände Aschaffenburg, Offenbach, Hanau und Frankfurt wurden auf dem Aufzug nicht gesichtet. Christoph Barth und seine Klartext-Struktur setzt nunmehr voll auf die AfD und befindet sich nunmehr im festen Bündnis mit ihr und extremen Rechten. Das Problem an diesem Tag war nicht das offene Auftreten der Neonazis. Das Problem sind die AfD und das Spektrum der Klartext-Bürgerzeitung. Die Neonazis machen das Problem nur sichtbarer.
Am 24. Februar gab Michael Hetzel bekannt, Rhein-Main-steht-auf aufzulösen bzw. in neue Hände zu geben. Dies hatte er in der Vergangenheit bereits mehrfach angekündigt, aber nie umgesetzt. Hetzel schreibt, er sehe nicht mehr ein, seinen »Kopf für alle hinzuhalten«. Hintergrund ist unter anderem die Zahlung eines Strafbefehls von 5000 Euro, bei dem er zudem von seiner Anwaltskanzlei »über den Tisch gezogen« worden sei, so dass er nun insgesamt 7800 Euro aufbringen müsse. Über eine Spendenaktion hatte er schon am folgenden Tag das noch fehlende Geld eingesammelt. Daraufhin ruderte er prompt zurück. Am 25. Februar schrieb er, dass er davon ausgehe, »dass es sehr bald zu Bürgerkriegsähnlichen Zuständen kommen könnte« und dass er sich deshalb »noch nicht ganz zurückziehen« und »einen neuen, fordernderen und aggressiveren Ton angeben« werde.
Weitere Bilder des Aufzugs vom 22. Februar 2025 finden sich auf dokunetzwerk rhein-main.