Wie Rechte an und in Krisen Geld verdienen
Esoteriker*innenEsoterik umfasst ein breites Spektrum von »geheimen Lehren« abseits der Wissenschaft, in denen Spiritualität (das Gefühlte, das Seelische) über Rationalität gestellt wird und die nur Eingeweihten zugänglich sind. Der Esoteriker Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, schrieb, »dass es hinter der sichtbaren Welt eine unsichtbare, […] verborgene Welt gibt und dass es dem Menschen […] möglich ist, in diese verborgenen Welten… Weiterlesen, Crash-ProphetenAls »Crash-Propheten«, auch Krisenpropheten, wird ein Kreis von Geschäftemacher*innen bezeichnet, die einen baldigen wirtschaftlichen Zusammenbruch in Deutschland voraussagen, um aus der Verunsicherung der Menschen Kapital zu schlagen. Sie vertreten in der Regel eine marktradikale, rechtslibertäre Ideologie, einige von ihnen stehen der AfD nahe. Beispiele sind Max Otte (ehemaliger Vorsitzender der WerteUnion), Thorsten Schulte und Markus Krall. Rechte Crash-Prophet*innen (tatsächlich treten… Weiterlesen, Reichsbürger und völkische Sekten: Unter den Corona-Rechten im Raum Frankfurt agieren Gruppen und Personen, die neben politischen auch lukrative finanzielle Interessen verfolgen. Sie arbeiten mit Heilsversprechen und bedienen die Sehnsucht der Menschen Geltung, Gemeinschaft und einfachen Lösungen.
Am 14. Februar 2022 versammelten sich 60 Corona-Leugner*innen und ImpfgegnerImpfskepsis und Impffeindschaft sind begrifflich voneinander zu trennen. Impfskepsis meint, Versprechungen der Pharmaunternehmen kritisch zu hinterfragen und auf der Basis wissenschaftlicher Evidenz abzuwägen, welche Impfungen man für notwendig hält. Impffeindschaft bedeutet, Impfungen kategorisch abzulehnen. Dies ist in der Regel ideologisch begründet und Ausdruck von Wissenschaftsleugnung, Verschwörungsdenken und Sozialdarwinismus. Impffeindschaft ist untrennbar mit der Anfeindung der Schulmedizin verbunden und hat seine…*innen in Frankfurt am Römer. Eine Ecke weiter am Paulsplatz fanden sich weitere 30 ein. Die Gruppe am Paulsplatz reklamierte lautstark, »die wahre Bewegung« zu sein, die einzig und allein für die Sache stehe. Den Organisator*innen des Treffens am Römer ginge es hingegen nur »um die Finanzen«.
Da »Corona-Proteste«Mit dem Begriff »Corona-Proteste« lassen sich die Aktivitäten zusammenfassen, die von einem Spektrum getragen werden, das sich »Corona-Rebellen« nennt und glaubt, eine »Freiheitsbewegung« gegen eine »Corona-Diktatur« zu sein. Ihre Aufzüge und Aktionen wende(te)n sich thematisch vordergründig gegen Einschränkungen durch die Corona-Maßnahmen und gegen einen angeblichen »Impfzwang«, doch wird dort im allgemeinen Konsens die Gefährlichkeit des Virus geleugnet und es werden… ein Magnet für Wichtigtuer*innen sind, sind derartige Streits und Spaltungen nicht unüblich. Der Vorfall zeigt: Selbst unter gerade mal 100 Personen, die gegen Impfungen und Corona-Maßnahmen auf die Straße gehen, zankt man sich wegen des Geldes.
»Jede neue Kultur beginnt mit einem eigenen Markt« – das sagt Jens Becker, der von Frankfurt aus einen Onlineshop der Reichsbürger-GruppeReichsbürger bilden ein heterogenes Spektrum von AktivistInnen und Gruppen, die den Fortbestand des Deutschen Reiches propagieren. Je nach Gruppierung wird dabei auf das Deutsche Reich in unterschiedliche territorialer Ausdehnung Bezug genommen oder es werden eigene »Königreiche« ausgerufen. Dabei verfließen die Kreise der Reichsbürger mit denen der SelbstverwalterInnen. Reichsbürger behaupten u.a., dass Deutschland kein souveräner Staat sei, sondern ein Konstrukt der… Königreich DeutschlandDie Gruppe Königreich Deutschland (KRD) zählt zum Spektrum der Reichsbürger und Selbstverwalter. Sie behauptet, einen völkerrechtlich souveränen Staat namens Königreich Deutschland zu verwalten. Anhänger*innen des KRD treten als Corona-Leugner*innen und Impfgegner*innen in Erscheinung. Sie glauben an die Germanische Neue Medizin, Chemtrails und QAnon. Ihr Anführer Peter Fitzek aus Sachsen-Anhalt erzählt, dass die jüdische Organisation Chabad den Ukraine-Krieg dirigieren würde. Das… (KRD) betreibt. Er hat Recht. Es liegt im Wesen des Kapitalismus, dass jede Kultur, die in neuen Szenen und Bewegungen entsteht, umgehend kommerziell erschlossen wird. Und doch ist bemerkenswert, wie ungeniert sich (rechte) Geschäftemacher*innen von Anfang an am »Corona-Protest« bedienten.
Ein Beispiel ist der Stuttgarter Unternehmer Michael Ballweg, der die Querdenken-Bewegung aufbaute und bis 2021 anführte. Er besaß die Chuzpe, »Querdenken« als Marke auf sich persönlich eintragen zu lassen und zu vermarkten. Mehrere hunderttausend Euro aus Spenden und dem Querdenken-Merchandise landeten auf seinen Konten, eine nicht genau feststellbare Summe davon verschwand in undurchsichtigen Transaktionen.
Krisen befeuern Ängste. Damit nimmt die Bereitschaft zu, neue Weltdeutungen wahr- und anzunehmen. Davon profitieren jene, die einfache (vermeintliche) Wahrheiten verkaufen und neue Erkenntnishorizonte oder ein neues Leben fernab von Gefahren und Ängsten versprechen. So wird die Krise zum Geschäftsmodell.
Historisches Vorbild: Lebensreform-Bewegung
Im »Corona-Protest« verbinden sich zwei Stränge, die nur auf den ersten Blick widersprüchlich zueinander zu stehen scheinen. Zum einen versammelt sich dort eine antimoderne Strömung, die sich mit der Lebensreform-Bewegung Ende des 19. / Anfang des 20. Jahrhunderts vergleichen lässt. Zum Zweiten findet sich ein ultra-neoliberaler Zeitgeist, der sich gegen jeden staatlichen Eingriff ins Private und Wirtschaftliche wendet. Ihn treibt kein antiautoritärer Freiheitsgedanke, sondern die grundsätzliche Ablehnung gesellschaftlicher Verantwortlichkeit. Die Klammern, die diese Strömungen zusammenhalten, sind reflexhafte Ressentiments gegen »die da oben«, SozialdarwinismusSozialdarwinismus ist ein Kernelement rechter Ideologie. Er gründet im Biologismus und überträgt die Evolutionstheorie von Charles Darwin eins zu eins auf menschliche Gesellschaften. Daraus folgen die Überzeugungen von einem ständigen »Kampf ums Dasein«, der Selbstverständlichkeit sozialer Hierarchien und der Ungleichwertigkeit von Menschen. Dies bewirkt eine verachtende Perspektive auf Menschen, die körperlich, intellektuell oder ökonomisch als schwächer angesehen werden. Sie werden… und das Bedürfnis, sich Krisen durch einfache Gut-Böse-Schemata und VerschwörungsmythenBeim Thema Verschwörungen ist häufig von Verschwörungstheorien und Verschwörungstheoretiker*innen die Rede. Allerdings verbinden viele Menschen mit dem Begriff »Theorien« Erklärungen, die an der Realität gemessen werden können. Etliche Erzählungen, die in der rechten Verschwörungsszene kursieren, sind jedoch frei von Fakten und Schlüssigkeit. Beispiele hierfür sind die Behauptungen, dass am 11. September 2001 gar kein Flugzeug ins Pentagon geflogen sei, dass… zu erklären – oft antisemitisch konnotiert und bisweilen offen antisemitisch.
Ein Blick auf die historische Lebensreformbewegung trägt zum Verständnis des einen Teiles dieser Bewegung bei. In seinem aktuellen Buch »Verqueres Denken – Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus« bezeichnet der Autor Andreas Speit die »Corona-Proteste« als einen »Ausdruck einer dritten Lebensreform-Bewegung«.
Die erste Lebensreformbewegung entstand Mitte des 19. Jahrhunderts als Reaktion auf die gesellschaftlichen Umbrüche ihrer Zeit. Sie sah in der Technisierung und Industrialisierung, im Konsumismus und in der Verstädterung eine Entfremdung des Menschen vom »wahren« Leben. Sie ging davon aus, dass es einen idealen und irgendwie ursprünglichen Zustand des Daseins gäbe und ignorierte, dass Menschen, Ökosysteme und Gesellschaften sich nicht statisch verhalten, sondern sich fortlaufend verändern. Motive von Reinheit und Natürlichkeit wurden für die Bewegung prägend, die gesunde Ernährung, Umweltschutz, Tierschutz, Vegetarismus und Freikörperkultur propagierte. Und sie glaubte, einen Weg zwischen Kapitalismus und Sozialismus zu finden, idealisierte Handwerk, Kleinbauerntum und zinsfreie Geldwirtschaft.
Die Bewegung war heterogen und trat nicht geschlossen auf. Große Teile von ihr waren völkisch ausgerichtet. Als idealtypisch galt der »nordische« (später auch arische) Mensch, man propagierte »Rasseschutz« und sah im Judentum die Wurzel allen Übels. In diesem AntisemitismusAntisemitismus ist eine tragende Ideologie der rechten Verschwörungsszene und tritt dort in vielen Facetten in Erscheinung. Als übergeordnete Verschwörungsmythos dient der Szene ein angeblicher Plan einer »globalistischen Elite« zur Schaffung einer Neuen Weltordnung. Darin spiegeln sich viele Elemente der seit fast 2000 Jahren virulenten Erzählungen von einer angeblichen jüdischen Weltverschwörung wieder: Die Ansicht, dass »heimatlose« Jüd*innen kultur- und heimatlose »Einheitsmenschen«… Weiterlesen und den Vorstellungen der Natürlichkeit gründet die Feindschaft der Bewegung gegen das Impfen. In der Schulmedizin und im Impfen glaubte man eine Waffe von Jüd*innen zu erkennen, mit der Menschen manipuliert und beherrscht werden können. Dem setzte man eine »Naturheilkunde« entgegen. Die Parallelen zur Corona-Rechten sind in der Tat auffällig.
Zu viele, als dass man sie ignorieren könnte
Menschen, die glauben, dass sie durch Corona-Masken Nanobots – Miniroboter – einatmen, die mitten in Deutschland ein »Königreich« errichten wollen und der Meinung sind, dass die »BRD« dieses völkerrechtlich anerkennen müsse – die Versuchung ist groß, solche Menschen für »verrückt« zu erklären und nicht ernst zu nehmen. Doch die »Corona-Proteste« zeigen: Es sind nicht wenige, die solchen oder ähnlichen Mythen aufsitzen oder diese »Ansichten« zumindest interessant finden. Zu viele, als dass man sie ignorieren könnte. Und vermutlich werden es noch mehr werden: Unwetterkatastrophen, die Pandemie, ein Krieg kaum mehr als 1.000 Kilometer von hier entfernt. Endzeit-Szenarien werden für viele konkret, die Verunsicherung nimmt zu und mit ihr das Geschäft mit Verschwörungserzählungen und Versprechungen von einem »neuem Leben«.
Dieser Artikel wurde zuerst veröffentlicht auf dem Blog der Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien.