Die »Tafelrunde« und ihre Kreise

Treffen der »Frankfurter Tafelrunde« im Restaurant »Schwarzer Stern« am Römerberg am 26. Januar 2024.
Treffen der »Frankfurter Tafelrunde« im Restaurant »Schwarzer Stern« am Römerberg am 26. Januar 2024. © dokunetzwerk rhein-main

Schwarzbraune Schatten im bunten Frankfurt

Der »Skandal« um die Frankfurter Tafelrunde war im politischen Großbetrieb in Frankfurt nur ein Randthema. Dort dominiert die Ansicht, dass das Milieu der Tafelrunde nur ein kleines rechtes Biotop sei, in dem ein paar ausgemusterte Gestalten um ihr politisches Überleben kämpfen. Diese Überheblichkeit kann schlimme Folgen haben.

Am 26. Januar fand in der »Römerstube« im Restaurant »Schwarzer Stern« am Frankfurter Römerberg eine interne Veranstaltung der Frankfurter Tafelrunde statt, die von Fotojournalist*innen dokumentiert wurde. Der hessische AfD-Landessprecher Andreas Lichert referierte vor etwa 50 geladenen Gästen. Zwei Tage später veröffentlichte eine antifaschistische Recherchegruppe Details zu dem Treffen und benannte als Gastgeberin die Hofheimerin Astrid Gräfin von Luxburg. Nachdem weitere Medien dies aufgriffen, versuchte sich von Luxburg aus der Affäre zu ziehen – doch fast alles, was sie zu ihrer Verteidigung vorbrachte, erwies sich als unwahr.

Nachdem Antifaschist*innen das Treffen am Abend des 26. Januar ausgemacht hatten, erfolgte direkt eine Reaktion: Eine antifaschistische Demonstration, die Fridays for Future Frankfurt organisiert hatte, verlegte ihre Abschlusskundgebung spontan zum Römerberg, um gegen das Treffen zu protestieren. Bei der Tafelrunde, die jede Öffentlichkeit scheut, geriet man in helle Aufregung, die sich jedoch bald legte, da es der Polizei gelang, die antifaschistische Kundgebung aufzulösen, indem sie falsche Information verbreitete, es handele sich bei dem Treffen im »Schwarzen Stern« um ein Abendessen von internationalen Messegästen.

In den folgenden Wochen thematisierten mehrere Artikel in der Frankfurter Rundschau, im Journal Frankfurt und in der FAZ die Geschehnisse. Auch die von Luxburgs reagierten. Zunächst gaben sie an, es habe sich bei dem Treffen im »Schwarzen Stern« nicht um die Frankfurter Tafelrunde gehandelt, sondern um eine gänzlich unpolitische, lediglich der Tafelkultur verpflichtete »Tafelrunde Frankfurt«. Zum selben Zeitpunkt bestätigten Lichert und andere Teilnehmende hingegen, dass es ein Treffen der seit nunmehr 70 Jahren bestehenden Frankfurter Tafelrunde war. Dann tischte von Luxburg der Öffentlichkeit auf, Andreas Lichert sei nur als Sohn eines Tafelrunde-Mitglieds dabei gewesen und habe spontan zu den Anwesenden gesprochen. Ganz so, als sei es in gehobenen Kreisen üblich, dass Teilnehmende ihre Verwandtschaft mitschleppen, die dann spontan die einzige Rede des Abends übernimmt. Licherts Vater lehnt die politischen Ideen seines Sohnes übrigens rundweg ab, und es deutet nichts darauf hin, dass er dort teilgenommen hatte.

Astrid und Rüdiger von Luxburg bestritten per Statement auf ihrer Webseite und in einem Leserbrief in der FAZ ihre Involviertheit in rechte Kreise vehement. Sie stellten sich als unpolitische Kulturschaffende und ihre Tafelrunde als ein Spiegelbild der »Vielfalt und Internationalität unserer weltoffenen Stadt« dar. Licherts Rede sei nicht rassistisch gewesen, sondern habe über »potenzielle und reale Koalitionen« nach den Landtagswahlen in Hessen gehandelt. Bleibt die Frage: Wieso lassen sich unpolitisch-weltoffene Kulturschaffende beim Mehr-Gänge-Menü ausgerechnet von einem Vertreter des völkischen-neofaschistischen Flügels der AfD die politischen Verhältnisse nach der Landtagswahl erklären?

Astrid Gräfin von Luxburg (vormals Astrid Jacobs) und Rüdiger Graf von Luxburg (vormals Rüdiger Jacobs) präsentieren sich auf ihrer Webseite als weltgewandt und kulturbeflissen.

In dem Statement beschwerte sich Astrid Gräfin von Luxburg über eine »Verleumdungskampagne […] anlässlich eines privaten Abendessens«. Doch alles, was die antifaschistische Recherchegruppe veröffentlichte, ließ sich im Nachhinein bestätigen und belegen. Mit einer Ausnahme: Die Antifa-Gruppe schreibt über eine »Vernetzung aus Wirtschaft, Adel und AfD« und meint mit Adel offensichtlich die von Luxburgs. Doch sind diese in »Adelskreisen« nicht akzeptiert, da sie ihre gräflichen Titel durch Adoption erworben haben. Eigentlich heißen sie Rüdiger Jacobs und Astrid Jacobs, geb. Winter.

Dies alles ist Grund genug, den Vorhang weiter zu lüften und ein wenig mehr Licht in die Schattenwelt der Frankfurter Braunzone zwischen Neonazis und rechten Konservativen zu werfen. Es ist zugleich eine Welt der Schönfärberei, Hochstapelei und Prahlerei, in der sich Wichtigtuerin und Gernegroß die Klinke in die Hand geben. Und mittendrin ein Ehepaar, bei dem einiges nicht so ist, wie es nach außen verkauft wird.

Rechte Kontinuität seit 70 Jahren: Die Frankfurter Tafelrunde

Die Frankfurter Tafelrunde wurde 1953 gegründet. Ein 2001 im Ostpreußenblatt erschienener Artikel zitiert aus der Selbstdarstellung der Tafelrunde als ein exklusiver, ausgesuchter »Kreis von Herren, die sich zur Fortbildung auf vielen Wissensgebieten und zur Pflege der Geselligkeit zusammengefunden haben«. Derselbe Artikel zitiert zudem aus den 1967 niedergeschriebenen Grundsätzen der Tafelrunde:

»Der Tafelrunde liegt die Pflege guter Überlieferung und die Vertiefung der Persönlichkeit am Herzen. Sie bekennt sich zum Begriff des gebildeten Abendländers, der den Wert der guten Erziehung, der inneren Vornehmheit und des Herzenstaktes zu schätzen weiß. Ihre Mitglieder sind der Ansicht, dass durch die Pflege dieser zeitlos gültigen Werte den Vermassungstendenzen zumindest im eigenen Kreis entgegengewirkt werden kann.«

Grundsätze der Tafelrunde, 1967, zitiert 2001 im Ostpreußenblatt

Deren Treffen finden aktuell immer am letzten Freitag eines Monats von Oktober bis Mai statt. Es sind Vorträge und Gesprächsrunden in gediegenem Rahmen zu »abendländischen« Themen. Hinter dem Begriff »Abendland« steht die rassistische Idee eines weitgehend homogenen westeuropäischen »Kulturkreises«, der gegen fremde und insbesondere nicht-christliche Einflüsse zu verteidigen sei. Hinzu kam oft die Idee eines europäischen Föderalismus und Neutralismus als »dritter Weg« jenseits der Blockkonfrontation des Kalten Krieges, aus der Gegnerschaft zu Transatlantismus und jeder Form von Amerikanismus abgeleitet wurde. Die Frankfurter Tafelrunde positionierte sich in ihren Anfangsjahren genau in diesem Spektrum »abendländischer« Politik.

Die Zusammenkünfte sind sorgsam arrangiert. So wird etwa festgelegt, wer mit wem am Tisch sitzt und erst nach dem Ende des Referats und der Diskussionsrunde geht man zum ungezwungenen Teil des Abends über.

Über die Geschichte der Frankfurter Tafelrunde ist ansonsten nicht viel bekannt. Der 2001 erschienene Artikel im Ostpreußenblatt behauptet, sie sei ein Kreis von führenden politischen und wirtschaftlichen Personen des Rhein-Main-Gebiets. Auch soll die Tafelrunde 1969 die Gründung der nationalkonservativen Zweimonatszeitschrift Konservativ heute initiiert haben, die 1981 mit der ihr nahestehenden Zeitschrift Criticón fusionierte. Criticón war eine der ersten Publikationen, in denen die Ideen der französischen »Nouvelle Droite« im deutschsprachigen Raum verbreitet wurden. Die »Nouvelle Droite« (»Neue Rechte«) entstand als eine Strömung der französischen Rechten, die sich vom NS-Faschismus und einer »Alten Rechten« abgrenzte. Ihr Ideengebäude blieb jedoch im Kern faschistisch. In der BRD entstand nun eine »Neue Rechte«, die ihre Impulse aus der »Nouvelle Droite« zog und nun, von braunem Stallgeruch entledigt, ein wichtiges Scharnier zwischen Rechtskonservativen und extremen Rechten bilden konnte.

Nach wie vor stand man in der Tafelrunde mehrheitlich der CDU nah, war aber nach rechtsaußen weit offen. Die Zeitschrift Criticón und die Thesen der »Nouvelle Droite« begleiteten die Aktiven der Tafelrunde auch weiterhin. Der Frankfurter CDU-Funktionär Wolfgang Bodenstedt stand der Tafelrunde in den 1990er Jahren vor. Er schrieb für Criticón und die Zeitung Junge Freiheit (JF). Die JF, 1986 gegründet, zielte ins »nationalkonservative« Lager, also in die Braunzone zwischen Neonazis und Christdemokratie. Junge-Freiheit-Leserkreise entstanden Anfang der 1990er Jahre in der ganzen Republik. Sie sammelten vornehmlich Rechte aus den Spektren der CDU/CSU und der damals noch relevanten Rechtspartei Die Republikaner, in den Universitätsstädten rekrutierten sie sich vor allem aus Studentenverbindungen.

Bodenstedt fiel in den 1990er Jahren in Frankfurt immer wieder durch rassistische Hetze auf: Er fabulierte, die fehlende Sauberkeit im Stadtteil Fechenheim hänge »mit dem hohen Ausländeranteil zusammen«, und kommentierte einen rassistischen Brandanschlag auf ein von Roma bewohntes Haus damit, dass diese sich nicht angepasst hätten. Er war eine führende Person des Christlich-Konservativen Deutschland-Forums (CKDF), einer politischen Vereinigung am rechten Rand der CDU, vergleichbar mit der WerteUnion bis zu ihrer Abspaltung von der Mutterpartei. Bodenstedt blieb noch bis 2008 Mitglied der CDU, 2019 wurde er in den Frankfurter AfD-Kreisverband aufgenommen.

Über die Jahrzehnte blieben einige Konstanten der Tafelrunde erhalten: Etwa 50 TeilnehmerInnen kamen pro Veranstaltung, jedes Mitglied konnte Gäste mitbringen, und wer seit längerer Zeit teilgenommen hatte, konnte als Mitglied vorgeschlagen werden. Ein »Senat« bildete das Lenkungsgremium der Tafelrunde. Das ursprüngliche Selbstverständnis als Männerzirkel, der »Damen« nur zu bestimmten Anlässen einlädt, wurde augenscheinlich mit der Zeit aufgeweicht.

Die Tafelrunden-Referenten, die das Ostpreußenblatt 2001 nennt, stellen das Who-is-Who der Braunzone zwischen Konservatismus und intellektueller extremer Rechter dar: Demnach traten dort etwa der Publizist Karlheinz Weißmann, später Kopf des neofaschistischen Instituts für Staatspolitik, der Bonner Professor Hans-Helmuth Knütter, der als geistiger Vater der »Anti-Antifa« gilt, und der ehemalige Moderator des ZDF-Magazins Gerhard Löwenthal auf. Prominente Vortragende waren zudem Jörg Haider, der Vorsitzende der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) und Susanne Riess-Passer, ebenfalls von der FPÖ und zeitweise österreichische Vizekanzlerin. Ein weiterer Referent war Generalmajor a.D. Gerd Schultze-Rhonhof, ein Geschichtsrevisionist, der dadurch bekannt wurde, dass er Polen, Großbritannien und Frankreich eine erhebliche Mitschuld am Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zuweist.

Durch den Ostpreußenblatt-Artikel wurde öffentlich, was offenbar nie öffentlich hätte werden sollen. Die Tafelrunde stand für kurze Zeit im medialen Fokus – um schließlich im noch Geheimeren weiterzumachen. Seit Anfang der 2000er Jahre drang nichts mehr von ihr nach außen. Man war sich der skandalträchtigen Konstellation ihrer Treffen – zeitweise reichte das TeilnehmerInnenfeld von CDU bis NPD – durchaus bewusst. Ehemalige Teilnehmer erzählen heute, dass Anfang der 2010er Jahre die Frage nach der Gründung einer neuen Rechtspartei über allem schwebte: Rechtspopulistisch bis extrem rechts, migrationsfeindlich, wirtschaftlich liberal. In dieser Zeit referierten dort Vertreter des Instituts für Staatspolitik wie Erik Lehnert oder der bereits in den 1990ern aufgetretene Karlheinz Weißmann. Auch die Frage nach Finanzierungsmöglichkeiten wurde diskutiert und entsprechende Kontakte geknüpft. So zum rechten Mäzen August von Finck jr. und zum windigen rechten Geschäftsmann Tom Rohrböck, der zu dieser Zeit ein Netzwerk knüpfte, um eine Partei nach Vorbild der FPÖ auf die Beine zu stellen. Auch Rohrböck nahm an Treffen der Tafelrunde teil. Die Tafelrunde dieser Zeit war vor allem ein Ankerpunkt für (ehemalige) RepublikanerInnen und CDU-Mitglieder, denen die Merkel-CDU zu lasch wurde. Zum Kristallisationsmoment für letztere wurde 2010 das Manifest gegen den Linkstrend des CDU-Funktionärs Friedrich-Wilhelm Siebeke, das die Aktion Linkstrend stoppen initiierte und damit das Erbe des CKDF antrat. Zahlreiche Tafelrunden-Mitglieder verband zudem die Mitgliedschaft in schlagenden Studentenverbindungen.

Der frühere Republikaner und jetzige Freie-Wähler-Angehörige Boris Rupp aus Wetzlar war nach Auskunft eines ehemaligen Tafelrunden-Mitglieds in den 2010er Jahren als rechter Netzwerker in und um die Tafelrunde aktiv. Auch Frank Franz, damals NPD-Landesvorsitzender im Saarland, nahm mehrfach an Tafelrunde-Treffen teil. Nach wie vor pflegte die Tafelrunde ein elitäres Gehabe: Die Einladungen waren äußerst förmlich gehalten, zwischen den Gängen gab es Referate und Gespräche, nach dem formellen Teil ungezwungenes Netzwerken. Nicht zuletzt ging es dabei um die Akquise von Geldmitteln – für den Aufbau einer Partei wie der AfD.

AfDler bei der Tafelrunde

Als der hessische AfD-Landessprecher Andreas Lichert am 26. Januar 2024 bei der Tafelrunde referierte, war er nicht zum ersten Mal da. Schon knapp 15 Jahre vorher, lange vor seiner Parteilaufbahn in der AfD, wohnte er Tafelrunden-Treffen bei. Lichert war am 26. Januar nicht der einzige AfDler im »Schwarzen Stern«. Der Friedberger Karel Marel, der zum äußersten rechten Flügel der Partei zählt und in den vergangenen Jahren bei Corona-Protesten im Gefolge von Lichert mitlief, nahm ebenso teil. Und auch Martin Hohmann aus Neuhof (bei Fulda) war anwesend, der im Jahr 2003 als CDU-Bundestagsabgeordneter wegen einer antisemitischen Rede aus Fraktion und Partei ausgeschlossen wurde. Zwischen 2017 und 2021 saß Hohmann als Abgeordneter der AfD im Bundestag.

Der Friedberger Antiquar und AfD-Funktionär Karel Marel beim Treffen der »Tafelrunde« am 26. Januar 2024 im »Schwarzen Stern« (links) und am 27. November 2021 als Entourage von Andreas Lichert auf einer »Corona-Demo« in Frankfurt (rechts). © dokunetzwerk rhein-main

Hohmann ist nicht der einzige aus dem in der hessischen CDU tief verwurzelten »Stahlhelm-Flügel«, der zur AfD wechselte. Eine ganze Reihe ehemaliger hessischer und Frankfurter CDU-Politiker sind inzwischen an zentralen Stellen in der AfD aktiv, unter ihnen neben Hohmann Alexander Gauland, Albrecht Glaser und Erika Steinbach.

Ein weiterer AfD-Politiker bei der Tafelrunde der letzten Jahre war Frank Grobe aus Eltville im Rheingau, der aktuell parlamentarischer Geschäftsführer der AfD-Fraktion im hessischen Landtag ist.

Innerhalb der AfD werden völkische und neofaschistische Positionen vor allem vom Flügel um den Thüringer AfD-Politiker Björn Höcke vertreten. Höcke referierte im Januar 2016 bei der Frankfurter Tafelrunde, wie die Autonome Antifa Freiburg recherchierte. Als Entdecker und wichtiger Förderer von Höcke galt der 2018 in Offenbach verstorbene Heiner Hofsommer, der in den 1990ern CDU-Landtagsabgeordneter war und später AfD-Gründungsmitglied wurde. Auch er war offensichtlich auf Treffen der Frankfurter Tafelrunde gewesen.

Björn Höcke spricht am 4. März 2021 auf einer AfD-Kundgebung in Offenbach. © Pixelarchiv

Ein gewichtiges Sprachrohr in Höckes Umfeld ist heute das Institut für Staatspolitik (IfS). Bei der Frankfurter Tafelrunde waren seine Vertreter stets mittendrin statt nur dabei. Das IfS wurde 2000 gegründet, 2001 folgte die Gründung des Vereins für Staatspolitik, der als gemeinnützig anerkannter Unterstützerverein des IfS auftritt und von 2001 bis 2003 seinen Sitz in Bad Vilbel hatte. Von 2007 bis 2018 war Lichert erster Vorsitzender des Vereins. Dass er von diesem Amt zurücktrat, dürfte in der Hauptsache damit zu tun haben, dass er als hoher Funktionär der hessischen AfD nicht mehr unmittelbar mit einem Verein in Verbindung gebracht werden wollte, der sich – zu erkennen in den Artikeln der IfS-Zeitung Sezession, die das publizistische Erbe des Criticón antrat – immer offener neofaschistischen Ideen zuwandte. Seit Jahren bildet das IfS eine bedeutende Schnittstelle zwischen rechtskonservativen und extrem rechten bis neofaschistischen Spektren.

Am Beispiel des IfS schließt sich wieder der Kreis zur Frankfurter CDU, genauer: zur Studierenden-Organisation der Union, dem Ring Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS). Bei Gründung des Vereins für Staatspolitik wurde Karlheinz Weißmann zum Vorstandsvorsitzenden gewählt, zweiter Vorsitzender wurde der heutige IfS-Leiter Götz Kubitschek. Den Posten des ersten Vorsitzenden bekam der Frankfurter Marc Oesau. Interessant dabei ist, dass Oesau nicht im öffentlichen und online verfügbaren Vereinsregisterauszug des Vereins auftaucht, sondern nur in den internen Dokumenten. Es scheint, als sei ihm zu dieser Zeit schon klar gewesen, auf welch heikles politisches Terrain er sich begibt. Oesau vertrat den RCDS Anfang der 1990er Jahre im Senat der Goethe-Universität und kandidierte mehrfach bei den Wahlen zum Studierendenparlament. Auf derselben RCDS-Wahlliste im Jahr 1991 standen auch Rüdiger Jacobs und Astrid Winter, spätere Astrid Jacobs und Gräfin von Luxburg.

Hochschulwahlen an der Frankfurter Universität 1991. Auf der RCDS-Liste kandidieren Marc Oesau (Platz 6), Astrid Winter (Platz 8) und Rüdiger Jacobs (Platz 16).

Die lange rechte Geschichte von Rüdiger und Astrid Jacobs

Astrid und Rüdiger Jacobs begannen ihre gemeinsame politische Karriere in den 1990er Jahren im Frankfurter RCDS. Nicht nur IfS-Mitgründer Oesau war dort zeitweise mit ihnen gemeinsam aktiv, sondern auch der heutige hessische Ministerpräsident Boris Rhein. Berichten von RCDS-Aussteigern zufolge soll Rüdiger Jacobs aus großbürgerlichem Haus kommen und ein finanziell bestens abgesicherter Langzeitstudent gewesen sein. 1987 wurde er in die Katholische Deutsche Studentenverbindung Greiffenstein im Frankfurter Nordend aufgenommen und gehört ihr weiterhin, nun als Alter Herr, an. Sein Bundesbruder Kai William Bontas ist derzeitiger Landesvorsitzender des hessischen RCDS.

In den Jahren 1988 und 1989 soll Rüdiger Jacobs an Versuchen beteiligt gewesen sein, einen Republikanischen Hochschulverband (RHV), einen studentischen Ableger der Partei Die Republikaner, in Frankfurt aufzubauen. Nachdem diese Versuche erfolglos blieben, fokussierte sich Jacobs auf den RCDS, Dort brachte er es in den 1990er Jahren zum hessischen Landesvorsitzenden und war zeitweise auch am AStA der Goethe-Universität beteiligt. Daneben engagierte er sich als Vorsitzender des Frankfurter Kreisverbands der Paneuropa-Jugend. Die Paneuropa-Union, an deren Spitze jahrzehntelang der letzte Kronprinz Österreich-Ungarns Otto Habsburg stand, tritt für ein christlich-klerikal geprägtes »Europa der Vaterländer« ein, basierend auf »abendländischer« Kultur.

Innerhalb des Frankfurter RCDS galt Rüdiger Jacobs gemeinsam mit Thilo Stratemann – der bis heute der Frankfurter CDU angehört – als Vertreter einer »neurechten« Fraktion, die der Jungen Freiheit nahestand, an einem Leserkreis dieser Zeitung beteiligt war und ab 1994 die Führung des Frankfurter RCDS übernahm. Stratemann und Jacobs sollen sich nach Aussage von ehemaligen politischen Weggefährten zu dieser Zeit um rechte Vernetzung bemüht haben. Ein Beispiel hierfür ist der Staatspolitische Club Rhein-Main, dem beide angehört haben sollen. Der bestand in den 1990er Jahren als ein sich intellektuell gebender Kreis im Umfeld der Jungen Freiheit. Geleitet wurde er von Lothar Lauck, einem ehemaligen Vorsitzenden der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemokraten (JN) in Hessen.

Zusätzlich zu seinem Jura-Studium studierte Rüdiger Jacobs diverse Geistes- und Kulturwissenschaften, darunter Politikwissenschaft, Philosophie und Musikwissenschaft. Bereits nach seiner Zulassung als Rechtsanwalt promovierte er 2010 im Fach Musikwissenschaft mit einer Arbeit über die staatstheoretischen Schriften von Richard Wagner. Brisantes Detail: 2013 veröffentlichte Rüdiger Jacobs im neofaschistischen Ares Verlag ein Buch, das er selbst im Vorwort als »zweiter Teil der Dissertation« bezeichnet. Es handelt sich im Widerspruch dazu jedoch nicht um einen Teil der bei der Fakultät eingereichten und begutachteten Dissertationsschrift. Hier versuchte Jacobs wohl, seinem Wagner-Büchlein akademische Würden anzudichten – eine Form akademischen Fehlverhaltens, die die zuständigen Gremien der Goethe-Universität interessieren dürfte. Der Ares Verlag ist ein Tochterunternehmen des österreichischen Leopold Stocker Verlags; sein Deutschland-Vertrieb wird vom Antaios Verlag durchgeführt, dem Hausverlag des Instituts für Staatspolitik. Jacobs’ Wagner-Bücher wurden unter anderem in der Sezession und der Jungen Freiheit überaus positiv besprochen.

Im Vorwort jenes Buches, das im Ares Verlag erschien, bezeichnet Rüdiger Jacobs Werner Olles und Günter Maschke als seine Freunde. Olles ist ein Publizist der extremen Rechten mit einer linken Vergangenheit. Er wohnt am Frankfurter Berg und kandidierte bei den Kommunalwahlen für die AfD. Maschke, der ebenfalls auf eine 68er-Vergangenheit zurückblicken konnte, bewegte sich zuletzt vor allem im Umfeld des Instituts für Staatspolitik. Er verstarb 2022; seine Todesanzeige in der FAZ unterzeichnete neben Werner Olles und dem IfS-Leiter Götz Kubitschek auch Rüdiger Jacobs – hier als »Rüdiger Jacobs v. Luxburg«.

Traueranzeige für den extrem rechten Publizisten Günter Maschke in der FAZ. Als »Prof. Dr. Rüdiger Jacobs v. Luxburg« unterzeichnet auch Rüdiger Jacobs. Die übrigen Unterschriften stammen fast ausschließlich von PublizistInnen aus dem extrem rechten und neofaschistischen Milieu.

Durch Adoption hatte Rüdiger Jacobs den Adelstitel »Graf von Luxburg« erworben; es werden Summen von 20.000 Euro kolportiert, mit dem man sich einen derartigen Adelstitel kaufen könne. In Adelskreisen blickt man verächtlich auf derartige »Passgrafen« – und auch auf das sonstige Gebaren des Pseudo-Adligen. So heißt es, Jacobs suche nach Nähe zu adligen Kreisen, dränge sich förmlich auf und versuche, sich so Vorteile zu verschaffen.

Astrid Jacobs (links) und Rüdiger Jacobs (rechts) 2015 neben einem Bismarck-Porträt und dessen Leihgebern Ute und Wolf-Dietloff von Bernuth im Schlosshotel Kronberg. © Taunus Nachrichten

Astrid Gräfin von Luxburg, vormals Astrid Jacobs und Astrid Winter, trat Anfang der 1990er Jahre dem Frankfurter RCDS bei. Anfang der 2000er Jahre war sie Vorsitzende des RCDS Hessen und trat als solche 2003 bei einer Tagung der Deutschen Burschenschaft (DB) in Landau (Pfalz) auf. In der DB tummelten sich zu dieser Zeit bereits offen neonazistische Studentenverbindungen, auch schließt die DB seit jeher Frauen kategorisch aus. Die hessische RCDS-Vorsitzende kümmerte Derartiges offensichtlich nicht.

Bereits neben ihrer Dissertation über Marcel Proust machte sie sich unter dem Namen »Winter-Kultouren« als Kulturvermittlerin selbstständig; später führte sie dies unter dem Namen »Kultur-Erlebnis« weiter. Fortan wirkten Astrid und Rüdiger Jacobs – sie heirateten in den 2000er Jahren – gemeinsam als Lehrbeauftragte an Hochschulen und führten zu horrenden Preisen Zahlungswillige über den IG-Farben-Campus, durch das Museum Giersch der Goethe-Universität und verschiedene Ausstellungen. Sie konzipierten Veranstaltungsformate, die sich in der Regel an ein zahlungskräftiges Taunus-Publikum richten. Zahlreiche Auftraggeber*innen haben sich inzwischen von ihnen distanziert, die Frankfurt University of Applied Sciences prüft, ob die Lehraufträge weitergeführt werden, die Stadt Bad Vilbel hat die Zusammenarbeit mit Astrid Jacobs gänzlich eingestellt.

Astrid Jacobs 2013 als Sprecherin der Initiative »Frankfurter Altstadt retten« 2013. © rheinmaintv

Politisch trat das Ehepaar seit der gemeinsamen Zeit im RCDS nur noch einmal öffentlich auf: beim Ringen für eine »Neue Altstadt«. Die Rekonstruktion der Vorkriegsbebauung war von rechten Kreisen, insbesondere den Bürgern für Frankfurt (BFF) beantragt und letztendlich durchgesetzt worden (siehe hierzu den Beitrag von Sebastian Hell in LOTTA #84). Die Pläne, die zur Ausführung kamen, sahen eine Rekonstruktion einiger als »charakteristisch« eingestuften Altstadthäuser vor, nebst einigen modernen Fassaden. Doch einer Bürgerinitiative unter dem Namen »Frankfurter Altstadt retten« ging das nicht weit genug: Per Unterschriftensammlung forderte man einen Bürgerentscheid, der die vollständige originalgetreue Rekonstruktion der Altstadt erzwingen sollte. Die Sammlung schlug fehl und die Altstadt wurde wie geplant gebaut; ein Zugeständnis an die Rekonstruktionsfans in rechten Kreisen bleibt sie trotzdem. Als Sprecherin der Initiative »Frankfurter Altstadt retten« trat Astrid Jacobs auf, Fotos zeigen sie gemeinsam mit ihrem Ehemann Rüdiger beim Unterschriftensammeln.

Unterschriftenübergabe des Bürgerbegehrens »Frankfurter Altstadt retten!« am 20. März 2014 auf dem Römerberg. Mit dabei Rüdiger und Astrid Jacobs (in der Mitte).

Alte Bekannte bei der Tafelrunde

Zu den (bisher) identifizierten TeilnehmerInnen der Tafelrunde am 26. Januar 2024 zählt unter anderem Horst Hess, der im August 2023 an der »8. Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz« in Wetzlar teilnahm, einem Treffen von rechten Konservativen bis extrem Rechten, über das medial (sehr zum Missfallen der Organisation) breit berichtet wurde. Dort sagte Hess einem Journalisten, dass er Mitglied der CDU und für eine Lehrerakademie in Frankfurt mit Lehrerprüfungen befasst sei.

»Tafelrunden«-Teilnehmer Horst Hess im August 2023 bei der »8. Vollversammlung der wahren Schwarmintelligenz« in Wetzlar. © hessencam

Und ein alter Bekannter tauchte an diesem Abend auf: der ehemalige Hattersheimer Uwe Jäschke. Fotos zeigen, wie er sich aus dem Fenster der »Römerstube« lehnt und den Gegenprotest beobachtet. Nach Angaben der Autonomen Antifa Freiburg ist Jäschke bereits seit 1984 Teil der Tafelrunde und Mitglied ihres Vorstands. Jäschke kann auf eine stramm neonazistische Jugend zurückblicken: Mitte der 1970er Jahre war er in der Wiking-Jugend, die die Hitler-Jugend als Vorbild hatte, ihre Mitglieder paramilitärisch schulte und 1994 vom Bundesinnenminister verboten wurde. Noch in den 1970er Jahren wechselte Jäschke zum völkischen Bund heimattreuer Jugend (BHJ), dessen Bundesführer er 1980 wurde. Sein Vorgänger als BHJ-Bundesführer war Gernot Mörig. Es ist derselbe Gernot Mörig, der das neofaschistische Geheimtreffen in Potsdam im November 2023 organisiert hatte, das durch einen Bericht von Correctiv öffentlich wurde und breiten antifaschistischen Protest auslöste.

Uwe Jäschke am 26. Januar 2024 beim Treffen der »Frankfurter Tafelrunde« und als Professor an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresden. Der Deutschland-Namibia-Anstecker ist derselbe. © dokunetzwerk rhein-main / privat

Jäschke machte sich 1984 als Kartograph mit der »Kartographischen Werkstatt Hattersheim« selbstständig, nebenbei promoviert er zwischen 1990 und 2000 am Institut für Wirtschafts- und Sozialgeographie der Goethe-Universität – mit einer Arbeit zu Namibia. Bereits 1994 war er einem Ruf auf eine geographische Professur an die Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden gefolgt. Noch heute lehrt Jäschke dort Geographie. Er ist Vorstand der Deutsch-Namibischen Gesellschaft, Redakteur des Namibia Magazins und Beirat der Sächsischen Heimatblätter. Am 26. Januar 2024 trug er gut erkennbar die gekreuzten Deutschland- und Namibia-Fahnen als Anstecker am Revers. Auch familiäre Verflechtungen verbinden ihn mit der ehemaligen deutschen Kolonie: Der Bruder seiner Frau – beide stammen aus einer völkischen Familie und waren als Jugendliche im BHJ – wohnt heute in Namibias Hauptstadt Windhoek.

Die konservative Stadtgesellschaft – feige und opportunistisch

Seit Jahrzehnten nun bemühen sich Zirkel wie die Frankfurter Tafelrunde, die Republik immer weiter nach rechts zu verschieben. Dabei scheuen sich nicht das Bündnis mit antidemokratischen und neofaschistischen Kräften. Doch wie konnte die Tafelrunde so lange unbemerkt wirken? Wer wusste von ihrer Existenz, ihren Treffen? Wer stellte ihnen Räume zur Verfügung und hielt sich mit dem Wissen darüber bedeckt?

In dem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) »Konservative am Tisch mit der AfD« vom 2. Februar schreiben Alexander Jürgs und Theresa Weiß, aus »konservativen Kreisen der Stadtgesellschaft« sei zu hören, »dass man die Verbindungen der Luxburgs zum äußerst rechten Rand schon seit einigen Jahren kritisch beobachte« und sich »von dem Paar distanziert« habe. Doch auch die FAZ schweigt in diesem Artikel darüber, wer der Tafelrunde über viele Jahre ihre Räume zur Verfügung gestellt hatte: die »Villa Bonn« im Frankfurter Westend bzw. die Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft. Bis ins Jahr 2020 traf sich die Frankfurter Tafelrunde im Prachtbau aus der Gründerzeit in der Siesmayerstraße 12, der im Besitz der Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft ist und von ihr verwaltet wird. Aufgrund der Versammlungsbeschränkungen in der Corona-Pandemie fanden 2020 keine Tafelrunde-Treffen dort statt; warum sie sich nach Aufhebung der Beschränkungen in den »Schwarzen Stern« verlagerten, bleibt noch zu ergründen. Die »Villa Bonn« und die Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft gelten seit Jahrzehnten als ein Treffpunkt einflussreicher Personen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur. Natürlich wusste man dort, wer sich über so viele Jahre in ihrem Räumen traf. Und dass es der Frankfurter Tafelrunde um eine Vernetzung und den Aufbau einer Partei weit rechts von der Union ging, dürfte der konservativen Stadtgesellschaft spätestens seit Anfang der 2000er Jahre bekannt sein. Dennoch gewährte man ihr über viele Jahre den Raum und nichts von ihrem Treiben drang in die Öffentlichkeit.

Ein FAZ-Artikel von 2001 benennt die »Villa Bonn« in der Siesmayerstraße als Tagungsort der »Frankfurter Tafelrunde«.

Wer die Tafelrunde deckte und warum, und ob es personelle Schnittstellen zwischen dem Kreis der Villa Bonn und der Tafelrunde gibt, auch das gilt es nun aufzuarbeiten. Das Transparent »Gegen jede Form von Antisemitismus!« an der Villa Bonn wurde erst aufgehängt, nachdem die ersten Presseanfragen bezüglich des Tafelrunde-Treffens am 26. Januar die Frankfurter Gesellschaft für Handel, Industrie und Wissenschaft erreichten. So hofft man offensichtlich, unliebsamen Nachfragen begegnen zu können.

Frankfurt ist nicht Potsdam

Noch etwas irritiert: Der Eifer, mit denen manche Frankfurter Medien ihren Lesenden versichern, dass sich die Frankfurter Tafelrunde nicht mit dem Geheimtreffen in Potsdam am 25. November 2023 vergleichen lasse. Tenor: Schlimm genug, aber wenigstens nicht so schlimm wie in Potsdam. Das Treffen in Potsdam, zu dem Konservative aus CDU-Kreisen, AfD-PolitikerInnen und Neofaschisten der Identitären Bewegung (IB) in geschlossener Gesellschaft zusammenkamen und auf dem IB-Anführer Martin Sellner sein Konzept der »Remigration«, der millionenfachen Vertreibung von hier lebenden Menschen, vorstellte, war eine Zäsur. Der Schock war groß über das, was doch schon längst offen lag, und die antifaschistischen Proteste reißen seitdem nicht ab.

Die Frankfurter Recherchegruppe hatte über das Treffen der Tafelrunde geschrieben: »Ein geheimes Treffen in ähnlicher Konstellation fand am 25. November 2023 in Potsdam statt. Seitdem dürfte allen klar sein, wohin die Politik der AfD steuert. Ob Lichert in seinem Vortrag am 26. Januar in der ›Römerstube‹ ebenfalls einen Plan zur (›Remigration‹ genannten) massenhaften Vertreibung von hier lebenden Menschen vorstellte, ob er überhaupt auf das Stichwort ›Remigration‹ einging, ist nicht bekannt. Es ist auch unerheblich. Lichert und sein Kreisverband Wetterau sind seit Jahren Propagandisten der ›Remigration‹.« An dieser Darstellung gibt es nichts zu korrigieren oder zu relativieren.

Die Konstellation der Teilnehmenden ist in der Tat ähnlich und wenn Lichert nun gar nicht auf Remigration zu sprechen kam (was auch niemand behauptet hatte), so macht das keinen entscheidenden Unterschied. Lichert ist ein lautstarker Vertreter dieses rassistisches Plans einer Massenvertreibung. Bereits am 7. April 2019 trat sein Kreisverband als Veranstalter einer »Remigrations«-Tagung in Ortenberg (Wetteraukreis) auf. In seiner Eröffnungsrede sagte Lichert: »Remigration und De-Islamisierung sind natürlich heiße Eisen. Das ist uns natürlich vollkommen bewusst. […] Aber die Antwort kann doch niemals sein, dass wir jetzt vor den entscheidenden Schicksalsfragen unseres Landes, unseres Volkes und unseres Kontinents zurückweichen, nur um den Kriterien der de facto Herrschenden zu genügen. Nein, meine Damen und Herren, ich glaube, es ist tatsächlich absolut notwendig, dass wir gerade jetzt in dieser Phase diese Themen weiterhin aufgreifen und dass wir auch gerade jetzt in dieser Phase deutlich machen, was unsere Haltung ist.«

Fazit

Die Erkenntnis ist nicht neu, dass es auch in Frankfurt Schattenwelten gibt, in denen rechte Konservative das Bündnis mit Neofaschisten suchen, um die BRD nachhaltig zu verändern. Wer sich heute darüber überrascht zeigt, hat sich zu lange vom nach Außen getragenen Image eines liberalen und weltoffenen Frankfurts blenden lassen und nicht hinter die Kulissen geblickt.

Die Frage ist, wie einflussreich der Kreis der Frankfurter Tafelrunde heute ist. Man sollte sie nicht vorschnell als »Elite« bezeichnen. Sie erscheint eher als ein Kreis von Personen, die sich elitär geben und gerne einflussreicher wären. Es wurden (bisher) keine Wirtschaftsbosse und Bankenchefinnen identifiziert. Das heißt partout nicht, dass die Teilnehmenden zu unbedeutenden Personen erklärt werden sollten. Ein Martin Hohmann beispielsweise hat in Osthessen eine Hausmacht, die tief im bürgerlichen bis großbürgerlichen Milieu verankert ist.

Zu denken geben muss allerdings, dass die Tafelrunde nunmehr über 20 Jahre völlig ungestört wirken konnte – gedeckt von der »konservativen Stadtgesellschaft«, vernachlässigt von den Medien und antifaschistischer Recherche. Die Reaktionen nach ihrem Auffliegen zeigen, dass sie sich die Beteiligten sehr sicher fühlten. Man sollte nicht ernsthaft annehmen, dass sich die Tafelrunde nun auflösen wird. Sie existiert seit 70 Jahren und hat so manche Brüche und Krisen erlebt. Sie wird sich neu strukturieren, wenn es denn sein muss noch stärker im Geheimen und unter neuem Namen.

Zur Zeit verschieben sich in ganz Europa Regierungen immer stärker nach rechts. In Deutschland macht der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz seit Jahren unvermindert Werbung für die Politik der AfD und schafft es dabei, die Schuld für den Aufstieg der AfD den Grünen in die Schuhe zu schieben. Während führende CDU-PolitikerInnen die »Brandmauer« beschwören, schmieden Akteure vom rechten Unions-Flügel längst die Allianzen für die Zeit, wenn die Brandmauern einstürzen. Dies wird spätestens dann passieren, wenn die Konservativen durch das Bündnis mit der extremen Rechten nach der Macht greifen können.

Zirkel wie die Frankfurter Tafelrunde gibt es flächendeckend in Deutschland. Sie sind keine Relikte der Vergangenheit, sondern sie stehen in den Startlöchern für die Zukunft. Ihnen wird eine erhebliche Rolle zukommen, wenn diese Rechtsaußen-Bündnisse installiert werden.