Konspiratives Neonazi-Vernetzungstreffen in Altenstadt

Am 24. Mai traffen sich mehrere Neonazis zu einem angeblichen »Lagerverkauf« im Haus des hessischen Die Heimat-Vorsitzenden Stefan Jagsch. © Rhein-Main Rechtsaußen

Am 24. Mai 2025 fand in der Waldsiedlung in Altenstadt (Landkreis Wetterau) ein überregionales Vernetzungstreffen der Neonaziszene statt. Angekündigt wurde dies als »Lagerverkauf« der Neonazi-Labels und Online-Shops Homefront, Kampf der Nibelungen (KDN) und Sturmzeichen. Beworben wurde die Veranstaltung auch durch den hessischen Vorsitzenden der Partei Die Heimat (vormals NPD) Stefan Jagsch, der in der Waldsiedlung lebt. Letztlich fand das Treffen in Jagschs Wohnhaus im Lerchenweg statt.

Auch Stefan Jagsch bewarb den »Lagerverkauf« in den Sozialen Medien. »Antifa, Presse und Polizei« waren bei dem Treffen unerwünscht. Später bedankte er sich bei dem rechten Liedermacher Daniel Strunk alias Renitenz für den »gelungenen Abend«. Quelle: Instagram

Für das Treffen war in den Sozialen Medien sowie in Messengerdiensten geworben worden. Interessierte mussten sich im Vorfeld anmelden, um den Ort des Geschehens mitgeteilt zu bekommen. Eine hohe Fluktuation unter den Teilnehmenden oder »Laufkundschaft« war über den Tag nicht zu beobachten. Die Veranstaltung hatte den Charakter eines geschlossenen Treffens von Neonazis, die sich untereinander kennen. Um den Verkauf von T-Shirts, CDs und Stickern – wie es die Bewerbung der Veranstaltung als »Lagerverkauf« vermuten lassen würde – ging es bei dem Treffen in erster Linie daher wohl nicht.

Die Polizei war nicht sichtbar vor Ort und führte keine Personen- und Fahrzeugkontrollen durch. Die Teilnehmenden kamen aus dem ganzen Bundesgebiet und aus der Schweiz.

Aus Dortmund reisten die Neonazis Sascha Krolzig und Alexander Deptolla an. Krolzig ist Gründer und Inhaber des Sturmzeichen-Verlag & Versand. Zudem fungiert er als Herausgeber der Zeitschrift N.S Heute, die ebenfalls im Sturmzeichen-Verlag erscheint.

Deptolla ist das Gesicht des neonazistischen Kampfsport-Events Kampf der Nibelungen. Nach dem Verbot der Veranstaltungen in Deutschland im Jahr 2019 baute Deptolla das Label als Bekleidungsmarke weiter aus. Dem Kampfsport blieb er dennoch treu: So war er zum Beispiel 2023 Mitorganisator der European Fight Night bei Budapest, die als Nachfolge- und Ersatzveranstaltung zu den verbotenen KDN-Events zählt. Über KDN unterhält Deptolla zudem beste Beziehungen zu der 2023 verbotenen Neonazi-Gruppe Hammerskins.

Das Bekleidungs- und Musiklabel Homefront wurde 2021 gegründet. Inhaber ist Johannes Lutz Bachmann aus Mühlhausen (Rhein-Neckar-Kreis). Bachmann ist bereits seit vielen Jahren in der neonazistischen Szene in Nordbaden aktiv, darunter mit Stationen bei den Freien Nationalisten Kraichgau, der Partei Die Rechte sowie der NPD. Es ist daher wenig verwunderlich, dass Jagsch und Bachmann einander auch persönlich kennen. So fungierte Jagsch zum Beispiel als Werbemodel für Bekleidung von Homefront auf der Webseite des Labels. Auch Bachmann nahm an dem Treffen in Jagschs Wohnhaus teil.

Den Abschluss des Tages bildete ein Konzert des rechten Liedermachers Daniel Strunk alias Renitenz, der aus dem Hunsrück in Rheinland-Pfalz angereist war.

Mit der Umbenennung der NPD in Die Heimat ging auch der Versuch eines Strategie-Wechsels einher. Die Partei wollte sich »frischer« und »undogmatischer« als »Bewegungspartei« präsentieren, um mehr Anschluss an die verschiedenen neofaschistischen und neu-rechten Milieus wie Burschenschafter, Identitäre Bewegung, PEGIDA-SympathisantInnen oder die rechte Verschwörungsszene zu finden. Doch Vernetzungstreffen wie dieses in Altenstadt zeigen, dass die »alten« Neonazi-Seilschaften nach wie vor existieren und aktiv sind.

Dass die Neonaziszene ungestört solche überregionalen Vernetzungstreffen – an der bekannte Szenegrößen teilnehmen – in einem privaten Wohnhaus durchführen kann, zeigt wie sozial akzeptiert Stefan Jagsch in Altenstadt-Waldsiedlung lebt. Während es in vielen Regionen Hessens für Neonazis schwierig geworden ist, ungestört Treffen abhalten zu können, finden sich in der Waldsiedlung hierfür seit Jahren Räume.

So fand im dortigen Gemeinschaftshaus am 13. Mai 2023 der bundesweite »Netzwerktag« der Zeitung Deutsche Stimme der Heimat (damals noch NPD) statt. Erst am 1. November 2024 fand in der Waldsiedlung ein Liederabend mit dem neonazistischen Liedermacher Michael Regener alias Lunikoff aus Berlin statt, den ebenfalls Jagsch organisiert hatte. Ca. 80 Neonazis nahmen daran teil. Dass sich die Neonaziszene in der Waldsiedlung scheinbar recht wohl fühlt, ist nicht weiter verwunderlich: Bei dem Kommunalwahlen 2021 erhielt die NPD dort 20,9 Prozent und sitzt mit zwei Vertretern im Ortsbeirat. Auch zur Bürgermeisterwahl 2024 in Altenstadt kandidierte Jagsch und erhielt im ersten Wahlgang 8,1 Prozent der Stimmen.