Haftstrafen für Familie Frankenbach

Anwesen der Familie Frankenbach in Glashütten-Schloßborn (Hochtaunuskreis). © LOTTA

Seit Juni 2022 lief in Frankfurt der Prozess gegen den ehemaligen Bundeswehrsoldaten Tim Frankenbach sowie dessen Vater und Bruder (siehe LOTTA #90, S. 36) aus Glashütten-Schloßborn (Hochtaunuskreis). Am 29. September 2023 wurde das Urteil gesprochen. Die Angeklagten wurden für schuldig befunden und zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt. Trotz des langwierigen und umfangreichen Gerichtsverfahrens bleiben zentrale Fragen ungeklärt.

Der Saal 165C des Frankfurter Gerichtskomplexes wurde in den vergangen Jahren immer wieder zum Schauplatz für Neonazi-Prozesse. Bereits die Verfahren wegen des Mordes an Walter Lübcke sowie dem Angriff auf Ahmed I., die Causa der »NSU 2.0«-Drohschreiben und der Prozess gegen Franco Albrecht wurden hier verhandelt. Von Juni 2022 bis September 2023 standen hier Tim Frankenbach, sein Vater Bernd Frankenbach und sein Bruder Robin Frankenbach vor Gericht. Dem Hauptangeklagten Tim Frankenbach wurde die Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat vorgeworfen, Vater und Bruder waren wegen Beihilfe angeklagt. Hinzu kamen bei allen diverse Verstöße gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Kriegswaffenkontrollgesetz.

Das Gericht folgte in seinem Urteilsspruch der Anklage in allen Punkten und ging im Strafmaß sogar über die Forderungen der Staatsanwaltschaft hinaus. Die Richter sahen es demnach als erwiesen an, dass Tim Frankenbach – zur Tatzeit Bundeswehrsoldat am Standort Pfullendorf – Anschläge plante, möglicherweise auf das Berliner Regierungsviertel sowie auf Geflüchtetenunterkünfte. Zahlreiche Aufzeichnungen, darunter Skizzen des Berliner Stadtzentrums und zwei Manifeste, belegten seine Pläne. Tim Frankenbach wurde zu sieben Jahren Haft verurteilt, sein Vater Bernd zu fünf Jahren und sechs Monaten, sein Bruder Robin zu drei Jahren neun Monaten Jugendstrafe. Bernd und Robin Frankenbach kommen unter Meldeauflagen frei: Die über zweieinhalbjährige Untersuchungshaft wird ihnen angerechnet. Sie müssen sich dreimal wöchentlich bei der Polizei melden, ein monatliches Präventivgespräch führen und erhielten eine Gefährderansprache im Gerichtssaal. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Waffenlager als Zufallsfund

Beschaulich ist es in Schloßborn, einem Ortsteil von Glashütten im hessischen Hochtaunuskreis. Die Dorfgemeinschaft hält zusammen, man kennt sich. Am 27. Januar 2021 klingelt die Polizei bei einem Fachwerkhaus im historischen Ortskern. Hier wohnen drei Angehörige der Familie Frankenbach — Tim, sein Vater Bernd und sein Bruder Robin. Bei der Durchsuchung des Hauses und mehrerer teils erst im Laufe der Ermittlungen preisgegebener Verstecke auf Gartengrundstücken wird eine größere Menge Waffen, Munition und Sprengstoff gefunden. Vater Bernd ist Mitglied eines Schützenvereins, Sohn Tim Bundeswehrsoldat, doch der Großteil der Waffen ist illegal in ihrem Besitz. Bei einem aufgefundenen Sprengkörper handelt es sich um Bodenfunde aus dem Zweiten Weltkrieg, andere Teile wie Handgranaten stammen aus Jugoslawien und sind offenbar durch illegalen Handel in die Hände der Frankenbachs gelangt. Kleinere Mengen Sprengstoff stammen auch aus Bundeswehrbeständen.

Die Ermittlungen ins Rollen gebracht hatte die Exfreundin von Tim. Nach der Trennung ging sie zur Polizei und berichtete von den Waffen, dass sie mit Tim im Keller des Hauses Munition hergestellt habe und dass rechte Umsturzphantasien im Hause Frankenbach ganz offen am Essenstisch diskutiert wurden. Sie berichtet auch, wie stark die Söhne dabei vom Vater geprägt wurden. Die anschließende Durchsuchung bekräftigte ihre Angaben. Diese Aussage war der Beginn umfangreicher Ermittlungen des hessischen LKA, die allerdings – dies wird im Prozess deutlich – mitunter recht schlampig geführt wurden. Die Familie Frankenbach war den hessischen Sicherheitsbehörden vorher gänzlich unbekannt.

Im Bann der Verschwörung

Zahlreiche Funde aus dem Besitz der Familie belegen, wie allgegenwärtig nationalsozialistische Propaganda, brauner Okkultismus und andere extrem rechte Verschwörungsideologien in ihrem Leben waren. Im Haus wurden NS-Devotionalien und Bücher zu Runenkunde gefunden, auf dem Rechner von Bernd waren mehrere Videos zum Thema »Reichsflugscheiben« gespeichert. Auch Tim beschäftigte sich mit den vermeintlich von den Nazis gebauten Ufos, bei ihm wurden entsprechende Zeichnungen gefunden. In der Urteilsbegründung hob das Gericht das verschwörungsideologische und extrem rechte Weltbild der drei Angeklagten hervor. Die Familienmitglieder waren als Sondengänger aktiv: Sie durchkämmten mit Metalldetektoren Äcker und Wälder im Taunus auf der Suche nach spektakulären Funden. Jürgen Großmann (gestorben 2019), der in der Szene als »erfolgreichster Schatzsucher Deutschlands“ galt, wurde im Prozess mehrfach als bester Freund von Bernd bezeichnet. Der Vorsitzende der Deutschen Sondengänger-Union, Axel York Thiel von Kracht, wurde als Zeuge im Prozess vernommen und gab an, »Reichsflugscheiben« seien Realität und ihr Antrieb funktioniere mit »Vril-Energie«. In der Familie Frankenbach glaubte man, das Bernsteinzimmer sei im Taunus versteckt und es sei möglich, dieses zu finden. Hinweise in Chats deuten auch darauf hin, dass Tim glaubte, einen versteckten Panzer finden zu können. Tim legte in seinen Manifesten seine von Verschwörungsideologien geprägte Weltsicht und seine Pläne zum rechten Umsturz und der massenhaften Ermordung von Migrant*innen dar. Während er das erste Manifest bereits mit 16 Jahren verfasste, wurde das zweite bei einer Zellenkontrolle während seiner Untersuchungshaft gefunden. In diesen verquickt er Rassismus und Antisemitismus, wendet sich gegen einen angeblichen »Vernichtungskrieg der Juden« und gibt als Ziel an, das Regierungsviertel zu stürmen, die Regierung zu stürzen und Geflüchtete zu eliminieren.

Militarisierte Männlichkeit

Zeug*innen beschrieben, dass Bernd Frankenbach den Holocaust geleugnet habe und seine Söhne, vor allem seit der Trennung von seiner Frau, zu Härte und Disziplin erzog. Er war es auch, der sie zu Schießtrainings auf Waldgrundstücke mitnahm. In einer Chatgruppe namens »Kameradentreff« verabredeten sich die Söhne zum Wettkampf mit Softair-Waffen, inszenierten sich als Soldaten und sinnierten mit Freunden darüber, sich eigene Uniformen anzuschaffen und scharf zu schießen. Nach dem Schulabschluss absolvierte Tim einen freiwilligen Wehrdienst bei der Bundeswehr. Er wollte Berufssoldat werden. In der Kaserne in Pfullendorf traf er auf Gleichgesinnte, sie schickten sich unzählige rassistische und antisemitische Inhalte zu. In Tims Stube wurde bei einer Durchsuchung NPD-Propagandamaterial gefunden. Insbesondere zu Maximilian S. und Yannic T. entstand ein enges Verhältnis mit täglichem Austausch über Waffen, Panzer und dem Plan, ein privates Militärunternehmen (PMC) zu gründen. S. und T. wurden im Zuge der Ermittlungen gegen Tim und der aufgefundenen Chats aus der Bundeswehr entlassen und wohnen heute als Wohngemeinschaft in Wien. Durch T. entstand auch der Kontakt zum Hanauer Neonazi Kevin T. Dieser war zu dieser Zeit aktiv im Bund der Nationalisten (BdN), einem Versuch, über Telegram-Gruppen bürgerwehrartige Strukturen in ganz Deutschland zu errichten. Tim Frankenbach und Kevin T. wurden enge Freunde, Tim wurde wie Kevin T. Mitglied des Chats »BdN Hessen«. Die familiären Verhältnisse waren durch die Erziehung zur Disziplin geprägt, die sozialen Kontakte standen unter dem Vorzeichen militärischer Kameradschaft, rechte Ideologien waren überall präsent. Die Männer der Familie Frankenbach lebten in einer geschlossenen extrem rechten Lebenswelt.

»Freikorpsmäßig realistisch«?

Gegenüber zahlreichen seiner Kontakte machte Tim im Jahr 2020 Angaben zu seinen Plänen. Kevin T. fragte ihn, ob eine Organisation »freikorpsmäßig realistisch« sei und forderte ihn zum Aufbau einer solchen Gruppierung auf. In dieser Zeit wurde auch eine weitere Chatgruppe namens »Therapiegruppe Rune« aktiv, in der Tim den Hanauer Kevin T. mit seinen Bundeswehrkameraden vernetzte. Es fanden auch persönliche Treffen zwischen den Beteiligten statt. Indizien deuten an, dass Tim mit seinen Bundeswehrkameraden in Waffenhandel involviert gewesen sein könnte. Er recherchierte auch zu Möglichkeiten, einen Panzer zu kaufen, und suchte nach alten Bunkern als Lagermöglichkeiten.

Der Prozess drehte sich entsprechend vor allem um die Frage, wie realistisch Tim Frankenbachs Umsturzideen waren und wie konkret die Pläne zum Zeitraum der Verhaftung gediehen waren. Die Verteidigung berief sich darauf, dass seine äußerst umfangreichen Aufzeichnungen – neben militärtaktischen Zeichnungen auch Aufstellungen fiktiver Truppengattungen in Anlehnung an die NS-Zeit, Ausbildungspläne und ähnliches – in Aktenordnern aufgefunden wurden, deren restlicher Inhalt aus Fantasy, etwa Zeichnungen von Orks, bestand. Aus Sicht der Verteidigung zeige dies, dass es sich lediglich um die letztlich harmlose Gedankenwelt eines Heranwachsenden handele. Als im Laufe des Prozesses eine Haftpsychose bei Tim Frankenbach diagnostiziert wurde und dieser sich selbst immer neue Identitäten zuschrieb, verlagerte sich die Strategie der Verteidigung: Die Umsturzpläne seien Ausdruck einer bereits länger vorhandenen psychischen Erkrankung. Der psychiatrische Gutachter wies dies als Spekulation zurück und attestierte Tim Frankenbach trotz der Psychose uneingeschränkte Verhandlungs- und Schuldfähigkeit. Ein Betreuungsverfahren gegen ihn wurde angestrengt, das mit seiner zwangsweisen Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik enden könnte.

Offene Fragen

Trotz der langen Verfahrensdauer bleiben zentrale Fragen offen. Etwa zum Verhältnis der aufgefundenen Waffen zu den Plänen Frankenbachs. Auch wie konkret die Mitwisserschaft von Bruder und Vater war, wurde letztlich nicht aufgeklärt. Es scheint, als habe sich das hessische LKA früh auf eine Verfolgung der beiden Familienmitglieder festgelegt, obwohl andere Akteure – allen voran Kevin T., aber auch Bundeswehrkontakte – viel enger in die Planungen involviert gewesen sein könnten. Die nur oberflächliche Verfolgung des Umfelds von Tim Frankenbach jenseits seiner Familie verwundert. Auch ob das Waffendepot der Frankenbachs vollständig ausgehoben wurde, ist unklar. So wurden größere Mengen Munition gefunden, deren zugehörige Waffen nicht sichergestellt werden konnten. Die Polizeiarbeit war von Fehlern, Unzulänglichkeiten und mangelnder Auswertekompetenz gekennzeichnet, was den Prozess über weite Teile lähmte. Die Reaktionen der Angeklagten und ihres Umfelds zeigen, dass auch nach dem Verfahren ihre Gesinnung weiterhin vorherrscht: Bernd Frankenbach beleidigte während der Urteilsverkündung den Vorsitzenden Richter, Freunde kommentierten das Urteil aus dem Zuschauerraum und machten abschätzige Bemerkungen gegenüber anwesenden Pressevertreter*innen. Mitstreiter Kevin T., der nicht auf der Anklagebank saß, präsentiert sich auf Instagram weiterhin vor schwarz-weiß-roter Fahne und im Kreis seiner Nazi-Kameraden.


Dieser Artikel von Jacob Weyrauch wurde zuerst veröffentlicht in der Zeitschrift LOTTA, Ausgabe 92.