Glaubenskrieger gegen die »Fürsten der Welt«

Der Rapper »Lapaz«, Mitglied der Gruppe Rapbellions, trat am 25. Mai 2024 in Frankfurt auf einer verschwörungsideologischen Veranstaltung von Deutschland Steht Auf – Neustart Demokratie auf. © dokunetzwerk rhein-main

Im Februar 2023 erschien auf dem Blog der Initiative Aufklärung statt Verschwörungsideologien (ASVI) ein Beitrag über extrem rechte Rapper in Hessen. Einer dieser Rapper, »Lapaz« aus dem Raum Kassel, trat nun 25. Mai in Frankfurt auf, andere äußern sich offen antisemitisch wie »SchwrzVyce« aus Eschborn und schließen sich der Neonaziszene an wie »Ukvali« aus dem Vogelsbergkreis. Wir dokumentieren diesen Artikel, ergänzt durch ein ausführliches Update.

Verschwörungsideologischer Rap in Hessen (aktualisierte Fassung)

Im verschwörungsideologischen Milieu ist in den vergangenen Jahren ein Netzwerk rechter Rapper entstanden, von denen sich einige stetig radikalisieren und mittlerweile Anschluss an die AfD und an das offen neonazistische Spektrum gefunden haben. Beispiele hierfür sind die hessischen Rapper »SchwrzVyce«, »Lapaz« und »Ukvali«. Ein tragendes Motiv dessen ist der geteilte Antisemitismus.

SchwrzVyce

Am 18. Dezember 2022 veröffentliche der aus dem hessischen Marburg stammende Rapper Kaia Boehm unter seinen Pseudonymen »SchwrzVyce« bzw, »Sascha Weiss« einen neuen Song mit dem Titel »AfD / Alternative für Deutschland (Wahlwerbespot)«. In dem Musikvideo läuft Boehm mit einem AfD-Aufsteller durch die Stadt Frankfurt und beleidigt verschiedene Politiker*innen. Wir nehmen das sexistische, frauen- und schwulenfeindliche Machwerk des Deutschrappers und »Patrioten« Boehm zum Anlass, einige hessische Protagonisten und Geschäftemacher einer Rapszene genauer zu beleuchten, die rund um die Demonstrationen der Corona-Rechten entstanden ist.

Kaia »SchwrzVyce« Boehm mit AfD-Aufsteller in Frankfurt zum Musikvideodreh. Quelle: Youtube

Kaia Boehm aka »SchwrzVyce« arbeitete bis vor kurzem in Frankfurt als Executive Manager im Bereich Financial Services. In Folge des Liedes »AfD / Alternative für Deutschland (Wahlwerbespot)« distanzierte sich Boehms Arbeitgeber öffentlich von diesem und berichtet vom einvernehmlichen Beenden des Arbeitsverhältnisses.

Boehm trat in der Vergangenheit bereits vielfach bei Demonstrationen der Corona-Rechten in ganz Deutschland auf und erlangte auf diesem Weg innerhalb der Szene eine gewisse Bekanntheit. Dabei leben seine Auftritte und Songs weniger von musikalischem Talent oder kreativen Ideen, sondern zielen vielmehr auf Provokation ab. So beispielsweise sein Lied »Claus Strunz«, in dem Boehm in Endlossschleife rappt, »als Ungeimpfter bist du hier der Nigger«. Der Versuch, Reichweite über potenzielle Skandale und Provokationen zu generieren, wird beim ersten Hören der Musik offensichtlich.

Boehm war zeitweise Teil eines Zusammenschlusses von Deutschrappern, der unter dem Namen Rapbellions im Frühjahr 2021 an die Öffentlichkeit trat. Prominentestes Gesicht der Gruppe war zu diesem Zeitpunkt Xavier Naidoo, der viele Jahre zuvor mit verschwörungsideologischen und schwulenfeindlichen Texten in seinen Liedern Aufmerksamkeit erregte. Neben Naidoo sind aktuell mindestens neun weitere Rapper und Musiker1 aus ganz Deutschland Teil der Rapbellions, Boehm hingegen ist im Herbst 2021 wieder ausgeschieden. Die Rapbellions erregten im Frühsommer 2021 durch die Veröffentlichung eines gemeinsamen Liedes und einer dazugehörigen Pressemitteilung Aufmerksamkeit. In der Pressemittlung forderte man unter anderem ein »Ende der Gewalt« gegen die Demonstrationen der Corona-Rechten, die »Rückkehr zum Grundgesetz« und eine »Reformation des politischen Systems«. Weit mehr im Mittelpunkt stand jedoch die Veröffentlichung des Songs »Ich mach da nicht mit«, der oberflächlich Kritik an der Corona-Impfung und den Maßnahmen zu Eindämmung der Pandemie übt, jedoch gespickt ist mit Aussagen und Schlagworten verschiedener Verschwörungsmythen. Angefangen mit der Behauptung, dass durch Impfungen Chips implantiert würden (»Twanie«: »Die Impfkampagne ist ein Trick: Erst der Pass, dann der Chip«) bis zur Erzählung, dass sowieso alles einem geheimen Plan einer Elite folgen würde, die eine neue Weltordnung schaffen wolle (»Beatus«: »Fuck NWO und bewahr’ mein Gesicht, sie folgen dem Plan, da ist garnichts Zufall«). Während die 9/11-Verschwörung nur kurz angerissen wird (»E1F«: »Es geht live wie 9/11: Endlich! Menschen wachen auf«) werden die AnhängerInnen des QAnon-Kultes gleich in mehreren Passagen bedient. Deutlich wird dies wenn »Scep« rappt: »Mach Alarm, bewaffne dich, vernichte den tiefen Staat. Mieses Karma für die Bestie, wir jagen sie, sind vernetzt. Wie Himmelsscharen, unsere Kinder warten dass wir sie retten, also los!«.

Zu QAnon hatte sich im April 2020 bereits Xavier Naidoo in einer Videobotschaft bekannt. Der QAnon-Mythos behauptet, dass eine geheime Elite jährlich tausende von Kindern entführen, foltern und töten lässt, um aus deren Blut einen Stoff zur Verjüngung zu gewinnen. QAnon ist die jüngste Weitererzählung der aus dem Mittelalter stammenden antisemitischen »Ritualmordlegende«, die fantasierte, dass Jüd*innen (christliche) Kinder entführen und töten würden um deren Blut für rituelle und medizinische Zwecke zu gebrauchen. Dem entsprechend inszenieren sich auch mehrere der beteiligten Rapper als christliche Glaubenskrieger im Kampf gegen Okkultismus und satanische Mächte.

Auf die Spitze treibt den Antisemitismus der vogelsberger Rapper »Ukvali«, der später noch genauer beleuchtet werden wird. In seiner Strophe schwadroniert er über den Teufel und die »Fürsten der Welt«, die »Menschenseelen vergiften«, »echte Werte vernichten« und »uns zu Sklaven machen« würden. Damit auch kein Missverständnis aufkommt, wer dafür angeblich verantwortlich ist, lautet die letzte Zeile, »Killuminati, man wird sie an den Früchten erkennen«. »Killuminati« ist eine Wortschöpfung der extrem Rechten. Sie bezieht sich auf den Illuminatenorden im 18. Jahrhundert, der sich der Aufklärung verpflichtet sah und seit über 200 Jahren ein wiederkehrendes Element in der antisemitischen Mythenbildung der angeblichen »jüdischen Weltverschwörung« ist.

Nicht nur vor diesem Hintergrund wirkt der in der Pressemitteilung der Rapbellions geforderte Gewaltverzicht geradezu skurril. »Scep« rappt in »Ich mach da nicht mit«, »bewaffne dich, vernichte den tiefen Staat« und auch Kaia Boehm spricht in seinem Song »Rechtsextrem« davon, dass er sich radikalisiere und »für sein Land mit den nächsten Patrioten laufe«, da seine imaginierten Gegner*innen mit der Impfung angefangen hätten, einen »kranken Krieg zu führen«. Doch wenn man beobachtete, an welch langer Leine die Behörden vielerorts die »Corona-Proteste« laufen ließen, obgleich dort ständig Straftaten und Auflagenverstöße begangen wurden, wirkt die Stilisierung zum Opfer eines Krieges, die sich Kaia Boehm in diesem Song anmaßt, eher lächerlich. Auch wirkt es selbstgerecht und zynisch angesichts der Tatsache, dass derzeit weltweit und auch in Europa Kriege geführt werden, in denen täglich Menschen vertrieben, gefoltert, traumatisiert und getötet werden. Trotzdem ist die Metapher vom Krieg hochgradig gefährlich – gerade weil sie sich an ein Milieu richtet, in dem viele keine rationale Wahrnehmung mehr von sich und der Welt haben. Wer sich durch derartige Textzeilen aufstacheln lässt und in einem Krieg wähnt, der*die rüstet sich und kann jede Art von Gewalt als einen Akt von Widerstand legitimieren. Dass sich Teile der verschwörungsideologischen Szene bewaffnen und Mordpläne entwerfen, machen etliche Razzien und Prozesse der letzten zwei Jahre deutlich.

Ehemalige Zusammensetzung der Deutschrap-Gruppe Rapbellions: 1.v.l. Marc »Lapaz« Markowski, 2.v.l.: Kaia »SchwrzVyce« Boehm, 3.v.r. Umut »Ukvali« Karakaya. Quelle: Instagram

Lapaz

Als Inhaber der Website und des Onlineshops der Rapbellions wird Marc Markowski aka »Lapaz« aus Niestetal bei Kassel geführt. Dieser kann, verglichen mit Boehm, bereits auf eine deutlich längere und wechselvollere Karriere im Deutschrap zurückblicken. Im Jahr 2005 schloss sich Markowski gemeinsam mit Roman Schwitalla zum Duo »Urbanize« zusammen und hatte einigen musikalischen Erfolg inklusive TV-Auftritten und einer »Schultour gegen Gewalt quer durch Deutschland«2. Im März 2021 distanzierte sich Schwitalla jedoch von Markowski und erklärte das Projekt Urbanize für beendet, da Markowski mit »Wut, Anfeindungen, Negativität und Hass« um sich werfe und »naiv ungeprüft Ideologien von Querdenker, QAnon und Trumpfandom« mische.3 Allerdings sind Markowski und Schwitalla bereits im Kontext der verschwörungsideologischen sogenannten Mahnwachen für den Frieden im Jahr 2014 aufgefallen. Damals veröffentlichte »Urbanize« den Song »Wir wollen Frieden«, von dem sich Schwitalla auf YouTube inzwischen ebenfalls (teilweise) distanziert hat. Im Song heißt es beispielsweise

»Wir […] sind endlich aus dem Schlaf erwacht; sehen, das die Medien uns für dumm verkaufen wollen; und ich wünsch uns allen, dass wir den längeren Atem haben; die Politik endlich einlenkt, denn sie braucht das Volk; und wir, wir brauchen keine Führer oder Parlamente, die uns in die Armut drängen; frag mich, wo ist da die Grenze; sie steigern ihren Profit, versuchen ihren Arsch zu retten, spekulieren mit Rohstoffen, kommen mit neuen Sparpaketen; alles auf unsere Kosten – Ungeheuer Zinseszins.

Die Kritik an Profitsteigerung von wenigen und Armut von vielen oder der Spekulation mit Rohstoffen wird hierbei mit dem Hinweis auf »Ungeheuer Zinseszins« umgehend ins antisemitische Fahrwasser gelenkt. Denn die Ansicht, dass die Zinspolitik das zentrale Übel des Finanzsystems ausmachen würde, ist mitnichten antikapitalistisch, sondern konstruiert einen Gegensatz zwischen angeblich »raffendem« und vermeintlich »schaffendem« Kapital, was oft den Kern antisemitischen Verschwörungsdenkens bildet. Mit der Gegenüberstellung von Volk und Elite, der Pauschal-Kritik an »den Medien« und der Betonung der eigenen Erwachungserfahrung finden sich jedoch auch noch einige weitere typische Merkmale von Verschwörungsideologien im Text. Während Schwitalla nun davon schreibt, dass nur Markowski und nicht er selbst die Mahnwachen besucht habe und Teile des Liedes heute »wie typischer Querdenker-Populismus« klingen würden, bezeichnet er die antisemitische Kritik am Zinseszins hingegen auch jetzt noch als »ok«.4 Dass er sich inzwischen von Markowski distanziert zeigt, wie weit dieser nach rechts abgedriftet ist.

Das Lied sollte 2014 laut Markowski explizit eine Aufforderung sein, die »Mahnwachen für den Frieden« zu besuchen. Damit verdeutlicht es wie kaum ein zweites Beispiel die inhaltliche Kontinuität zwischen der Bewegung aus dem Jahr 2014 und den Protesten der Corona-Rechten als auch die Kontinuität der beteiligten Akteur*innen. Folgerichtig möchte »Lapaz« auch heute den Sound zur Bewegung liefern. In einer seiner jüngsten Co-Produktionen »Artikel 20 Absatz 4«, die er gemeinsam mit dem Berliner »Bustek« aufgenommen hat, wird unter anderem gerappt »niemand hat Absicht eine Mauer zu errichten, niemand hat die Absicht sie in Auschwitz zu vernichten und niemand hat die Absicht sie mit einem Impfstoff zu vergiften«. Die Gleichsetzung des Konzentrationslagers Auschwitz und der Corona-Impfung ist eine infame Relativierung des Holocausts und zeigt exemplarisch das antisemitische Einstellungsmuster Markowskis, das unter dem Deckmantel der »Politikkritik« und des vermeintlichen »Rechts zum Widerstand« bereits seit 2014 geäußert wird. Neben der diffusen Politik- bzw. Elitenkritik findet sich in den Liedern von »Lapaz« und »Bustek« wie auch auf den Demonstrationen der Corona-Rechten das Motiv des »Schutzes unserer Kinder«. So behaupten die beiden in »Niemand hat die Absicht«, dass Deutschland ein »Paradies für pädophile Kinderschänder« sei und präsentieren direkt die Lösung, denn »echte Männer braucht das Land«. Mit solchen Textzeilen können sich dann viele identifizieren: QAnon-AnhängerInnen und die, die gegen die Gleichstellung nicht heterosexueller Lebensweisen und gegen die »Frühsexualisierung von Kindern« auf die Straße gehen und sich dort längst mit den »Corona-Rebellen« verbündet haben. Inhaltlich ist Lapaz gleichermaßen in Verschwörungsdenken, Antisemitismus, sektenhaften Erlösungsfantasien, Biologismus und Maskulinismus zu verorten. Von progressiver Gesellschaftskritik, die Markowski von anderen Verschwörungsideolog*innen unterstellt wird, ist er hingegen meilenweit entfernt.

Marc »Lapaz« Markowski und Umut »Ukvali« Karakaya (von hinten). Quelle: Instagram

Ukvali

Der dritte Protagonist der rechten Rapszene aus Hessen ist Umut Karakaya »Ukvali«, der in Hutzdorf, einem Ortsteil von Schlitz, im Vogelsbergkreis lebt. Auch Karakaya tritt immer wieder auf Corona-Demonstrationen auf, war Teil des ersten Songs der Rapbellions und veröffentlicht seit mindestens 2016 verschwörungsideologische und antisemitische Songs; oftmals unter Bezugnahme auf den Begriff Killuminati oder eine vermeintliche Neue Weltordnung (NWO). Schon 2016 nahm Karakaya an einer antisemitischen Demonstration gegen die sogenannte Bilderberg-Konferenz in Dresden teil. Wie schon im Fall Markowski zeigt sich anhand der Person Umut Karakaya ein weiteres Mal die jahrelange Kontinuität extrem rechter Einstellungen und Aktivitäten, bevor die Rapper mit der Szene der Corona-Rechten ein neues Betätigungsfeld fanden.

Bei den Rapbellions schied Karakaya nach einem Streit um finanzielle Einnahmen aus, daneben war er aber auch Teil des Projekts »Die Konferenz«, das parallel zum Release des Songs »Ich mach da nicht mit« den eigenen Song »Heimat« rausbrachte. Hier versammelte sich wiederum eine wilde Mischung von Personen aus dem Spektrum der extremen Rechten: So wirkten beispielsweise Xavier Naidoo, der ehemalige AfD-Landtagsabgeordnete Heinrich Fiechtner, der bekannte Reichsbürger und Verschwörungsideologie Jo Conrad sowie der Sänger der neonazistischen Band Kategorie C Hannes Ostendorf an dem Lied mit.5 Der Song findet sich unter anderem auf Karakayas YouTube-Kanal und hat dort aktuell fast 50.000 Aufrufe.

In seinem Part des Liedes, dessen Text er aus einem gemeinsamen Song mit dem Rapper Christoph Aljoscha Zloch aka »Chris Ares»«, der seit Jahren der Identitären Bewegung nahe steht, recycelte, greift Karakaya die in der Rechten üblichen verschwörungsideologische Narrative auf. Er beschreibt ein Land, dessen Souvränität von vielen verraten worden sei und das sich »aus dem Würgegriff der Schlange befreien« müsse. Damit bedient er punktgenau das Denken derer, die glauben dass Deutschland ein von feindlichen Mächten besetztes Land sei. Und er zeichnet den Gut-und-Böse-Gegensatz; das unterdrückte und verratene deutsche Volk, das sich gegen eine fremde Macht erwehren müsse. Die Idealisierung des Menschen, der mit seiner Heimat quasi organisch verbunden und ihr zur Loyalität verpflichtet sei und die Beschwörung des gemeinsamen Kampfes der deutschen Recken (»einsam kommt kein Mann gegen den gemeinsamen Feind an«) macht den Song vollends zu einem triefend völkischen Machwerk.

An der Person Karakaya und dem Projekt »Die Konferenz» wird deutlich, wie sehr das Milieu der Corona-Rechten mit verschiedenen anderen Teilen der extremen Rechten bis hin zum Neonazismus verschmolzen ist. Die Grundlage dafür schaffen geteilte Ideologieelemente wie Antisemitismus, Maskulinismus, das gemeinsame Pseudo-Rebellentum oder die Meinung, das Deutschland ein besetztes Land sei. Nicht verwunderlich ist es in diesem Kontext, dass Karakaya am 15. September 2022 in seinem Telegramkanal einen Link zum Lied »Heimat« gemeinsam mit der Parole »Deutschland erwache« teilte, die ursprünglich aus dem sogenannten »Sturmlied« der SA stammt und als nationalsozialistische Parole oftmals juristisch verfolgt wird. Dies ist nicht der erste derartige Ausfall Karakayas, denn schon am 7. November 2016 stellte er ein Bild von sich auf Instagram, das einzig mit »#arbeitmachtfrei« beschriftet war. Konsequenzen seines Handelns sind bis dato nicht bekannt und zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Textes sind besagte Parolen weiterhin online aufzufinden. Ebenso findet sich in seinem Telegramkanal seit dem 28. Januar 2023 auch ein Aufruf zum jährlichen Neonaziaufmarsch in Dresden. Die Bewerbung dieser Veranstaltung, auf die Ukvalis Abonnent*innen durchweg positiv reagieren, verdeutlicht, dass der Rapper sich nicht nur ideologisch mit der Neonazi-Szene verbunden fühlt, sondern diese aktiv unterstützt.

Fazit

Die Rapbellions und ihre hessischen Protagonisten kennzeichnet ein extrem rechtes Gedankengut, für das sie mit den Corona-Protesten ein breites und dankbares Publikum gefunden haben. Die Demonstrierenden verschaffen ihnen einerseits die Aufmerksamkeit und Zuhörer*innenschaft, die sie sich immer gewünscht haben, und bilden andererseits die zahlfreudige Grundlage für eigene Merchandising-Geschäfte. Gerade während der Hochphase der Corona-Rechten, als deutschlandweit Zehntausende auf den Straßen waren, konnten sich die selbsternannten »Löwen« der Rapbellions als die Rebellen inszenieren, die sie gerne wären. Doch bleibt ihre Rebellion reaktionär und dient nur als Label zur narzisstischen Selbstdarstellung.

Für sie ist der rechte Rap auch eine kommerzielle Verlockung. Sucht man im Internet nach den Rapbellions, »Ukvali« oder »SchwrzVyce«, so findet man als erstes die jeweiligen Online-Shops, wo die Musik und reichlich Merchandising-Artikel erworben werden können. Wie bei vielen Musiker*innen üblich wird hier vor allem Kleidung mit den eigenen Logos und Namen angeboten. Die Preise für ein T-Shirt (25 Euro) oder einen Hoodie (55 Euro) sind teils sehr ordentlich. Die Rebellion muss schließlich finanziert werden und die Fahrt zur nächsten Großdemo der Corona-Rechten zahlt sich auch nicht von alleine.

Vor diesem Hintergrund ist es besonders bitter, dass sich diese rechten Rapper auf allen großen Streamingdiensten finden lassen. Wer die Musik von »SchwrzVyce«, »Ukvali« oder »Lapaz« sucht, wird auf Spotify, Deezer, Apple Music und vielen weiteren Plattformen fündig. Viele der Songs haben zehntausende, einige sogar hunderttausende Aufrufe. Das mangelnde Deplatforming trägt zum Erfolg der Rapper bei und vermutlich auch dazu, dass Kaia Boehm den Verlust seines Arbeitsverhältnisses verkraften dürfte.

Den Rapbellions müssen ihre Räume genommen werden – offline wie online. So zum Beispiel am 01. April 2023, wo die beiden Rapbellions »Twanie« und »Antinorm« im Angel*Klub in Hamburg gemeinsam mit den anderen Rapbellions die Releaseparty zu ihrem neuen Album feiern möchten. Denn #rechtsrapptnicht !

Aktualisierung vom Juni 2024

Seit der Veröffentlichung des Textes im Februar 2023 kam es zu neuen Entwicklungen. Die nachfolgenden Ergänzungen beziehen sich auf den im Jahr 2023 nach Eschborn (bei Frankfurt) gezogenen Kaia Boehm »SchwrzVyce« und auf Umut Karakaya »Ukvali«. Im Fokus stehen dabei deren antisemitische Positionen im Anschluss an die Morde der islamistischen Hamas am 7. Oktober 2023 sowie Konflikte der beiden Rapper mit der Justiz.

Bereits am frühen Nachmittag des 7. Oktober stellte Umut Karakaya ein Bild mit erhobener Faust und dem Spruch »Free Gaza Free Palestine« auf seinem Telegramkanal online. Erst wenige Stunden zuvor erreichten die ersten Bilder des Massenmordes der Hamas die Welt. Den ehemaligen Chefredakteur der BILD-Zeitung, Julian Reichelt, versuchte er am gleichen Tag mithilfe einer antisemitischen Karikatur zu beleidigen, nachdem dieser seine Solidarität mit Israel ausgedrückt hatte. In den letzten Jahren hingegen hatte sich Karakaya kaum zum Nahostkonflikt geäußert. Sein zu diesem Zeitpunkt letztes Telegram-Posting, in welchem Israel erwähnt wird, stammt vom 19. Mai 2022, zu Palästina findet sich zwischen der Eröffnung des Kanals am 26. Juni 2019 und dem 7. Oktober 2023 kein einziger Eintrag. Dies macht deutlich, dass Karakayas Solidaritätsbekundungen für Palästina in erster Linie eine Zustimmung zum Massaker der Hamas sind.

In den darauffolgenden Wochen und Monaten griff er das Thema immer wieder auf und verwies dabei auf seinen Song »Killuminati 3.0« aus dem Jahr 2014, in welchem er ebenfalls auf die Eskalation im Nahostkonflikt zum damaligen Zeitpunkt reagierte. 2014 rappte er: »Fick die NWO, ich schrei free palestine«, »siehst du nicht, wie sich die Bilder bekriegen, der Nahostkonflikt erzeugt durch künstliche Krisen« bis hin zu offen antisemitischen Ausfällen und Verschwörungserzählungen in Textzeilen wie »jetzt mal im Ernst, ich kenn die deutsche Geschichte, Nationalisten wollten einst den Teufel vernichten« und »die Elite ist eitel und trifft sich in Logen, fick die Rothschild-Family, Rockefeller plus Henry Kissinger und George W. Bush«.

Im Gegensatz zu Karakaya äußerte sich Kaia Boehm am 7. Oktober 2023 nicht direkt zum Überfall der Hamas oder den darauffolgenden Angriffen der israelischen Armee auf Gaza. Zum Jahresende wurde er jedoch deutlich. Am Abend des 31. Dezember veröffentlichte er auf YouTube und Telegram einen neuen Song namens »Diese J****«. Zu Bildern, die wohl Kinder in Gaza zeigen sollen, rappt er: »Diese J[Piepton] schlachten Kinder ab, steht doch in der Presse und die ganzen Deutschen halten wieder ihre Fresse, diese J[Piepton] werfen Bomben ab, auf der ganzen Fläche, doch die ganzen Leute feiern einfach ihre Feste«. Egal ob er seine Worte mit einem Piepen übertönt oder mittels Sternchen selbst zensiert – dass Boehm mit »J****« Juden meint, ist allen Zuhörenden klar. Des weiteren bedient er den antisemitischen Stereotyp der vermeintlichen Strippenzieher im Hintergrund, die ganze Länder und »Völker« vernichten wollten, wenn er singt: »es ist der Deutschland-Genozid, es ist der Kongo-Genozid, es ist der Gaza-Genozid, sag mir wer die Fäden zieht«. Ansonsten besteht sein Song aus einer Aneinanderreihung von rassistischen und misogynen Beleidigungen gegenüber Personen des öffentlichen Lebens wie Bushido, Helene Fischer und Bundespräsident Steinmeier.

Das lässt erkennen, dass hinter Boehms Provokationen ein Geschäftsmodell steckt. Dass seine Ausfälle und Beleidigungen (»Dreckskanacke«, »dumme Nutte«, etc.) Strafanzeigen und Gerichtsverfahren nach sich ziehen, ist offensichtlich einkalkuliert, wenn nicht beabsichtigt. Man sieht Kaia Boehm förmlich in seiner Wohnung sitzen, darauf hoffend, dass bald eine neue Anzeige herein flattern möge, woraufhin er sich lautstark über Zensur beklagen und sich als politisch Verfolgter inszenieren wird. Geldstrafen, Verfahrenskosten und ab und zu Beschlagnahmungen von CDs sind die Investitionen, über die er sich Bekanntheit und Image verschafft, was den Verkauf seiner Musik und seines Merchandise ankurbeln soll. Das Feedback in seinem Telegramkanal bestätigt dies. Der Song »Diese J****« stößt dort auf annähernd ungeteilte Zustimmung. Der Rapbellion-Rapper »Twanie« kommentiert das Lied völlig ironiefrei sogar mit den Worten »Du hast die dicksten Eier Bruder !!!!«.

Im Vordergrund von links nach rechts zu sehen: Philipp Wendland »Phizzo«, Umut Karakaya »Ukvali« und Kai Naggert »Prototyp«. Quelle: Telegram

Ob sich das Geschäftsmodell auf Dauer rechnen wird, bleibt aber ungewiss. Sowohl Boehm als auch Karakaya hatten im vergangenen Jahr Ärger mit Staatsanwaltschaft und Polizei. So beklagte Kaia Boehm, dass am 8. November 2023 sechs Polizist*innen seine Wohnung durchsucht hätten, um zu ermitteln, welche Einnahmen er mit seiner Musik erzielt habe, insbesondere mit dem Song »AfD / Alternative für Deutschland (Wahlwerbespot)«, bei dem die Einnahmen auf Beleidigungen beruhen würden. Über den Stand des Verfahrens ist bisher nichts weiter bekannt. Es sollte aufmerksam verfolgt werden.

Umut Karakaya hat im vergangenen Jahr hingegen schon ein Verfahren hinter sich gebracht. Am 22. Juni 2023 veröffentlichte er das Foto einer Vorladung wegen eines Ermittlungsverfahrens gegen ihn in seinen Telegramkanal. Der Vorwurf lautete Verstoß gegen § 86a, Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Er hatte, wie im ursprünglichen Text gezeigt, im September 2022 in seinem Telegram-Kanal eine verbotene Nazi-Parole gepostet. Die Konsequenzen waren für Karakaya allerdings gering, was er ebenfalls stolz auf Telegram präsentierte. Am 15. Dezember 2023 stellte er ein kurzes Video online, in dem er zeigte, dass das Verfahren vom Amtsgericht Alsfeld gegen die Zahlung von 200 Euro eingestellt worden war.

Boehm und Karakaya haben sich im vergangenen Jahr weiter radikalisiert. Während dies bei Kaia Boehm vor allem an dem Song »Diese J****« deutlich wird, zeigt es sich bei Umut Karakaya auch an den Kontakten, die er pflegt. Schon seit mehreren Jahren wirbt er regelmäßig für den Rapper Kai Naggert aka »Prototyp« und dessen Label NDS (Neuer Deutscher Standard). Der begann seine politische Karriere im Kreis der Identitären Bewegung und arbeitet mittlerweile mit Julian Fritsch aka »Makss Damage« zusammen, welcher der militant neonazistischen Kleinstpartei Der Dritte Weg angehört. Seit November 2023 zeigte sich Umut Karakaya auf seinen Social Media-Kanälen zusammen mit Naggert und Fritsch. Unter einem gemeinsamen Bild mit Naggert schrieb er: »Der Schlüssel zum Erfolg ist Kameradschaft und der Wille, alles für den anderen zu geben«. Dieser Kontakt mündete offenbar in der direkten Zusammenarbeit eines Teils der ehemaligen Rapbellions mit Naggerts NDS. Den Schritt vom rechten verschwörungsideologischen Milieu in den organisierten Neonazismus hat Karakaya nun endgültig vollzogen. Und auch andere Rapbellions gehen diesen Weg.

Am 15. Februar 2024 wurde über die einschlägigen Kanäle die NDS-Produktion »Kotz dich aus« verbreitet, eine Kollaboration von 11 Rappern und zwei Rapperinnen. Der Stil ist dem Song »Ich mach da nicht mit« der Rapbellions sehr ähnlich. Während man sich 2021 noch gegen staatliche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und Impfungen wendete, hinter denen man in verschwörungsideologischer Manier einen geheimen Plan witterte, ist der Song »Kotz dich aus« nun vollkommen von rechten Kampfbegriffen geprägt wie »Migrationswaffe«, »Genderwahn« oder »Klimalüge«.

Mit dabei ist sind die Rapbellions-Mitglieder »Galstarr« und »Der Typ« sowie »Ukvali«, der aktuell nicht mehr zum »Rudel« des Rapbellions zählt. »Ukvali« widmet sich in seinem Part wieder einmal dem Thema Weltverschwörung:

»Der Teufel sitzt am Thron, bestimmt den Kreislauf der Zeit, deshalb Mittelfinger hoch, fick die Freimaurerei. Seh wie Endzeitsekten die Menschheit blenden und alles aus dem Hintergrund weltweit lenken.«

Verschiedene Rapper bedienen im Song den Verschwörungsmythos vom »Großen Austausch« (»Boote, die ins Meer stechen. Mittels Migrationswaffe fluten sie das Land«), beleidigen geschlechtliche Vielfalt (»Es gibt nur zwei Geschlechter, alles andere ist Pseudodreck«) oder rücken das Gendern in die Nähe von Pädophilie (»Gendern in ‘nem Kindergarten, Pädos die aufs Fingern warten«).

»Makss Damage« rappt »Lass die Besatzer alle Blei fressen«, während er eine Mütze der neonazistischen Gefangenenhilfe trägt und »Azatro NDS« präsentiert einen Sticker der schwedischen Neonazis des Aktivklubb Sverige. Dass Der Typ in seinem Part von »Kotz dich aus« beklagt, dass man einen »Nazistempel für Kritik“« aufgedrückt bekomme, ist nur eine ungewollte Ironie am Rande.


Quellen:

  1. Es handelt sich dabei tatsächlich nur um Männer. Da sie sich in ihren Texten vielfach ihrer Männlichkeit versichern und sich zudem misogyn, homo- und transfeindlich äußern, werden sie im Folgenden nicht gegendert. ↩︎
  2. https://www.last.fm/de/music/Urbanize/+wik ↩︎
  3. https://www.facebook.com/photo/?fbid=4385256411501682&set=a.548799188480776 ↩︎
  4. https://www.youtube.com/watch?v=lXkhPAd-A2A ↩︎
  5. Eine vollständige Liste der Beteiligten findet sich unter:
    https://www.psiram.com/de/index.php/Die_Konferenz_Heimat ↩︎